Spreu und internationaler Weizen
Im September jährt sich erstmals die Eröffnung der Artcurial-Niederlassung in Wien
Nach mehr als 400 Jahren war im Juli vor 15 Jahren in Frankreich die strikte staatliche Reglementierung des Auktionswesens Geschichte und die Justierung der Branche eine logische Konsequenz. Dem Fall des Monopols folgte eine neue Aufteilung des strategisch wichtigen Marktplatzes innerhalb Europas. Christie’s und Sotheby’s durften erstmals ohne lokale Kooperationspartner Versteigerungen abhalten, und zeitgleich wussten nationale Protagonisten die Gunst der Stunde zu nutzen.
Etwa das 2002 gegründete Auktionshaus Artcurial, das sich innert weniger Jahre in Nischensegmenten punkto Marktanteilen teils eine führende, teils eine relevante Position sicherte: etwa bei Druckgrafik (Marktführer Frankreich), im Comic-Segment (Marktführer weltweit) oder bei Design (Marktführer Europa).
Der wirtschaftliche Erfolg spricht für sich: 2014 setzte man über Auktionen in Paris und Monaco 192 Millionen Euro um, heuer summierten sich die Zuschläge im ersten Halbjahr auf 115,5 Millionen Euro (Vgl. 2014: 105 Mio. Euro). Die Expansionsstrategie ist ein wesentlicher Teil dieses Erfolgs. 2012 eröffnete man Repräsentanzen in Mailand und Brüssel, aktuell kam München (Leitung: Moritz Freiherr von der Heydte) hinzu.
Im September jährt sich erstmals die Eröffnung der Niederlassung in Wien und damit auch die Rückkehr von Caroline Messensee in ihre Heimat. Mitte der 1990er-Jahre war die Tochter des Künstlers Jürgen Messensee zum Kunstgeschichte-Studium nach Paris übersiedelt. Später war sie etwa für die Fondation Cartier tätig und betreute als Kuratorin Ausstellungen (u. a. Fernand Léger, Joan Miró, George Braque) in Frankreich, Deutschland, Österreich oder auch in Spanien. 2012 wechselte sie zu Artcurial und übernahm den Bereich Modern & Contemporary Art.
Mit der Übersiedlung nach Wien folgte ein neuer Aufgabenbereich als Leiterin des hiesigen Büros. Die erste Bilanz fällt durchweg positiv aus, wiewohl die Bekanntheit der „Marke“Artcurial hierzulande noch Luft nach oben hat. Das größte Potenzial sieht Messensee in den Bereichen klassischer Automobi- lia, Schmuck, aber auch bei Alten Meistern und historischem Mobiliar. Bei moderner und zeitgenössischer Kunst gilt es allerdings, die am österreichischen Gout orientierte Spreu vom international gefragten Weizen zu trennen.
Zweig-Ausstellung
So weit die Lage an der Akquisitionsfront. Zeitgleich gewährt hierzulande über Previews im Vorfeld von Auktionen regelmäßig Einblick in die Angebotswelt von Artcurial. Demnächst steht etwa im Zuge der Vienna Design Week (25. 9.–4. 10.) eine Ausstellung zu Papierarbeiten von Ettore Sottsass auf dem Programm, für den Oktober avisiert Messensee wiederum eine Ausstellung zu Stefan Zweig, in der die bislang unveröffentlichte Korrespondenz zu einem französischen Übersetzer im Mittelpunkt stehen wird. (kron)