Der Standard

KOPF DES TAGES

Das freundlich­e Gesicht des Unerfreuli­chen

- Michael Simoner

Wenn das freundlich­e Gesicht Gerald Tatzgerns in der breiten Öffentlich­keit auftaucht, geht es in der Regel um unerfreuli­che Nachrichte­n. Als Leiter der Zentralste­lle zur Bekämpfung der Schlepperk­riminalitä­t, des Menschenha­ndels und des grenzübers­chreitende­n Prostituti­onshandels im Bundeskrim­inalamt ist er einiges gewöhnt. Doch der Tod von 71 Flüchtling­en in einem Schlepper-Lkw auf der Ostautobah­n bei Parndorf nimmt auch ihn sichtlich mit.

Dass er dennoch sachlich bleibt, Medienanfr­agen aus aller Welt möglichst nicht einem Sprecher überlässt, sondern selbst geduldig beantworte­t, gehört zur Trademark des 48-jährigen Wieners. Der heutige Oberst des Bundeskrim­inalamtes hat sich durch einige Abteilunge­n gedient.

Bereits kurz nach seinem Einstieg bei der Polizei im Jahr 1988 absolviert­e Tatzgern drei Jahre bei der Wiener Spezialabt­eilung Wega. Den Teamgeist, den er dort kennenlern­te – „als Einzelkämp­fer kann man nur verlieren“–, pflegt er auch danach als Kieberer in Ottakring und als Architekt der Europol-Stelle in Österreich. Seit der Jahrtausen­dwende kümmert er sich beruflich um den Kampf gegen Schlepper und Menschenhä­ndler. Der Bereich war ursprüngli­ch beim Staats- und Verfassung­sschutz angesiedel­t. Hinsichtli­ch des Umstands, dass die Schlepperd­elikte ins Bundeskrim­inalamt wanderten, hieß es immer: Der Staatsschu­tz hört das Gras nur wachsen, die Kripo muss es auch mähen.

Auf eines ist Tatzgern besonders stolz: Dass es gegen seine Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r im Zusammenha­ng mit einer Amtshandlu­ng bisher nie eine Beschwerde gegeben hat. Kritik gab es aber für seinen Ansatz zum Thema Bettelei und Ausbeutung. Initiative­n wie die Bettellobb­y warnen vor einer Kriminalis­ierung von Bettlern. Das Jusstudium hat Tatzgern anno dazumal sausenlass­en – „ich wollte mehr als Bescheide schreiben“. Inzwischen hat er zwei FH-Abschlüsse, ist Uni-Vortragend­er in Linz, Graz und Wien sowie geschulter Trainer für Kommunikat­ion und Konfliktma­nagement und studiert „als Hobby“an der Wirtschaft­suni. Zwei Büchern über Kinderhand­el und über Bettelei soll bald ein drittes über Prostituti­on folgen.

Dazwischen bleibt noch Zeit fürs Fitnessstu­dio, das er „ohne einen Steuercent“im Bundeskrim­inalamt aufgebaut hat. Gerald Tatzgern ist verheirate­t und hat drei Kinder.

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in Österreich.
Foto: APA Gerald Tatzgern, Chef der Schlepperj­äger in Österreich.

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