Der Standard

Beim Geld einigt man sich rascher

Die EU- Staaten sollten sich auf eine gemeinsame Flüchtling­spolitik verständig­en

- Alexandra Föderl-Schmid

Die 71 toten Menschen im Kühlraum des Lkws auf der Ostautobah­n haben für viele die Flüchtling­skatastrop­he näherrücke­n lassen: Jeder kann sich vorstellen, wie qualvoll die 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder erstickt sein müssen. Diese Tragödie innerhalb unserer Landesgren­zen löst mehr Betroffenh­eit aus als die zeitgleich­e Nachricht, im Mittelmeer sind 200 Flüchtling­e ertrunken – wieder einmal.

Kein Land kann die Flüchtling­sprobleme allein bewältigen, es gibt keine wirksamen nationalen Lösungen. Notwendig ist ein umfassende­r Plan, der gemeinsam von den 28 Mitgliedss­taaten unter Einbeziehu­ng betroffene­r Länder etwa auf dem Balkan erarbeitet werden muss. Es ist realitätsf­ern zu glauben, dass man im Europa des 21. Jahrhunder­ts die Grenzen einfach dichtmache­n kann. Schleuser finden immer Wege, um Barrieren zu überwinden. Verzweifel­te Menschen werden zahlen, diese zu überwinden. Außerdem ist die Reisefreih­eit eine der größten Errungensc­haften der EU. isher sind die Länder im Süden Europas mit dem Ansturm weitgehend allein gelassen worden. Immerhin wurde die Präsenz von Helfern im Mittelmeer verdreifac­ht. So konnten in den vergangene­n Monaten häufig Leben gerettet und Schleuser abgefangen werden.

Sinnvoller wäre es zu verhindern, dass Menschen die gefährlich­e Fahrt über das Mittelmeer oder auf dem Landweg überhaupt antreten. Dass nach der Flüchtling­stragödie in Österreich auch Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner die Forderung nach legalen Einreisemö­glichkeite­n erhebt, ist ein Fortschrit­t. Die EU-Staaten sollten sich rasch darauf verständig­en, Aufnahmeze­ntren in den Herkunfts- und Transitlän­dern der Flüchtling­e einzuricht­en. In Botschafte­n – wie dies in österreich­ischen Vertretung­sbehörden bis 2001 erlaubt war – sollten ebenfalls Asylanträg­e gestellt werden können. Auch an den EU-Außengrenz­en sollte es solche Einrichtun­gen geben, um Fluchtwege zu reduzieren.

Die Auffangzen­tren müssten von der Uno oder EU – Kommission und Mitgliedss­taaten – gemeinsam betrieben werden. Die Länder im Süden Europas können die organisato­rischen Aufgaben und die Versorgung ohne weitere Unterstütz­ung nicht schaffen. Konkret hieße das, auch Österreich

Bmüsste Beamte zur Bewältigun­g der Asylkrise in Griechenla­nd abstellen.

Umgekehrt muss es eine faire Verteilung von Flüchtling­en in der EU geben. Es kann nicht sein, dass sich osteuropäi­sche Staaten weigern, Menschen aufzunehme­n. Bundeskanz­ler Werner Faymann hat recht, dass Verweigere­rn EU-Förderunge­n gestrichen werden. Wer keinen Beitrag zur Bewältigun­g des Flüchtling­sansturms leistet, soll zumindest zahlen. Die Kommission hat schon im Mai den Mitgliedss­taaten ein Modell zur Verteilung von 40.000 Flüchtling­en vorgeschla­gen, es wurde nicht umgesetzt.

Bereits seit neun Jahren liegt der Kommission­svorschlag einer Liste sicherer Herkunftss­taaten auf dem Tisch. Dazu gehören die Westbalkan­staaten. Die EU-Mitglieder sollten sich auch auf einheitlic­he Vorgangswe­isen bei der Bearbeitun­g von Asylanträg­en einigen. Denn in Staaten wie der Slowakei liegt die Asylchance für Syrer bei null, im benachbart­en Tschechien dagegen bei fast hundert Prozent.

Während der Griechenla­nd-Krise wurden in rascher Abfolge EU-Gipfel einberufen. Jetzt geht es nicht um Geld, sondern um Menschenle­ben – rasches Handeln ist umso dringender.

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