Wiederaufnahme des „Rosenkavaliers“von Richard Strauss im Großen Festspielhaus bei den Salzburger Festspielen: Die Regie von Harry Kupfer beeindruckt nach wie vor durch präzise Eleganz. Großer Applaus.
Salzburg – Über den Dächern von Wien, da steht die hochadelige Zeit für ein paar Schäferstündchen still. Die Palaisdame vergnügt sich, während der Gemahl schießend dafür sorgt, dass die Wildbestände nicht ausufern, mit ihrem Herrn Schatz. Und auch das Betrachterauge hätte im Festspielhaus keine speziellen Einwände, würde die Zeit angehalten.
Dies nicht nur der leichtfüßigen Art wegen, mit der Regisseur Harry Kupfer den Austausch von Komplimenten zwischen Marschallin und Octavian moderiert. Auch der von Hans Schavernoch geformte elegante Raumcharakter, der dem Jugendstil zugeneigt ist, wäre – selbst ohne Opernfiguren – voller Reize. Mit seinen diskret sich neu gruppierenden Möbeln und Wänden, mit seinen Bildern zudem, die jenen architektonischen Historismus einfangen, der in der Donaustadt heute noch lebt.
Weder fürs Betrachterauge noch für die Marschallin bleibt jedoch Zeit zum genießenden Verweilen. Es klopft der hektische Vetter an die Tür, es naht Baron Ochs auf Lerchenau, die Sach’ pressiert, Ochs will heiraten, braucht Hilfe.
Der Routinier Kupfer beherrscht als virtuoser, subtiler Erzähler nicht nur die Verlangsamung. Auch die Geschwindigkeit dieser rüpelhaft-herablassenden Figur gestaltet er elegant. Wie im Vorjahr bei der Premiere ist denn auch Günther Groissböck der blasierte Lackel, dessen gute körperliche Verfassung sich dynamisch mit sozialer Impertinenz mixt. Und Groissböck gibt bühnenwirk- sam das große narzisstische Kind mit nach wie vor imposanter vokaler Wendigkeit und kultivierter Direktheit. Ein Faktor, der die Operndinge heiter-aufdringlich vorantreibt. Mag sein, dass er gerne zur Ruhe käme, gäbe es nicht dieses junge Ge- schöpf, das ungebeten seine Wege kreuzt, seine Heiratskreise stört. Es erscheint ihm als Zofe der Marschallin; es tritt in seiner tatsächlichen Gestalt als Octavian auf, der ihm Sophie wegschnappen wird. Und es sucht das Geschöpf als schüchternes Mädel scheinbar Nähe, um Ochs schließ- lich eine finale Anstandslektion zu erteilen.
Diesen Chaoshöhepunkt des dritten Akts inszeniert Kupfer als kindlich-gruseliges Spiel der Verkleidung und Entkleidung. In einer Praterschenke verdichtet sich Ochs’ Verzweiflung also durchaus heiter, bis die Marschal- lin im Extrazimmer für gewisse Stunden Ordnung schafft.
Sie ist zu diesem Zeitpunkt mit sich im Reinen, gefasst und frei von Wankelmut. Über die Zeit hat sie melancholisch sinniert. Auch dass Octavian (imposante Höhen: Sophie Koch) ihr entgleitet und Sophie (sehr respektabel: Golda Schultz) findet, musste sie erleben. Nun ist es genug. Krassimira Stoyanova gibt die Marschallin als würdevolle Dame, die sich mit dem Lauf der Welt versöhnt hat. Im Vokalen berücken insbesondere die lyrischen Momente; magisch, wie Stoyanova im Piano etwa das Wörtchen „Rose“am Ende des ersten Akts zelebriert.
Subtil und schwerelos
Die vokale Qualität des Abends wird durch ein gutes Gesamtensemble unterstützt – im Speziellen wären da Adrian Eröd (als Herr von Faninal), Tobias Kehrer (als Polizeikommissar) und Roman Sadnik (als Wirt) zu nennen.
Die Wiener Philharmoniker und Dirigent Franz Welser-Möst suchten diesmal die große Leichtigkeit, quasi das durchsichtige, kammermusikalische Schweben. Und tatsächlich: So feinnervig und schwerelos hat es im Großen Festspielhaus selten geklungen – dabei transparent und klar.
Dass jene walzerselig fiebernden Elemente in Strauss’ Partitur nicht extrem drängend aufblitzten, das war ein Interpretationspreis, der gerne gezahlt wurde. Großer, aber recht kurzer Applaus für alle.