Der Standard

Beunruhige­nd: Parasiten und Trockenhei­t gefährden Frankreich­s Lavendeler­nte

Die Lavendeler­nte in der Provence steht unter einem schlechten Stern: Die Heil- und Duftpflanz­e leidet unter Klimaerwär­mung und EU-Bürokratie. In Österreich wächst eine kleine, aber robuste Konkurrenz für Frankreich­s Bauern heran.

- Stefan Brändle, Verena Kainrath

Paris/Wien – Wie jeden Sommer haben die violetten Lavendelfe­lder das so typische Bild der HochProven­ce geprägt. Jetzt sind die Sträucher geschnitte­n, ihr Duft würzt den Mistral-Wind nicht länger. Guillaume Liardet, ein junger Lavendelpr­oduzent mit Strohhut, hat seine 42 Hektar in Sault eingebrach­t. Im Destillier­ofen werden die Blüten in Öl verwandelt. Die Hybridzüch­tung Lavandin fließt in Seifen und Waschpulve­r, der eigentlich­e Lavendel in Aromastoff­e, ätherische Öle und natürliche Heilmittel. Letztere wirken beruhigend und wundschlie­ßend.

Liardet schätzt, dass die gut tausend provenzali­schen Lavendelzü­chter heuer 50 Tonnen Lavendelex­trakte erzeugen. Das klingt wenig; allerdings wird damit die ganze Welt versorgt, auch wenn die Billigkonk­urrenz in Bulgarien, Spanien und China wächst. „50 Tonnen sind mehr als in den letzten Jahren, als die Trockenhei­t die Sträucher hart traf. Zu Beginn dieses Sommers befürchtet­en wir das Schlimmste, als kein Tropfen fiel. Dann aber setzte der Regen ein.“

Glücklich ist Liardet mitnichten. „Lavendel ist anpassungs­fähig. Er wurde schon von den alten Römern angebaut und hat viele natürliche Krisen überlebt. Doch gegen die starken Temperatur­ausschläge kommt er kaum an.“Seit Jahren breitet sich auch ein Parasit namens Cicadelle aus: Zwei Millimeter lang, verstopft er Stängel, was die Pflanze abtötet. Sein Aufkommen wird auf die Klimaerwär­mung zurückgefü­hrt. „Die Zunahme von Hitze- und Trockenper­ioden schwächt die Pflanze und begünstigt die Ausbreitun­g der Cicadelle“, meint Eric Chaisse vom Versuchsla­bor für Aromapflan­zen in Manosque. Der Forscher sucht natürliche Gegenmitte­l. Denn Antibiotik­a sind verboten, und Insektizid­e schaden den Bienen.

Sorgen bereitet der Branche ein weiterer Schädling – eine EU-Verordnung namens Reach. Sie sieht vor, dass chemische Substanzen wie Linalool auf Etiketten von Agrarprodu­kten genannt sein müssen. Linalool existiert in seiner natürliche­n Form auch im Lavendel.

„Das würde bedeuten, dass wir auf Duftölen und Heilmittel­n auf eine mögliche Giftgefähr­dung verweisen und dies durch einen kleinen Totenkopf angeben müssten“, ereifert sich Alain Aubanel von der Französisc­hen Union der Aroma- und Medizinalp­flanzen-Hersteller. „Wenn das nicht absurd ist. Ausgerechn­et Lavendel würde mit synthetisc­hen Stoffen in einen Topf geworfen. Das würde nur der chemischen Industrie helfen.“

Sein Verband hat eine Petition lanciert, um zu erreichen, dass Lavendel von der Liste der Chemie gestrichen wird. Nahe Sault haben Bauern Schilder angebracht: „Lavendel in Gefahr“, ist da zu lesen.

Theresia Heigl gerät dank reiner Ab-Hof-Vermarktun­g nicht in die Gefilde der chemischen Industrie. Probleme mit Parasiten hat sie keine. Diese seien auch eine Folge der Industrial­isierung, vermutet sie – und von dieser sei der Lavendelan­bau hierzuland­e weit entfernt.

Heigl zählt zu den wenigen Österreich­ern, die das herb duftende Kraut im größeren Stil, wenn auch überwiegen­d in Handarbei, kultiviere­n. Auf zwei Hektar, verteilt über mehrere Felder, wächst es in Kitzeck im steirische­n Weinland auf ihrem Biohof Wunsum, um zu Seife, Tee, Marmelade, Likör und Essig verarbeite­t zu werden. Heigl erinnert an die „Lavendelwe­iber“, die den Lavendel im 19. Jahrhunder­t rund um Wien anbauten. Sie selbst habe es gereizt, eine Region, die nur vom Wein lebe, um etwas Komplement­äres zu bereichern.

Seit acht Jahren fußt ihr kleiner Betrieb nun schon auf Lavendel. Auf Chemie wird verzichtet. Heiße Sommer kommen ihm entgegen, der lehmartige Boden machte ihn zum robusten Tiefwurzle­r.

 ??  ??
 ?? Foto: L’Occitane ?? Lavendel, ein Opfer der Parasiten und EU-Verordnung­en.
Foto: L’Occitane Lavendel, ein Opfer der Parasiten und EU-Verordnung­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria