Beim Geld einigt man sich rascher
Die EU- Staaten sollten sich auf eine gemeinsame Flüchtlingspolitik verständigen
Die 71 toten Menschen im Kühlraum des Lkws auf der Ostautobahn haben für viele die Flüchtlingskatastrophe näherrücken lassen: Jeder kann sich vorstellen, wie qualvoll die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder erstickt sein müssen. Diese Tragödie innerhalb unserer Landesgrenzen löst mehr Betroffenheit aus als die zeitgleiche Nachricht, im Mittelmeer sind 200 Flüchtlinge ertrunken – wieder einmal.
Kein Land kann die Flüchtlingsprobleme allein bewältigen, es gibt keine wirksamen nationalen Lösungen. Notwendig ist ein umfassender Plan, der gemeinsam von den 28 Mitgliedsstaaten unter Einbeziehung betroffener Länder etwa auf dem Balkan erarbeitet werden muss. Es ist realitätsfern zu glauben, dass man im Europa des 21. Jahrhunderts die Grenzen einfach dichtmachen kann. Schleuser finden immer Wege, um Barrieren zu überwinden. Verzweifelte Menschen werden zahlen, diese zu überwinden. Außerdem ist die Reisefreiheit eine der größten Errungenschaften der EU. isher sind die Länder im Süden Europas mit dem Ansturm weitgehend allein gelassen worden. Immerhin wurde die Präsenz von Helfern im Mittelmeer verdreifacht. So konnten in den vergangenen Monaten häufig Leben gerettet und Schleuser abgefangen werden.
Sinnvoller wäre es zu verhindern, dass Menschen die gefährliche Fahrt über das Mittelmeer oder auf dem Landweg überhaupt antreten. Dass nach der Flüchtlingstragödie in Österreich auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Forderung nach legalen Einreisemöglichkeiten erhebt, ist ein Fortschritt. Die EU-Staaten sollten sich rasch darauf verständigen, Aufnahmezentren in den Herkunfts- und Transitländern der Flüchtlinge einzurichten. In Botschaften – wie dies in österreichischen Vertretungsbehörden bis 2001 erlaubt war – sollten ebenfalls Asylanträge gestellt werden können. Auch an den EU-Außengrenzen sollte es solche Einrichtungen geben, um Fluchtwege zu reduzieren.
Die Auffangzentren müssten von der Uno oder EU – Kommission und Mitgliedsstaaten – gemeinsam betrieben werden. Die Länder im Süden Europas können die organisatorischen Aufgaben und die Versorgung ohne weitere Unterstützung nicht schaffen. Konkret hieße das, auch Österreich
Bmüsste Beamte zur Bewältigung der Asylkrise in Griechenland abstellen.
Umgekehrt muss es eine faire Verteilung von Flüchtlingen in der EU geben. Es kann nicht sein, dass sich osteuropäische Staaten weigern, Menschen aufzunehmen. Bundeskanzler Werner Faymann hat recht, dass Verweigerern EU-Förderungen gestrichen werden. Wer keinen Beitrag zur Bewältigung des Flüchtlingsansturms leistet, soll zumindest zahlen. Die Kommission hat schon im Mai den Mitgliedsstaaten ein Modell zur Verteilung von 40.000 Flüchtlingen vorgeschlagen, es wurde nicht umgesetzt.
Bereits seit neun Jahren liegt der Kommissionsvorschlag einer Liste sicherer Herkunftsstaaten auf dem Tisch. Dazu gehören die Westbalkanstaaten. Die EU-Mitglieder sollten sich auch auf einheitliche Vorgangsweisen bei der Bearbeitung von Asylanträgen einigen. Denn in Staaten wie der Slowakei liegt die Asylchance für Syrer bei null, im benachbarten Tschechien dagegen bei fast hundert Prozent.
Während der Griechenland-Krise wurden in rascher Abfolge EU-Gipfel einberufen. Jetzt geht es nicht um Geld, sondern um Menschenleben – rasches Handeln ist umso dringender.