19. Jahrhundert, das ist Beschaulichkeit in Öl. Ferdinand Georg Waldmüller, der heute populärste Maler jener Zeit, wollte aber eigentlich anderes. Zum 150. Todestag widmet ihm das Belvedere eine Schau.
Wien – Künstlerisch steht das 19. Jahrhundert in Verruf. Die unberührte Schönheit der Natur, die Idylle des Landlebens und das repräsentable Selbst, das sind die Bilder, die sich das Biedermeier vom Erdenrund machen wollte: Die heile Welt im Zimmer, während es auf der anderen Seite der Wand zuging. Heute gilt der kollektive Kitschverdacht.
Österreichischer Inbegriff der Malerei jener Jahrzehnte, bevor in der Kunst alle Schranken brechen sollten, ist Ferdinand Georg Waldmüller. Doch 1793 geboren, haderte der heute mit Beschaulichkeit Assoziierte zu Lebzeiten mit dem Etablierten.
Dabei könnte er um 1830 schon „angekommen“sein, wie das Porträt in zweifacher Hinsicht vor Augen führt: Künstlerisch erweist sich der von Landluft umwehte Name als Meister im Glanz der Stoffe. Als Profi im Drehen der Korkenzieherlocken. Als Könner der zarten Spitze. Und soziologisch illustriert das Bildnis der Mutter den Wohlstand, zu dem es der ehemalige Piaristenschüler als Porträtist der feinen Gesellschaft gebracht hat.
Doch sind die geschönten Bilder von matronenhaften Damen, Familienglück auf Sommerfrische und Comtessen mit rosigen Backen nicht, was er eigentlich will.
Licht und Atmosphäre
Reisen nach Italien und Paris erweitern ihm Bildrepertoire sowie -sprache. Die luftigen Landschaften, die er hier kennenlernt, setzt er zu Hause mit Motiven aus dem Salzkammergut und dem Prater um. Nach der Natur statt nach dem Ideal malt er ausladende Bäume und Gebirgsansichten als einer der Ersten im Freien, „Licht“und „Atmosphäre“sind sein Credo. Doch in der Vorhut des Stimmungsimpressionismus fehlt dem gültigen, mehr Harmonie gewohnten Geschmack das Verständnis für die Szenen aus leuchtenden Flecken und Schlagschatten. Sein Stern beginnt zu sinken.
Nicht besser ergeht es ihm mit seinen Ideen zur Künstlerausbildung. Seit 1835 im Rat der Akademie, will er jene abschaffen, Studenten müssten ihre eigenen Wege finden, ist er überzeugt. Nach Unterrichtsverbot ab 1838 bringt ihm das 1857 den Ruhestand ein – 40 Jahre später allerdings auch die Ehre des „Ursecessionisten“. Nachträglich recht zu bekommen scheint Drama seines Lebens. Wie recht hat er heute?
Kitsch und Kritik
Waldmüllers nachhaltigste Schaffensphase sind seine Genrebilder. Da wehen Kittel, sitzen Blumenkränze auf brav frisierten Scheiteln, sind Füßchen nackt und Kommunionskleider so rein wie Kinderseelen. Realismus hin oder her, Details dienen immer auch der Unterhaltung und einem Schmunzeln. Mit der gleichen Er- zählfreude zeigt er neben Bauernhochzeiten und Kirchenfesten immer wieder aber auch die Härte des Lebens. Etwa in der sichtlich noch immer versehrten Wiedergenesenen: Bitter im Leid der Mutter und süß im Lachen der Kinder ist das Bild kitschig und mitfühlend zugleich. Nicht nur diese Szene ähnelt tragischen Figuren auf einer pittoresken Bühne.
Unverstanden und verarmt, aber bis zuletzt tätig, starb Waldmüller am 23. August 1865. Seit langem versucht sich das Belvedere an seiner Neubewertung. 2009 richtete man ihm eine große Werkschau aus; nun zum 150. Todestag wählte man 30 Arbeiten aus der eigenen, weltgrößten Kollektion. Sie zeigen einen Künstler, der eine neue Malweise suchte, dabei aber in meist traditionellen Sujets verharrte. Bis 26. 10.