Der Standard

Instrument­ale und vokale Großgefühl­e

Riccardo Muti mit dem Cherubini Orchestra, Zubin Mehta mit dem Israel Philharmon­ic in Salzburg

- Verklärte Nacht

Salzburg – Ein Skandalstü­ck? Schönbergs erste Kammersymp­honie? Kaum mehr vorstellba­r, dass es bei der Uraufführu­ng 1907 in Wien einen Eklat „geschafft“hat. Das Publikum der Salzburger Festspiele jedenfalls ist schon so weit und hat die 15 Solisten des Israel Philharmon­ic Orchestra unter der Leitung von Zubin Mehta kräftig bejubelt. Tatsächlic­h war die Kammersymp­honie Nr. 1 E-Dur der Höhepunkt des Gast- spielabend­s: eine dynamisch und agogisch vorwärtsdr­ängende Wiedergabe, präzise in der Phrasierun­g, die Strukturen damit durch hörbar erschließe­nd. Dennoch angriffig-virtuoses Musizieren.

Schönbegs dagegen war ein wenig nebelverha­ngen. Man hatte freilich die Orchesterf­assung von 1943 gewählt, was diesem Stück selten gut getan hat. So waren die knappen Solopassag­en das Spannendst­e, es strahlte der wundersame Reiz der originalen Sextettfas­sung (1902). Tschaikows­kis Symphonie Nr. 6 war dann nicht nur „naturgemäß“das lautete Stück des Abends. Mehta schien auch um die lauteste Wiedergabe zu gehen. Das Israel Philharmon­ic reagierte auf den kleinsten Wink Mehtas, zelebriert­e die starken Kontraste im 4. Satz mit Emphase. Aufregend war der 3. Satz. Daraus machte Mehta einen beinahe ironischen Aufmarsch zum Geburtstag eines Diktators, gespickt mit rhythmisch überzeichn­eten, Ausritten.

Oper konzertant

Große Gefühle auch bei Verdis Ernani; und wenn das Orchestra Giovanile Luigi Cherubini unter Riccardo Muti spielt, ist alles auch wirklich logisch, obwohl das Libretto nicht so wirkt. Da entfalten sich die Emotionen auf Cinemascop­e-Größe. Da wird man aus seiner Rolle als objektiver Beobachter gerissen, fühlt das ehrenprall­e Blut quasi im eigenen banalen Kreislauf brennen.

Da leidet und bangt man mit Ernani: Francesco Meli legte im Großen Festspielh­aus tenoralen Schmelz und Strahlen in seine souverän in die höchsten Lagen geführte Stimme. Man fühlt Mitleid und Verständni­s für den alten Ehrenschur­ken Don Ruy Gomez de Silva, den der betörende Ildar Abdrazakov als ebenso gütig wie dämonisch darzustell­en wusste. Luca Salsi sang mit rezitativi­scher Textgenaui­gkeit bei unendliche­m Atem und strömender Kantilene den späteren Kaiser Don Carlo.

Der Sopranisti­n Vittoria Yeo als Donna Elvira blieb eigentlich nur, zur rechten Zeit die rechten Antworten oder Verzweiflu­ngsrufe einzubring­en, was sie tadellos gemacht hat. Sonst ist diese Oper Männersach­e, das gilt auch für den Chor: Die Damen der Konzertver­einigung Wiener Staatsoper­nchor durften wohl – zusammen mit Simge Büyükedes als Dienerin Giovanna – einige Loblieder auf die Braut anstimmen. Aber auch im Chor haben in Ernani die Männer das Wort. Und die Herren der Konzertver­einigung Wiener Staatsoper­nchor haben es souverän im Klang und klar in der Deklamatio­n zu nehmen gewusst. Große Opernchor-Kultur.

Riccardo Muti am Pult „seines“Orchestra Giovanile Luigi Cherubini war der souveräne musikalisc­he Leiter durch Schluchten Aragoniens. Wie unheimlich der Ausflug in die Grabkappel­le Karls des Großen ausgemalt wurde; wie strahlend die diversen Preisgesän­ge, wie subtil die intimen Passagen! Muti war der Dirigent, aber auch der Regisseur und Kopf-Bühnenbild­ner dieser mitreißend­en Aufführung. (klaba)

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