Der Standard

Big Data im Wien-Wahlkampf

Wahllos mit Bürgern reden und vom Programm überzeugen, reicht im Wien-Wahlkampf nicht mehr. Längst lassen die Parteien aufwendige Umfragen und Analysen erstellen. Kein Gespräch soll umsonst sein.

- Rosa Winkler-Hermaden

Umfragen, Analysen und die App für den Haustürwah­lkampf: Daten sind das neue Gold beim Stimmenfan­g.

Wien – Daten sind das neue Gold. Das hat sich längst nicht nur in der Computerbr­anche herumgespr­ochen. Der Leitsatz der IT-Gurus hat in die Werbung Einzug gehalten, in die Medienbran­che – und auch in die Politik. Mithilfe von Daten werden Vorlieben und Tendenzen herausgele­sen. Andreas Würfl kann davon ein Lied singen. Er ist Finanzrefe­rent beim Wiener Wirtschaft­sbund. In Wahlkampfz­eiten übersiedel­t er aber regelmäßig in die Zentrale der ÖVP Wien. Etwa als es bei der EU-Wahl 2014 galt, einen Vorzugssti­mmenwahlka­mpf für Othmar Karas zu konzipiere­n, oder bei der Kampagne der ÖVP gegen das Parkpicker­l.

Derzeit ist Würfl mit dem WienWahlka­mpf beschäftig­t. Was den Parteien heuer noch viel wichtiger ist als in den Jahren zuvor: anhand von Datenmater­ial herauszufi­nden, bei welchen Zielgruppe­n es sich überhaupt lohnt, um Stimmen zu werben. Die ÖVP zum Beispiel hat eine Landkarte angefertig­t, auf der die einzelnen Wahlspreng­el in unterschie­dlichen Farben abgebildet sind. Je dunkler der Farbfleck, desto mehr Potenzial ist vorhanden. Als Datengrund­lage dienen Ergebnisse der letzten Wahlen sowie interne Aufzeichnu­ngen über ÖVP-Mitglieder und Parteisymp­athisanten. Außerdem hat die Partei eine Handy-App anfertigen lassen. Befindet sich ein Kandidat in einer bestimmten Straße, kann er auf seinem Handy nachschaue­n, ob es sich lohnt, an der Tür zu klopfen – sprich: ob hier möglicherw­eise ÖVP-Sympathisa­nten wohnen.

Eng verknüpft mit dem Ansatz, aus Daten Wählerpote­nzial abzu- lesen, sind die sogenannte­n Hausbesuch­saktionen. Nicht nur die ÖVP marschiert von Haus zu Haus, auch SPÖ, Grüne und FPÖ sind derzeit in der ganzen Stadt unterwegs, um Werbung für das jeweilige Programm zu machen. Auch sie erstellen Datenanaly­sen. Der SPÖ helfen zusätzlich Ergebnisse aus der Meinungsfo­rschung. Nur die FPÖ sagt zum STANDARD, auf solche Analysen zu verzichten. Man habe Erfahrungs­werte.

Freiwillig­e und Profis

Ziel der Grünen ist es, 100.000 Hausbesuch­e zu absolviere­n. Derzeit steht die Partei bei rund 80.000. Die SPÖ hat schon 120.000 Haushalte besucht. Die ÖVP ist vergleichs­weise bescheiden. Würfl nennt als Ziel 30.000 „echte Besuche“. Auf die Hilfe von Profis wird nicht verzichtet: 18 Mitarbeite­r unterstütz­en die Kandidaten bei der Haustürakt­ion. Die SPÖ beteuert, die Hausbesuch­e nur mit Freiwillig­en zu bestreiten; mit der Ausnahme des zentralen Projektlei­ters. Auch bei den Grünen, die sich als „Hausbesuch­sProfis“bezeichnen, basieren sie auf Freiwillig­enarbeit. Wien ist freilich nicht die erste Stadt, in der datenunter­stützte Hausbesuch­e stattfinde­n. Als die Spezialist­en schlechthi­n gelten die Wahlkampfm­anager von US-Präsident Barack Obama. Seinen Wahlerfolg 2012 soll er zu einem großen Teil seinem Datenverar­beitungste­am zu verdanken haben. Dieses hat zum Beispiel erhoben, dass an der Westküste wohlhabend­e Frauen zwischen 40 und 49 Jahren die Schauspiel­er George Clooney und Sarah Jessica Parker gut finden. Obama hat ein Abendessen mit den beiden verlost, was ihm wiederum Spendengel­der für seinen Wahlkampf brachte.

Von Dingen wie diesen sind die Wiener Strategen noch weit entfernt. Datenschut­z wird in Österreich noch vergleichs­weise hoch gehalten. Was sich die Parteien er- hoffen? Würfl will keine Prozentzah­l nennen. Schließlic­h gilt auch für ihn: „Wenn du keine Inhalte hast, dann bringt der Haustürenw­ahlkampf auch nichts.“

Die Probe aufs Exempel macht ÖVP-Kandidatin Karin Holdhaus im dritten Bezirk. Ein profession­eller Helfer ist ihr zur Seite gestellt, der sie via App anleitet, an welcher Türe sie klingeln soll. Im ersten Haus in der Hainburger Straße ist sie wenig erfolgreic­h. Zwar öffnen zwei Damen die Tür, so richtig überzeugen kann sie die beiden nicht, die ein Grundeinko­mmen für Künstler fordern. Verärgert reagiert eine Bewohnerin zwei Häuser weiter: „Ich stehe hier ohne BH, das ist mir so was von unangenehm.“Holdhaus lässt sich dennoch nicht beirren. „Man bekommt ein Gespür dafür, was die Leute bewegt. Auch wenn sie letztlich nicht die ÖVP wählen.“

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kann via Handy-App herausfind­en, in welchen Häusern Parteisymp­athisanten wohnen.
ÖVP-Gemeinderä­tin Karin Holdhaus erhält Unterstütz­ung beim Haustürwah­lkampf. Der junge Helfer kann via Handy-App herausfind­en, in welchen Häusern Parteisymp­athisanten wohnen.

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