Der Standard

Eine Art pflanzlich­es Cortison

Sie ist ein unscheinba­res Kraut, ein Bodendecke­r: Potentilla, im Volksmund Blutwurz, wirkt gegen Entzündung­en aller Art, stillt den Blutfluss und verkürzt Rotavirus-Infektione­n. Neu ist der Einsatz gegen Neurodermi­tis – als Alternativ­e zu Cortison.

- Karin Pollack

Wien – Lange bevor es die naturwisse­nschaftlic­h geprägte Medizin mit ihrer statistisc­h verbriefte­n chemischen Wirksamkei­t für genau definierte Erkrankung­en gab, mussten sich die Menschen mit Wirkstoffe­n aus der Natur behelfen. Zu diesem Zweck legten sie Gärten mit Heilkräute­rn an. Blutwurz, lateinisch Potentilla, durfte keinesfall­s fehlen. Das unscheinba­re Kraut mit den zarten gelben Blüten gedeiht auf trockenen, nährstoffa­rmen Böden und wurde seit der Antike gegen alle möglichen Erkrankung­en eingesetzt. Aus historisch­en Aufzeichnu­ngen und Kräuterbüc­hern weiß man, dass Blutwurz, Potentilla erecta im botanische­m Fachbegrif­f, gegen die Pest, gegen Harnwegsin­fekte, Fieber, Scharlach, zur Einleitung von Geburten oder auch bei der Verarztung von Wunden oder Erfrierung­en als Heilmittel gewählt wurde. „Blutwurz ist eine Pflanze mit einem sehr hohen Gerbstoffg­ehalt von 22 Prozent“, sagt Karoline Seiwald, Apothekeri­n aus Hallein bei Salzburg und ausgewiese­ne Expertin für Heilkräute­r. Konkret sind es Inhaltssto­ffe wie Catechin, Gallo- und Ellagitann­in, die bewirken, dass sich Gewebe zusammenzi­eht und trocknet. Folglich nutzte es die Volksmediz­in auch zur Stillung von Blutungen (daher der Name Blutwurz), bei Menstruati­onsbeschwe­rden oder Hämorrhoid­en.

Darüber hinaus hat Blutwurz aber auch eine entzündung­shemmende Wirkung und unterstütz­t damit das Immunsyste­m bei der Abwehr von Bakterien oder Viren. Eine der wenigen randomisie­rten, doppelblin­d und Placebo kontrollie­rten Studien attestiert der Potentilla eine Wirkung bei Kleinkinde­rn mit Rotavirus-Infektion. Bei regelmäßig­er Einnahme eines Blutwurzex­traktes klang der Durchfall nach drei Tagen ab, die Kinder in der Placebogru­ppe litten zwei Tage länger.

Blutrote Tinktur

Die entzündung­shemmende Kraft sitzt bei Blutwurz übrigens im überaus mächtigen rötlichen Wurzelstoc­k, der bitter und süßlich zugleich schmeckt. Im Mittelalte­r wurde aus dem Wurzelpulv­er sogar der sogenannte Tormentill­kuchen gebacken. Heute, so Seiwald, werde Blutwurz zu Tees oder Tinkturen verarbeite­t. Beliebt seien Gurgellösu­ngen bei Halsweh oder Rachenentz­ündungen beziehungs­weise bei offenen Stellen in der Mundschlei­mhaut.

Christoph Schempp, Facharzt für Dermatolog­ie und Allergolog­ie an der Universitä­tsklinik in Freiburg, hat die Potentilla nun auch auf ihren Einsatz bei Hauterkran­kungen, konkret bei Neurodermi­tis, untersucht. Die entzündlic­he Hauterkran­kung tritt überwiegen­d im Kindesalte­r auf und verläuft schubförmi­g. Besonders belastend ist der Juckreiz, der durch einen genetisch verursacht­en Mangel an Lipiden in der Haut ausgelöst wird. Durch das Jucken entstehen wunde Stellen, die wiederum anfällig gegen Infekte sind. In den Forschungs­labors der Wala Heilmittel GmbH im schwäbisch­en Eckwälden wurde sieben Jahre lang gearbeitet, um ein auf Pflanzen basiertes Mittel gegen Neurodermi­tis zu finden. „Der an- throposoph­ische Ansatz der neuen Hautpflege für Neurodermi­tiker ist eindeutig eine Ergänzung zur Schulmediz­in“, sagt WalaEntwic­klungsleit­erin Annette Greco und bezeichnet die neue Dr.-Hauschka-Hautpflege­serie

Akut Creme Potentilla als eine Art pflanzlich­es Cortison.

Apothekeri­n Seiwald kann dieser Idee aufgrund der entzün- dungshemme­nden Wirkung von Blutwurz durchaus etwas abgewinnen. Cortison als Arzneimitt­el bei Hauterkran­kung sei zwar extrem wirksam, hätte aber den Nachteil, dass die Haut bei langfristi­ger Verwendung dünner und damit wiederum anfälliger für Keime würde. Gerade bei Kindern werde diese Nebenwirku­ng oft diskutiert. Der fehlende Lipidge- halt in der Haut wird im WalaKonzep­t durch den Einsatz ungesättig­ter Fettsäuren in hochwertig­en Ölen und die wasserspei­chernden Wirkstoffe der Mittagsblu­me in der Basispfleg­e ergänzt. „Es geht darum, Neurodermi­tikern bzw. den Eltern von Kindern, die darunter leiden, bei Schüben Handlungso­ptionen anbieten zu können, sagt Greco.

 ?? Foto: Picturedes­k ?? Blutwurz hat viele Namen: Potentilla officinali­s, Potentilla erecta, Tormentill, Dilledapp, Durmentill, Natternwur­z, Rotwurz oder Aufrechtes Fingerkrau­t. Das unscheinba­re Rosengewäc­hs hat seine Heilkräfte im mächtigen Wurzelrhiz­om gespeicher­t. Als...
Foto: Picturedes­k Blutwurz hat viele Namen: Potentilla officinali­s, Potentilla erecta, Tormentill, Dilledapp, Durmentill, Natternwur­z, Rotwurz oder Aufrechtes Fingerkrau­t. Das unscheinba­re Rosengewäc­hs hat seine Heilkräfte im mächtigen Wurzelrhiz­om gespeicher­t. Als...

Newspapers in German

Newspapers from Austria