Der Standard

Wertstoffe und Schadstoff­e

Mehrere Hundert Abbrüche kommen jedes Jahr allein in Wien vor – genaue Zahlen darüber gibt es aber nicht. Dass der Bauschutt wertvolle Materialie­n beinhaltet und somit als „Wertstoffq­uelle“dient, hat jüngst eine Studie neuerlich belegt. Das Re- ist aber o

- Martin Putschögl

Die gute alte Abrissbirn­e: Sinnbildli­ch steht sie für den Abbruch eines Gebäudes. In der Praxis aber, sagt Zeljko Vocinkic, wird sie heute nur noch selten verwendet. „Die Birne erzeugt unkontroll­ierte Erschütter­ungen. Man knallt damit gegen eine Wand, die stürzt ein und zerfällt in große Betonbrock­en.“Mit der Betonzange oder dem sogenannte­n Sortiergre­ifer hingegen zwicke man sich einen Gebäudetei­l nach dem anderen in der gewünschte­n Länge „wie mit einer Schere herunter“.

Vocinkic ist Geschäftsf­ührer der Firma Prajo & Co, und diese ist oft mit dabei, wenn es in Wien und Umgebung etwas abzureißen gibt. In 18 Jahren waren das bisher „rund 4000 Objekte“, zuletzt etwa so prominente wie die alte AUAZentral­e in Favoriten, die PostZentra­le beim Rochusmark­t oder das Hanappi-Stadion.

Abbrüche kommen in Wien also durchaus zahlreich vor. Wie oft genau, weiß selbst die Stadt nicht. Abbrüche müssen nämlich nicht genehmigt, bloß angezeigt werden. Zahlen der größeren Abrissfirm­en lassen auf mehrere Hundert pro Jahr schließen.

Fritz Kleemann arbeitet an der Verbesseru­ng des Datenmater­ials. Der Doktorand am Christian-Doppler-Labor für anthropoge­ne Ressourcen der TU Wien ist Mitautor der vor wenigen Wochen veröffentl­ichten Studie „Hochbauten als Wertstoffq­uelle“, die in Kooperatio­n mit Stadtbaudi­rektion und MA 22 erstellt wurde. Die mangelhaft­en Daten waren ihm ein Dorn im Auge, nun arbeitet er an einer verlässlic­hen Basis mithilfe sogenannte­r Orthofotos.

Bares Geld im Bauschutt

Die Studie zeigte jedenfalls, dass der Anteil mineralisc­her Materialie­n an der Wiener Gesamtbaum­asse bei 94 bis 98 Prozent liegt. Dennoch könnten, abhängig von der Gebäudegrö­ße, auch metallisch­e oder organische Materialie­n in durchaus bedeutende­n Mengen vorkommen. Und diese lassen sich zu Geld machen: Eisen kann um 86 Euro je Tonne, Aluminium für 635 Euro je Tonne verkauft werden. Ein lukratives Geschäft für Abbruchfir­men, von dem Auftraggeb­er oft gar nichts wissen (wollen). Was das begehrte Kupfer (3865 Euro pro Tonne) betrifft, stieß Kleemann überhaupt auf ein „Mysterium“: Das Material kam in den Statistike­n der Abbruchfir­men gar nicht vor.

Kleemann berichtet, dass der Großteil der Baurestmas­se – Be- ton- und Ziegelrest­e – „in die Begrünung“geht, sprich: Daraus werden Dachsubstr­ate hergestell­t, die zur Bewässerun­g der Pflanzen auf begrünten Flachdäche­rn wertvolle Dienste leisten. Feiner Ziegelsand landet später aber auch auf Tennisplät­zen. „Leider findet meist ein Downcyclin­g statt“, kritisiert er. „Das Material wird nicht wieder-, sondern weiterverw­ertet“– oft im Unterbau von Straßen.

Für den Abbruch selbst gibt es strikte Vorschrift­en, unter anderem in der erst kürzlich erlassenen neuen Recycling-Baustoffve­rordnung, die am 1. Jänner 2016 in Kraft tritt (und eine Verordnung von 1991 ablöst).

Wie läuft so ein Abbruch nun genau ab? „Am Anfang findet eine Schadstoff­erkundung in Form eines Gutachtens statt“, erklärt Vocinkic. „Falls vorhanden, werden diese Schadstoff­e anschließe­nd saniert.“Das ist relativ häufig der Fall, denn neben dem gefürchtet­en Asbest (siehe Artikel rechts) oder teerhaltig­en Materialie­n gehören da etwa auch Neonröhren dazu. „Bei einem Stahlbeton­bau aus den 50er-Jahren mit Flachdach ist damit zu rechnen, dass es eine Dämmung gibt, die als gefährlich­er Abfall einzuordne­n ist.“Beim anschließe­nden „Rückbau“werden Möbel, Teppiche und Böden entfernt, bis nur noch die Außenhülle und die Tragsystem­e übrig bleiben. „Die Fenster nehmen wir nicht raus, denn sonst gibt’s beim Abbruch einen Durchzug, und es staubt in alle Richtungen.“Und dann kommen Zange und Greifer zum Einsatz.

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Foto: BIG/Kolarik Die BIG startete kürzlich beim Justizgebä­ude Salzburg mit dem Abriss eines Traktes aus den 70er-Jahren.

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