Nicht trotz, sondern wegen Behinderung
Menschen mit Behinderung sind von Arbeitslosigkeit überdurchschnittlich betroffen. Grund seien Vorurteile, sagen Heidemarie Egger und Gregor Demblin von der Jobbörse Career Moves.
Wien – Klartext ist etwas, was die Situation für behinderte Menschen auf Arbeitssuche enorm erleichtern würde – da sind sich Heidemarie Egger und Gregor Demblin einig. Stattdessen würden Bewerbungsgespräche aber von Vorurteilen und Ängsten dominiert. „Ich glaube, dass es noch immer so ist, dass der Chef gar nicht sagt: ‚Schauen wir uns die an, die hat eine Behinderung‘, sondern eher: ‚Lassen wir die Bewerbung lieber liegen‘“, sagt Demblin, der 2009 die Jobplattform Career Moves für Menschen mit Behinderung mitbegründete.
Dabei gebe es für so eine Aussage gar keinen Grund. Denn eine Umfrage unter 250 Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen, hat ergeben, dass 93 Prozent hochzufrieden mit den neu Eingestellten waren.
Ausgleichstaxen umstritten
Die Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Behinderung ist dennoch überdurchschnittlich hoch: Zwischen 2013 (47.364 Personen) und 2014 (57.594) ist sie um 21,6 Prozent gestiegen, bei jenen ohne Einschränkung um 9,1 Prozent, heißt es bei der Behindertenanwaltschaft. Wie also die Situation verbessern?
Arbeitgeber, die 25 oder mehr Leute beschäftigen, müssen laut Behinderteneinstellungsgesetz pro 25 Arbeitnehmer jeweils eine „begünstigte behinderte Person“ einstellen. Falls dies nicht erfolgt, ist eine Ausgleichstaxe zu zahlen – für jeden zu beschäftigenden 248 Euro monatlich, ab 100 Arbeitnehmern 348 Euro und ab 400 oder mehr Arbeitnehmern sind es 370 Euro monatlich pro fehlende Person mit Behinderung. Rund achtzig Prozent der heimischen Unternehmen zahlen diese Taxe, anstatt die Einstellungsquote zu erfüllen.
Für Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik in der Wirtschaftskammer Österreich, ist dies Teil des Problems. Besser wäre „die Schaffung von sinnvollen Anreizen und Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe, wie etwa Prämien oder einen leichteren Zugang zu Förderungen“.
Da stimmt Demblin zu. Ausgleichstaxen seien negativ, „außerdem jucken diese Zahlungen Firmen nicht wirklich“. Bei Career Moves konzentriert man sich deshalb lieber darauf, zu verbreiten, dass Menschen mit Behinderung als Leistungsträger wahrgenommen werden sollten, die wirtschaftlichen Mehrwert schaffen und die Produktivität heben. Es geht der Plattform aber auch darum, Menschen mit Behinderung zu helfen, bei Bewerbungen selbstbewusst aufzutreten und ihre Stärken zu betonen.
Behinderung ansprechen
Heidemarie Egger kann aus eigener Erfahrung sprechen. Ihre Behinderung ist nicht auf den ersten Blick sichtbar. Sie habe sich aber irgendwann entschieden, alles offen anzusprechen. Das zuvor lockere Gespräch sei in jenen Momenten auf einmal ins Stocken gekommen, Arbeitgeber seien überfordert gewesen und hätten geglaubt, sie hätten mehr Aufwand. „Bei einem Großteil der Betroffe- nen sieht man die Behinderung nicht, und viele verstecken sie auch. So entsteht aber ein enormer Druck und kein Problembewusstsein“, sagt Demblin. Bewerbern wird deshalb geraten, die Behinderung, wie Egger, offen anzusprechen. „Das steigert das Selbstbewusstsein sehr stark“, sagt sie.
Der Mehraufwand sei eine von vielen unbegründeten Ängsten. Man höre auch oft davon, dass Menschen mit Behinderung unkündbar seien. Dass der Kündigungsschutz gelockert wurde, würden viele nicht wissen. „Unser Ziel ist es, dass Unternehmen nicht sagen, dass sie diese Person wollen, obwohl sie eine Behinderung hat – sondern weil sie eine Behinderung hat“, sagen Demblin und Egger. p Fünf Bewerbungstipps für Menschen mit Behinderung von Career Moves auf: derStandard.at/Karriere