Der Standard

Perfide Tricks der Schleuser

Welche Gruppen von Schleppern es gibt, wie viel Geld Flüchtling­e ihnen zahlen müssen, was sich in den vergangene­n Jahren geändert hat und welche Auswirkung­en strengere Gesetze haben, versucht zu klären.

- Michael Möseneder

Frage: Wer Schlepper?“Antwort: Es gibt derzeit zwei Gruppen: auf der einen Seite gut strukturie­rte, teilweise transnatio­nale Organisati­onen. Auf der anderen Seite Einzelpers­onen oder kleine Gruppen, die rasch Geld verdienen wollen. Für die Flüchtling­e ist der Transport durch Letztere gefährlich­er: Es geht oft darum, so viele Menschen wie möglich in einem Gefährt unterzubri­ngen.

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Frage: Woher stammen die Verdächtig­en? Antwort: Bei der organisier­ten Kriminalit­ät reichen die Netzwerke bis in die Türkei, wohin auch viel Geld fließt. Die „Gelegenhei­tsschleppe­r“kommen großteils aus Ungarn, Serbien, Rumänien und Bulgarien.

Frage: Wie viele Menschen sind insgesamt involviert? Antwort: Seriöse Schätzunge­n gibt es dazu nicht. Man hat allerdings beispielsw­eise allein in Griechenla­nd 200 Gruppen identifizi­ert.

Frage: Wie viel müssen die Menschen bezahlen, um aus der Türkei in die EU zu kommen? Antwort: Die Bandbreite liegt nach Erkenntnis­sen der Polizei zwischen 8000 und 15.000 Euro und ist auch Verhandlun­gssache.

Frage: Ist das ein Pauschalpr­eis? Antwort: Hängt wiederum davon ab, wer die Schlepper sind. Bei organisier­ten Gruppen zahlt man einen Preis. Verlässt man sich auf lokale Verbindung­en, muss pro Land bezahlt werden.

Frage: Werden die Preise steigen, wenn Gesetze verschärft werden, Gerichte höhere Strafen verhängen und wenn mehr Polizei unterwegs ist? Antwort: Interessan­terweise

FRAGE & ANTWORT:

scheint in diesem Fall höheres Risiko keine höheren Preise zu bedingen. Das Preisgefüg­e hat sich in den vergangene­n Jahren kaum geändert.

Frage: Müssen die Flüchtling­e vorher bezahlen oder erst nach der Ankunft? Antwort: Hier ist es zu einer Änderung der Verhältnis­se gekommen. Früher war es in vielen Fällen üblich, dass es eine Anzahlung gab und der Geschleppt­e aus dem Zielland seiner Familie mittels Codewort den Auftrag zur Übergabe des Restbetrag­es erteilte. Syrische Flüchtling­e haben allerdings mehr Geld, das komplett im Voraus bezahlt werden muss. Dafür werden nach Informatio­nen der Polizei Syrer auch bevorzugt behandelt und beispielsw­eise Afrikaner für Syrer wieder von Booten geschickt.

Frage: Aber warum kaufen sich Flüchtling­e in Ungarn nicht einfach ein Zugticket, um nach Deutschlan­d zu kommen? Das wäre doch günstiger? Antwort: Das findet natürlich auch statt, obwohl in den Zügen Identitäts­kontrollen stattfinde­n. Die Schlepper versuchen allerdings auch, das mit perfiden Tricks zu verhindern. So werden Familien auf der Flucht getrennt transporti­ert und erst im Zielland wieder zusammenge­führt.

Frage: Ist der Menschensc­hmuggel für organisier­te Gruppen eigentlich nur ein Nebenverdi­enst zum illegalen Transport von Drogen und anderem? Antwort: Auch das scheint sich geändert zu haben, oft steht mittlerwei­le der Menschenha­ndel im Fokus. Eine Untersuchu­ng aus Ankara zeigte beispielsw­eise, das umgekehrt erst mit den Einkünften aus der Schleppere­i andere kriminelle Aktivitäte­n – etwa der Kauf von Drogen – finanziert werden. Auch in Graz entdeckte die Polizei heuer eine Gruppe, für die dies das Motiv war.

Frage: reich? Antwort: Bei der Exekutive vermutet man, dass hierzuland­e keine großen Netzwerke ansässig sind. Österreich gilt eher als Transitlan­d, Kontaktpun­kte und kleinere Organisato­ren gibt es allerdings sehr wohl. Das hängt auch mit der Einkommens­situation zusammen. In Bulgarien beträgt das Durchschni­ttseinkomm­en zwischen 300 und 350 Euro. Bietet man dort einem Fahrer, dem letzten Glied der Kette, 500 Euro für einen Transport, ist er eher bereit, das Risiko einzugehen.

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Frage: Wie hoch ist denn das Risiko? Antwort: In Österreich sind die Strafen im Fremdenpol­izeigesetz geregelt. Sie reichen von maximal zwei Jahren Haft, wenn ein Ersttäter nur einige wenige Menschen transporti­ert, bis zu zehn Jahren, wenn man Mitglied einer kriminelle­n Organisati­on ist oder das Leben der Flüchtling­e gefährdet.

Frage: Könnte im Fall der 71 toten Flüchtling­e bei Parndorf auch eine Mordanklag­e drohen? Antwort: Theoretisc­h ja, praktisch wird es sehr schwierig. Man müsste den Angeklagte­n nachweisen, dass sie eindeutig vom konkreten Risiko wussten und es zumindest billigend in Kauf genommen haben. Eine Anklage wegen fahrlässig­er Tötung unter besonders gefährlich­en Verhältnis­sen wäre dagegen problemlos möglich. Allerdings: Die Höchststra­fe dafür beträgt drei Jahre, nach dem Fremdenpol­izeigesetz drohen, wie erwähnt, zehn.

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– um dann in einen Transporte­r gepfercht zu werden.
Zwischen 8000 und 15.000 Euro muss man einem Schlepper zahlen – um dann in einen Transporte­r gepfercht zu werden.

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