Wer Brecht sagt, muss auch Weill und Eisler sagen
Ein Fazit: Die Probleme des Schauspiels bei den Salzburger Festspielen 2015 sind großteils hausgemacht
ANALYSE: Salzburg – Politisch wurde es in der Festspielstadt Salzburg erst spät. Ein blauer Oppositionspolitiker beehrte den Jedermann auf dem Domplatz. Die anwesenden Musiker brachten ihm ein Ständchen dar und wählten für ihr menschenfreundliches Ansinnen ausgerechnet die sozialistische Internationale. Die spontane Eigenmächtigkeit stieß bei Festivalchef Sven-Eric Bechtolf auf wenig Gegenliebe und wurde von ihm ausdrücklich missbilligt.
An gutem Willen, sich in die Gedankenwelt des Sozialismus zu vertiefen, hat es auf dem Papier nicht gefehlt. Das Salzburger Schauspielprogramm 2015 ließ sich einen kleinen Brecht- Schwerpunkt angelegen sein. Zum ersten Mal seit gefühlten 20 Jahren wurde für das Schauspiel die Felsenreitschule aufgesperrt.
nannte sich eine pompöse Verschlimmbesserung der Dreigroschenoper. Besonders mit der Instrumentierung des genialen Kurt Weill sprang man böse um. Brechts Neufassung der Bettleroper von John Gay wurde in Richtung Musical umgedeutet. Die törichte und völlig belanglose Großproduktion harrt seitdem ihrer Übernahme durch die Vereinigten Bühnen Wien.
Bechtolfs aktuelles Schauspielprogramm dünn zu nennen hieße, seine wahren Schwächen zu unterschlagen. Dass die kurze, aber heftige Ära Alexander Pereiras an der Substanz auch des Sprechtheaters zehren würde, schien klar. Mit der verhaltensoriginellen Neudeutung von Goethes Clavigo durch Regisseur Stephan Kimmig hätte man in einem „fetten“Schauspieljahr sogar seinen Frieden machen können.
Der journalistische Kleckser Clavigo, der aus Opportunismus ein armes Bürgermädchen sitzenlässt, wurde kurzerhand zur Diva erklärt. Aus der Idee des Geschlechtertauschs ging nur leider nichts Erhellendes hervor. Außer dass die „ersten Regisseure“im Sprachraum offenbar ihre zweitbesten Ideen verwerten müssen, um weiter an ersten Häusern inszenieren zu dürfen.
Lob der Harmlosigkeit
Die Ehrenrettung von Shakespeares selten gespielter Komödie der Irrungen wurde auf der PernerInsel mit viel Wasser- und Mobiliareinsatz betrieben. Auch hier wurde vornehmlich der Unterhaltungslust gehuldigt. Es scheint, als ob man dem Festspielpublikum von vornherein nicht zutrauen würde, über den Schatten seiner Bequemlichkeit zu springen.
So viel Harmlosigkeit in Gedanken, Worten und Inszenierungswerken lässt sich schwerlich rechtfertigen. Auch der Verweis auf die alten Konzeptpapiere von Gründervater Hofmannsthal hilft nicht weiter. Die „Spiellust der süddeutschen Stämme“verträgt weitaus mehr Gehalt, als Bechtolf seinem Publikum zumutet. Der Hinweis auf die Augsburger Wurzeln Brechts sei in diesem Zu- sammenhang verstattet. Und was spricht dagegen, die Beschäftigung mit dem großen BB in einem Salzburger DreigroschenopernJahr auch szenisch auszuweiten? Denkbar wäre es sogar, sich der Schauspielmusiken Hanns Eislers anzunehmen oder der wunderbaren Broadway-Kunst Kurt Weills lauschend nachzusinnen.
Not täte somit eine ernstzunehmende Salzburger Dramaturgie. Das Schauspiel, strukturell zur Geldbeschaffung für den teuren Opernbereich verpflichtet, müsste mehr zu leisten imstande sein, als deutschen Theatern beim Aufbau eines Repertoires zu helfen (siehe Clavigo). Sonst bleibt man zur Beantwortung der Frage verdammt, welche Buhlschaft welches Kleid aufträgt.