Ein gnadenloser Heiliger
Die Berufung Christian Konrads zum Wunderheiler der Republik dürfte etwas mit einigen seiner Charakterzüge zu tun haben, die viel von dem repräsentieren, was jenen, die ihn berufen haben, fehlt. So schrieb „Die Presse“, an Selbstund Machtbewusstsein hat es Christian Konrad nie gemangelt. Als Generalanwalt des RaiffeisenImperiums wurde er verehrt, gehasst und gefürchtet. Es ist eine schöne Vorstellung, er könnte in der ihm zugewachsenen Funktion diese Empfindungen auch in Landeshauptleuten und Bürgermeistern wecken, und müsste er dafür auch den anderen, den harten, den gnadenlosen Christian Konrad hervorkehren. Damals, von 1994 bis 2012, war er freilich eine der geheimnisvollsten und einflussreichsten Personen der Republik, heute hingegen ist er der Agent einer hilflos anmutenden Regierung, die dort von seiner Gnadenlosigkeit zu profitieren hofft, wo sie landesfürstlichen Gnaden ausgeliefert ist.
Ein schönes Denkmal dankbarer Verehrung hat ihm eine Kollegin in „Heute“gesetzt, wo sie seinen Drang zum schnellen, un- bürokratischen Helfen beschrieb. Das ging so: Es war an einem bitterkalten Herbsttag, als ich vor rund 15 Jahren Konrad zum ersten Mal beruflich begegnete. Ich, eine Jungjournalistin, er, der Manager, der alle kannte und den alle kannten – und damals noch als eine der geheimnisvollsten und einflussreichsten Personen der Republik. Wir trafen einander im zugigen Schlosspark Schönbrunn. Konrad stiftete dort eine Parkbank, was für den „Kurier“, für den ich damals schrieb, eine große Story war.
Irgendwie zwangsläufig. Zur Begrüßung reichten wir uns die Hände. Die meinen waren eisig kalt, doch zurück in der Redaktion wurde ihr warm ums Herz. Dort erreichte mich ein Anruf von Konrads Büro: Ich sollte mir sofort Handschuhe kaufen, warme, auf seine Rechnung. Solch unkomplizierte und rasche Lösungen hat die Politik in der Asylkrise dringend nötig.
Ob die damalige Jungjournalistin beim „Kurier“dem Befehl ihres obersten Bosses gefolgt ist, ihm die Rechnung geschickt und er sie auch beglichen hat, ging aus „Heute“nicht hervor. Wenn Flüchtlinge in Traiskirchen aber demnächst die Aufforderung erreicht, sich sofort Handschuhe, warme, auf seine Rechnung zu kaufen, sollten sie nicht zögern, bis er den harten, den gnadenlosen Christian Konrad hervorkehren muss, sondern einfach zur Kenntnis nehmen, dass solch unkomplizierte und rasche Lösungen die Politik in der Asylkrise dringend nötig hat.
Eine Wandlung hat die Hoffnung der Bundesregierung schon bewirkt, nämlich in „Österreich“. Das Blatt erreichte den neuen Regierungskoordinator am Telefon, um von ihm zu hören, „Interview gibt’s erst, wenn ich mir ein Bild gemacht habe. Gegackert wird erst, wenn die Eier gelegt sind – gackern tun eh die anderen genug.“Bisher war „Österreich“berühmt dafür, für sein Gegacker keines gelegten Eis, für ein Interview keines Interviews zu bedürfen. Aber die Konrad zugeschriebene Gnadenlosigkeit scheint erste Wunder zu wirken.
Das zweite Wunder stellte sich am selben Tag in der „Kronen Zeitung“ein. Ausgerechnet der gusseisern heimatbewusste Michael Jeannée vermochte das Phänomen des Koordinators nur unter der Voraussetzung zu fassen, wär ich ein syrischer Kriegsflüchtling in Traiskirchen, womöglich katholisch, aber mit meinem Wissen und meiner Einschätzung, was Ihre Person betrifft. Sollte ein syrischer Kriegsflücht-
ling in Traiskirchen, egal welcher Konfession, sich je zum Wissen und der Einschätzung Jeannées verirren, wäre das ein echtes humanitäres Problem, zumal dessen Syrertum in Sachen Konrad in Einschätzungen gipfelt, für die man sich Handschuhe, warme, anziehen muss. Wenn einer seine mit Arroganz gepanzerte Autorität konsequent und rücksichtslos für die Erreichung des angepeilten Ziels einzusetzen vermag, dann Sie. Oder: Wenn einer was vom „Drüberfahren“über die Leut versteht, dann Sie.
Ein Flüchtlingskoordinator ohne Gnade möge Konrad sein, wünscht sich Jeannée. Der Dorfbürgermeister, der es wagt, dem „Flüchtlingskoordinator“Konrad in die Quere zu kommen, wenn dieser mit seinen Flüchtlingen „einmarschiert“, muss erst geboren werden. Und bloß keine Hemmungen beim „Abschießen“von Konrad-Gegnern. Seien Sie einfach Sie selbst, wie in Ihren besten Raiffeisen-Jahren – dann sollte die Sache klappen.
Wenn Jeannée sich einmal als syrischer Kriegsflüchtling denken kann, hat Konrad schon vor Amtsantritt viel erreicht.