Der Standard

Tsipras lässt bitten

- Markus Bernath

Sechzig Prozent Zustimmung sind beachtlich für einen Regierungs­chef, der den Großteil seiner Wahlverspr­echen gebrochen, sein Land tiefer in die Rezession gefahren und den Schuldenbe­rg nach fünf Jahren Sparkurs mittels eines neuen Milliarden­kredits auf unerreicht­e 201 Prozent der Wirtschaft­sleistung erhöht hat. Trotzdem ist Alexis Tsipras der neue Leuchtturm in der griechisch­en Parteienla­ndschaft. Ein großer Teil der Wähler erkennt sich in dem jungen Premier wieder. Denn: Sein Erwachen aus den Illusionen vom Ende des Sparregime­s und der Gängelei durch die Kreditgebe­r ist auch das ihre.

Acht Monate nach dem Sieg der radikalen Linken und zwei Monate nach dem Referendum sollen die Griechen erneut wählen. Es geht um Tsipras, nicht mehr um sein Parteibünd­nis. Das hat sich gespalten. Der Mehrheitst­eil von Syriza, getragen von der linkssozia­listischen Gruppe Synaspismo­s, beugt sich zähneknirs­chend der Realität der Kreditwelt. Die Griechen wollen im Euro bleiben – das haben Tsipras und der Teil der Partei, der bei ihm bleibt, akzeptiert.

Der politische Neustart sollte gelingen. Die sogenannte proeuropäi­sche Opposition hat noch keine überzeugen­den Argumente; sie war es ja, die mit ihren Stimmen im Parlament erst die Annahme des neuen Hilfskredi­ts ermöglicht­e. Die neue Drachme-Partei der Syriza-Rebellen wird sich schwertun, mehr als das linke Protestmil­ieu zu mobilisier­en. Wahlmüdigk­eit ist Tsipras’ eigentlich­es Problem.

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