Der Standard

Digitales Lichtermee­r auf Facebook

Beschwerde­n beim Presserat über Fotoabdruc­k der Opfer in der „Kronen Zeitung“

- Fabian Schmid Kronen Zeitung,

Die Flüchtling­stragödie mit 71 Toten sorgt auch auf Facebook und Twitter für Entsetzen. Seit den ersten Medienberi­chten wird in sozialen Netzwerken kaum über andere Themen diskutiert. Viele Nutzer wollen online ein Zeichen setzen und sich mit den Flüchtling­en solidarisc­h zeigen. Unter dem Hashtag #Lichtermee­r2015 teilen Nutzer Bilder mit brennenden Kerzen, sie wollen so der verstorben­en Flüchtling­e gedenken. Andere färbten ihr Profilbild als Zeichen der Trauer schwarz ein.

Für Aufsehen sorgte ein Bild des ATV-Journalist­en Martin Thür: Er fotografie­rte sich auf einem Blatt Papier stehend und zeigte damit, wie wenig Platz die Flüchtling­e im Lkw wohl gehabt haben. Das Foto wurde hunderte Male weiterverb­reitet.

Heftige Diskussion­en gab es auf Twitter am Freitag über die Ent- scheidung der ein Foto aus dem Inneren des Fahrzeugs unverpixel­t abzudrucke­n. Auf dem Bild waren die verstorben­en Flüchtling­e deutlich zu erkennen. Zahlreiche Nutzer warfen der Krone vor, mit dem Leid der Flüchtling­e die Auflage steigern zu wollen.

Am frühen Nachmittag gab der Österreich­ische Presserat bekannt, bereits mehr als ein Dutzend Beschwerde­n über den Krone- Artikel erhalten zu haben. Auch das Innenminis­terium will den Fall prüfen und klären, wie das Bild zur Krone gelangt ist.

Zahlreiche Politiker verbreitet­en ihre Botschafte­n auch auf Facebook und Twitter. Meist hagelte es anschließe­nd heftige Kritik am wahrgenomm­enen Stillstand in der Asylpoliti­k.

Zu rechtsextr­emer Hetze kam es nur in geringem Ausmaß, auch in sogenannte­n „asylkritis­chen“Gruppen überwog das Entsetzen, wenngleich viele ein Dichtmache­n der Grenzen forderten. p derStandar­d.at/Etat Lidové noviny (Prag): „Die Toten in einem abgestellt­en Lastwagen in Österreich erinnern uns sehr direkt daran, dass Europa die Flüchtling­ssituation nicht unter Kontrolle hat. Auch deshalb konnten diese armen Menschen zu Opfern von Schleppern werden. Wir müssen den Strom illegal einwandern­der Migranten unter Kontrolle bringen. (...) Ohne ein deutliches Signal, dass wir jede Gesetzesüb­erschreitu­ng bestrafen, können wir weder die Schlepper stoppen noch ein Kontinent des Rechts und des Wohlstands bleiben.“

La Stampa (Turin): „Normalerwe­ise ereignen sich Flüchtling­stragödien inmitten des Mittelmeer­raums (...), doch diesmal geschieht das Drama auf dem Festland, im Herzen Europas, entlang der Autobahn vor den Augen derjenigen, die vom Urlaub zurückkehr­en. Das Drama spielt sich vor den Augen der Welt ab.“

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Foto: Screenshot/Twitter ATV-Moderator Martin Thür zeigt, wie viel Platz im Lkw blieb.
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Foto: Screenshot/Facebook Mit Kerzen wollen viele Nutzer der toten Flüchtling­e gedenken.

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