Tsipras lässt bitten
Sechzig Prozent Zustimmung sind beachtlich für einen Regierungschef, der den Großteil seiner Wahlversprechen gebrochen, sein Land tiefer in die Rezession gefahren und den Schuldenberg nach fünf Jahren Sparkurs mittels eines neuen Milliardenkredits auf unerreichte 201 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht hat. Trotzdem ist Alexis Tsipras der neue Leuchtturm in der griechischen Parteienlandschaft. Ein großer Teil der Wähler erkennt sich in dem jungen Premier wieder. Denn: Sein Erwachen aus den Illusionen vom Ende des Sparregimes und der Gängelei durch die Kreditgeber ist auch das ihre.
Acht Monate nach dem Sieg der radikalen Linken und zwei Monate nach dem Referendum sollen die Griechen erneut wählen. Es geht um Tsipras, nicht mehr um sein Parteibündnis. Das hat sich gespalten. Der Mehrheitsteil von Syriza, getragen von der linkssozialistischen Gruppe Synaspismos, beugt sich zähneknirschend der Realität der Kreditwelt. Die Griechen wollen im Euro bleiben – das haben Tsipras und der Teil der Partei, der bei ihm bleibt, akzeptiert.
Der politische Neustart sollte gelingen. Die sogenannte proeuropäische Opposition hat noch keine überzeugenden Argumente; sie war es ja, die mit ihren Stimmen im Parlament erst die Annahme des neuen Hilfskredits ermöglichte. Die neue Drachme-Partei der Syriza-Rebellen wird sich schwertun, mehr als das linke Protestmilieu zu mobilisieren. Wahlmüdigkeit ist Tsipras’ eigentliches Problem.