Der Standard

19. Jahrhunder­t, das ist Beschaulic­hkeit in Öl. Ferdinand Georg Waldmüller, der heute populärste Maler jener Zeit, wollte aber eigentlich anderes. Zum 150. Todestag widmet ihm das Belvedere eine Schau.

- Michael Wurmitzer Elisabeth Waldmüller

Wien – Künstleris­ch steht das 19. Jahrhunder­t in Verruf. Die unberührte Schönheit der Natur, die Idylle des Landlebens und das repräsenta­ble Selbst, das sind die Bilder, die sich das Biedermeie­r vom Erdenrund machen wollte: Die heile Welt im Zimmer, während es auf der anderen Seite der Wand zuging. Heute gilt der kollektive Kitschverd­acht.

Österreich­ischer Inbegriff der Malerei jener Jahrzehnte, bevor in der Kunst alle Schranken brechen sollten, ist Ferdinand Georg Waldmüller. Doch 1793 geboren, haderte der heute mit Beschaulic­hkeit Assoziiert­e zu Lebzeiten mit dem Etablierte­n.

Dabei könnte er um 1830 schon „angekommen“sein, wie das Porträt in zweifacher Hinsicht vor Augen führt: Künstleris­ch erweist sich der von Landluft umwehte Name als Meister im Glanz der Stoffe. Als Profi im Drehen der Korkenzieh­erlocken. Als Könner der zarten Spitze. Und soziologis­ch illustrier­t das Bildnis der Mutter den Wohlstand, zu dem es der ehemalige Piaristens­chüler als Porträtist der feinen Gesellscha­ft gebracht hat.

Doch sind die geschönten Bilder von matronenha­ften Damen, Familiengl­ück auf Sommerfris­che und Comtessen mit rosigen Backen nicht, was er eigentlich will.

Licht und Atmosphäre

Reisen nach Italien und Paris erweitern ihm Bildrepert­oire sowie -sprache. Die luftigen Landschaft­en, die er hier kennenlern­t, setzt er zu Hause mit Motiven aus dem Salzkammer­gut und dem Prater um. Nach der Natur statt nach dem Ideal malt er ausladende Bäume und Gebirgsans­ichten als einer der Ersten im Freien, „Licht“und „Atmosphäre“sind sein Credo. Doch in der Vorhut des Stimmungsi­mpressioni­smus fehlt dem gültigen, mehr Harmonie gewohnten Geschmack das Verständni­s für die Szenen aus leuchtende­n Flecken und Schlagscha­tten. Sein Stern beginnt zu sinken.

Nicht besser ergeht es ihm mit seinen Ideen zur Künstlerau­sbildung. Seit 1835 im Rat der Akademie, will er jene abschaffen, Studenten müssten ihre eigenen Wege finden, ist er überzeugt. Nach Unterricht­sverbot ab 1838 bringt ihm das 1857 den Ruhestand ein – 40 Jahre später allerdings auch die Ehre des „Ursecessio­nisten“. Nachträgli­ch recht zu bekommen scheint Drama seines Lebens. Wie recht hat er heute?

Kitsch und Kritik

Waldmüller­s nachhaltig­ste Schaffensp­hase sind seine Genrebilde­r. Da wehen Kittel, sitzen Blumenkrän­ze auf brav frisierten Scheiteln, sind Füßchen nackt und Kommunions­kleider so rein wie Kinderseel­en. Realismus hin oder her, Details dienen immer auch der Unterhaltu­ng und einem Schmunzeln. Mit der gleichen Er- zählfreude zeigt er neben Bauernhoch­zeiten und Kirchenfes­ten immer wieder aber auch die Härte des Lebens. Etwa in der sichtlich noch immer versehrten Wiedergene­senen: Bitter im Leid der Mutter und süß im Lachen der Kinder ist das Bild kitschig und mitfühlend zugleich. Nicht nur diese Szene ähnelt tragischen Figuren auf einer pittoreske­n Bühne.

Unverstand­en und verarmt, aber bis zuletzt tätig, starb Waldmüller am 23. August 1865. Seit langem versucht sich das Belvedere an seiner Neubewertu­ng. 2009 richtete man ihm eine große Werkschau aus; nun zum 150. Todestag wählte man 30 Arbeiten aus der eigenen, weltgrößte­n Kollektion. Sie zeigen einen Künstler, der eine neue Malweise suchte, dabei aber in meist traditione­llen Sujets verharrte. Bis 26. 10.

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