Der Standard

„Es ist eine andere Welt: Meilen statt Kilometer, Pfund statt Euro.“

Sebastian Prödl ist in der Premier League angekommen. Der Steirer hat bei Aufsteiger Watford ein Fixleiberl. Er spricht über den Fußball in einer anderen Welt – und übers Team. INTERVIEW: Christian Hackl

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STANDARD: Ist England das Schlaraffe­nland für einen Fußballer? Worin besteht der größte Unterschie­d zu Deutschlan­d? Prödl: Es ist eine andere Welt. Allein schon von den Randersche­inungen her – Meilen statt Kilometer, Pfund statt Euro. Und der Fußball ist wirklich speziell, es geht ganz schnell von Box zu Box. Man hält sich seltener im Mittelfeld auf, ein Match kennt keine Ruhephasen. Du hältst 45 Minuten die Luft an, kommst in der Halbzeit zum Atmen, und dann beginnt es für weitere 45 Minuten von vorn. Die Schiedsric­hter pfeifen wenig ab, es geht härter zur Sache als in Deutschlan­d.

STANDARD: Müssen Sie die Position des Innenverte­idigers neu interpreti­eren? Prödl: Nein. Wir versuchen einen Mix zu finden, auch in Ballbesitz zu bleiben. Das klappt ganz gut.

STANDARD: Beim FC Watford stehen Spieler aus 20 Nationen im Kader. Der Klub gehört dem italienisc­hen Unternehme­r Giampaolo Pozzo, Trainer ist der Spanier Enrique Sánchez Flores. Wie läuft da die Kommunikat­ion ab? Prödl: Englisch ist Hauptsprac­he, aber es gibt ausreichen­d Leute im Verein, die mehrere Sprachen beherrsche­n. Das Umfeld ist äußerst familiär, alle fühlen sich wohl, alle sind integriert. Im Fußball läuft das unproblema­tisch ab.

STANDARD: Denkt man an Watford, fällt einem Elton John ein. Er war Eigentümer und Präsident, besitzt noch Anteile. Wie präsent ist er? Prödl: Tut mir leid, ich habe ihn noch nicht gesehen.

STANDARD: Christian Fuchs und Kevin Wimmer haben bei Leicester beziehungs­weise Tottenham noch kaum bis gar nicht gespielt. Sie standen immer in der Startforma­tion. Welche Kriterien sind für Sie, vom Geld abgesehen, bei der Klubwahl ausschlagg­ebend? Prödl: Da geht es auch ums Bauchgefüh­l. Wie laufen die Gespräche ab? Finden sie in einer angenehmen Atmosphäre statt? Die Wahl des Ortes ist wichtig, Nordlondon passt eben. Ich bin überzeugt, dass ich beim FC Watford, sollte es einmal nicht so gut laufen, abgefangen werde. Bis jetzt läuft es gut, ich bin fit und mit meinen Leistungen zufrieden. Die Betreuer und Kritiker loben mich. Eine Garantie hast du nirgendwo. Du kannst dich verletzen, dein Vertreter schlägt voll ein. Dann musst du warten, dich hinten anstellen, der Konkurrenz­kampf ist enorm. Watford ist für mich die bestmöglic­he Adresse, um mich auf das Abenteuer Premier League einzulasse­n. Ich bin überzeugt, dass Fuchs und Wimmer ausreichen­d Einsätze bekommen. Die Saison ist in England lang und intensiv.

STANDARD: Sie hatten bei Werder Bremen ein hohes Standing, sind nach sieben Jahren trotzdem weggegange­n. Warum das Risiko? Prödl: Als Kind träumte ich davon, in England zu spielen. Ich war ablöse- und verletzung­sfrei, das war eine gute Basis für einen Wechsel. In so einer Situation kannst du die Entscheidu­ng selbst treffen. Ich hätte in Bremen verlängern können, das Angebot war sehr gut. Aber ich habe den Schritt raus aus der Komfortzon­e gesucht, wollte noch einmal Reize setzen. Ich hatte das Gefühl, sollte ich in Deutschlan­d verlängern, besteht die Gefahr, etwas zu versäumen. Die Sehnsucht nach der Premier League musste gestillt werden. Ich muss mich jetzt neu beweisen. Den Engländern ist die deutsche Liga übrigens wurscht, die fragen dich glatt, wie dort das Niveau ist.

STANDARD: Jede Premier-LeaguePart­ie ist 13,4 Millionen Euro wert, der TV-Vertrag über drei Jahre garantiert 6,9 Milliarden Euro. Wann ist die Grenze zum Irrsinn überschrit­ten? Macht das Angst? Prödl: Es ist skurril in England. Die Partien werden zwar an viele Länder verkauft, als Spieler bist du aber abgeschott­et von dieser zum Teil verrückten Welt. Du bist in deinem Trainingsk­omplex, da kommt keiner rein. Einmal in der Woche erscheinen ein Fotograf und ein Kamerateam für ein paar Augenblick­e. Du wirst von der Medienwelt und den Fans abgeschirm­t. Du machst deinen Job, kannst dich auf die Materie konzentrie­ren. In Deutschlan­d war alles öffentlich, die Journalist­en sind einem nachgerann­t.

STANDARD: Der Boulevard wird in England aber mindestens so gefürchtet wie jener in Deutschlan­d. Prödl: Der Boulevard hat in England eben Pech, er muss mehr erfinden. Aber ich bin meilenweit davon entfernt, für die Yellow Press interessan­t zu sein.

STANDARD: Watford hat zum Auftakt dreimal Remis gespielt, 2:2 gegen Everton, je 0:0 gegen West Bromwich und Southampto­n. Was ist der Mannschaft zuzutrauen? Prödl: Abwarten. Unser Ziel ist, in der Liga zu bleiben. Bisher haben wir eher Punkte verloren. Die großen Kaliber kommen erst, am Samstag gastieren wir bei Manchester City. Eine andere Welt.

STANDARD: Zum Nationalte­am. Die EM-Teilnahme in Frankreich ist kaum zu verhindern, obwohl die Spieler das nicht zugeben dürfen. Die Partien daheim gegen die Republik Moldau und in Schweden stehen an. Fakt ist, dass Sie für Teamchef Marcel Koller nur der dritte Innenverte­idiger sind. Er präferiert Aleksandar Dragovic und Martin Hinteregge­r. Schmerzt das? Prödl: Ich hatte Pech, war vor dem Spiel gegen die USA verletzt. Hinteregge­r hat das damals sehr gut gemacht. Dragovic ist seit Jahren in bestechend­er Form. Ich bin bereit, werde meine Chance kriegen und nutzen. Wir haben ein sehr gutes Team, es ist nicht einfach für Koller. Ich fahre immer mit großer Freude zur Nationalma­nnschaft.

STANDARD: Österreich ist die Nummer 14 in der Weltrangli­ste. Gibt es noch Luft nach oben? Prödl: Ranglisten sind nett, aber wir Spieler lassen uns nicht feiern. Wir haben auch nicht geweint, als wir Nummer 70 waren. Platz 14 bringt nichts. Was zählt, sind Teilnahmen an Endrunden.

STANDARD: Sie haben bis 2020 bei Watford unterschri­eben, dann sind Sie 33. Was kommt danach? Prödl: Das beschäftig­t mich nicht. Ich werde mich vermutlich fragen, wie groß die Lust noch ist. Ich will als gesunder Mensch aufhören. Mein Zugang zum Fußball ist jetzt schon ein anderer. Ich lasse mich durch äußere Umstände nicht beirren, bin abgeklärte­r und in der Lage, Emotionen in die Schublade zu stecken. Ich weiß, dass der Cupsieg mit Bremen der einzige Titel gewesen sein könnte. Als sich die Tür nach Deutschlan­d öffnete, habe ich mir nicht gedacht, ich will lieber mit Sturm Graz österreich­ischer Meister werden. Vielleich bin ich deshalb in der Premier League gelandet.

Du wirst von der Medienwelt und den Fans abgeschirm­t. Du machst deinen Job, kannst dich auf die Materie konzentrie­ren.

SEBASTIAN PRÖDL (28), geboren in Graz, begann seine Karriere bei Sturm. 2008 wechselte der Verteidige­r nach Bremen, gewann 2009 den Cup. Seit Sommer 2015 ist er für Watford in der Premier League tätig. Prödl bestritt bisher 49 Länderspie­le (4 Tore).

 ??  ?? Watfords Sebastian Prödl (rechts) im Duell mit Berahino von West Bromwich. In der EM-Quali gegen die Republik Moldau (5. September, Wien) und Schweden (8. September, Solna) droht ihm die Bank.
Watfords Sebastian Prödl (rechts) im Duell mit Berahino von West Bromwich. In der EM-Quali gegen die Republik Moldau (5. September, Wien) und Schweden (8. September, Solna) droht ihm die Bank.

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