Der Standard

KOPF DES TAGES

Die Bloggerin, die nicht mehr länger zusehen wollte

- Fabian Schmid

Es gibt diesen einen Moment im Leben der Lifestyle-Bloggerin Madeleine Alizadeh, an dem sie einfach nicht mehr zusehen mochte. An dem plötzlich die Flüchtling­skrise, kristallis­iert im überfüllte­n Lager Traiskirch­en, zum bestimmend­en Motiv wurde. Engagiert hat sich Alizadeh, die unter dem Pseudonym DariaDaria bloggt, schon zuvor: Sie schreibt über Mode und Kosmetik, die vorgestell­ten Produkte sind ausschließ­lich vegan und umweltvert­räglich produziert.

Doch Anfang August reiste Alizadeh nach Traiskirch­en, um Spenden abzugeben. Bald darauf kam sie wieder und verbrachte den ganzen Tag dort. Den nächsten Tag ebenso. Daraus wurden zwei Wochen, in denen sie junge Syrer, geflohene Afghaninne­n und irakische Familien kennenlern­te. „Es hat mich sehr mitgenomme­n“, erzählt Alizadeh.

Doch sie weiß, dass sie durch ihren Status als populäre Modeblogge­rin auch jene erreichen kann, die sich bislang wenig mit der Materie beschäftig­en: Rund 60.000 Leute klicken monatlich auf ihre Seite, die meisten davon sind unter 24 Jahre alt. Alizadeh bemerkte, dass auch ihre Fans anfingen, Spenden für Traiskirch­en zu sammeln. „Viele fühlten sich kalt erwischt“, erzählt sie, „doch die meisten sehen es positiv.“Sie fand prompt eine Unterkunft für eine irakische Familie, diese durfte Traiskirch­en jedoch noch nicht verlassen. Das regte Alizadeh auf: Sie veröffentl­ichte einen offenen Brief an das Innenminis­terium, der hunderte Male verbreitet wurde. „Wenn jeder Blogger nur einen Beitrag dafür leisten könnte, hätte das eine gewaltige Wirkung“, sagt sie jetzt. Tatsächlic­h bewegte sich etwas: Am Donnerstag durfte die Familie Traiskirch­en verlassen und in eine neue, private Unterkunft ziehen.

Für Alizadeh war es der „turbulente­ste Tag“ihres Lebens. Jetzt ist sie erst einmal in Berlin, wo sie als Bloggerin an einem Event teilnimmt – in einer Parallelwe­lt zu Traiskirch­en, wie sie sagt. Dass ihr neben den Leidenscha­ften Lifestyle und Mode das Politische am Herzen liegt, dürfte an Alizadehs Elternhaus liegen. Ihr Vater stammt aus dem Iran und wanderte in den 1970ern nach Österreich aus. Nach der Islamische­n Revolution half er Flüchtling­en, nahm sie auch bei sich auf. „Mein Engagement kommt nicht von irgendwohe­r“, sagt Alizadeh, die nach Unterkünft­en für weitere Familien sucht. Nach Traiskirch­en will sie künftig „nur mehr zweimal pro Woche“– tatenlos zusehen will sie hingegen nie mehr wieder.

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Helferin.
Foto: Maximilian Salzer Madeleine Alizadeh: von der Modeblogge­rin zur Helferin.

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