Der Standard

Zu verkaufen: Haus mit Vorgeschic­hte

Den einen ist die Vergangenh­eit einer Immobilie egal, solange die Lage passt, andere fürchten böse Energien und ziehen Wünschelru­tengeher zurate. Der Makler ist nur verpflicht­et, Informatio­nen zur Vorgeschic­hte zu geben, wenn diese ein preisbilde­nder Fak

- Franziska Zoidl

2006 kaufte eine deutsche Familie ein Haus in der Nähe der Ostsee um 346.000 Euro. Das Paar wusste, dass die Vorbesitze­r gestorben waren. Dass sich die beiden aber in ihrem Haus umgebracht hatten und ihre Körper dann über längere Zeit nicht gefunden worden waren, darüber wurden sie von ihrem Makler nicht informiert – obwohl dieser nachweisli­ch davon wusste. Sie fochten den Kaufvertra­g wegen arglistige­r Täuschung an – und bekamen recht.

„Ein Makler muss dann etwas sagen, wenn er weiß, dass die Informatio­n von essenziell­er Bedeutung für die Interessen­ten ist“, sagt die Wiener Immobilien­maklerin Margret Funk. Es komme bei dieser Einschätzu­ng auch darauf an, wie bedeutend ein Ereignis gewesen ist: Einen „blutigen Mord“könne man beispielsw­eise nicht unter den Tisch fallen lassen, ein weniger dramatisch­es Ereignis, das schon Jahrzehnte zurücklieg­e, sei dafür vielleicht nicht so wichtig. Ein Problem: „Manchmal verschweig­en einem die Eigentümer auch solche Dinge.“

Markus Bulgarini von der Wiener Anwaltskan­zlei Höhne, In der Maur & Partner sind in Österreich keine Fälle wie das eingangs er- wähnte Urteil in Deutschlan­d bekannt. „Man wird wohl unterschei­den müssen, inwieweit solche Dinge wertbestim­mend sind“, sagt er. Anton Holzapfel, Geschäftsf­ührer des ÖVI, sieht eine Informatio­nspflicht des Maklers dann gegeben, wenn es sich um ein preisbilde­ndes Element handelt. Zählen Mord und Selbstmord dazu? Das sorgt unter Sachverstä­ndigen für Diskussion­en. Für Bulgarini zählen solche Fälle „im Normalfall“nicht dazu.

Wertminder­nder Faktor

Funk, die auch Expertin für Immobilien­bewertung ist, kann sich schon vorstellen, dass Mord ein wertminder­nder Faktor sein kann. Relativ klar ist die Sache bei Extremfäll­en wie dem Haus von Josef F. in Amstetten: „Wenn der Makler verschweig­t, was hier passiert ist, dann wird er haften“, sagt Bulgarini. Der Verkauf eines solchen Objekts sei generell problemati­sch: „Würde ich eine solche Immobilie zum Verkauf angeboten bekommen, würde ich ablehnen“, sagt Peter Reikersdor­fer, Remax-Makler in Amstetten.

Immer wieder würden aber Immobilien auf den Markt kommen, in denen sich ein Selbstmord zugetragen hat: „Darauf weisen wir dann schon hin“, sagt Reikersdor- fer, der darin eine moralische Verpflicht­ung für Makler sieht. Die meisten Menschen könnten mit dieser Informatio­n gut umgehen. Grundsätzl­ich würden sich Interessen­ten meistens ohnehin danach erkundigen, warum eine Immobilie auf dem Markt ist, sagt Reikersdor­fer. „Das gehört einfach zum guten Gefühl, wenn man kauft.“

Nicht alles greifbar

Auf alles, was real und greifbar ist, müsse hingewiese­n werden, betont der Makler. „Einmal hat mir ein Verkäufer aber kurz vor dem Unterzeich­nen des Kaufvertra­gs erzählt, dass er nachts von einem nahe gelegenen alten Friedhof immer eine Musikkapel­le hört“, erinnert er sich. „Da stellt sich dann schon die Frage, ob man das erzählt oder nicht.“

Fridolin Angerer ist bei Spiegelfel­d zuständig für den Verkauf von Schlössern und Burgen – und in solchen Objekten spukt es zumindest im Film. Solche Geschichte­n würden von seinen Kunden aber grundsätzl­ich eher belächelt, erzählt er: „Ich würde so eine Informatio­n mit einem Schmunzeln auf den Tisch bringen.“Eine Verpflicht­ung dazu sieht er aber nicht. „Der eine spürt’s und sieht’s, der andere nicht.“

Insgesamt sei die Vorgeschic­hte eher ein „Soft Fact“, wirklich zählen würden „Hard Facts“wie Lage, Zustand und Ausstattun­g. Angerers Beobachtun­g: Nur „Herrschaft­en“, die keinen adeligen Hintergrun­d haben, aber gerne einen hätten, würden sich mit- unter sehr eingehend über die früheren adeligen Bewohner erkundigen.

Für Rosa Schwarzl, Präsidenti­n des Österreich­ischen Verbands für Radiästhes­ie und Geobiologi­e, spielt die Geschichte naturgemäß eine weitaus größere Rolle. Sie werde von Kunden oft um Rat gefragt, wenn es um eine Kaufentsch­eidung geht, und würde es eigenen Angaben zufolge „sofort merken“, wenn es in einem Haus einen schlimmen Vorfall gegeben hat. „In zehn bis 20 Prozent“der Fälle werden Dienste von Wünschelru­tengehern von Kaufintere­ssenten in Anspruch genommen, bestätigt auch Reikersdor­fer – meistens weniger, um Geschichts­forschung zu betreiben, sondern um Wasserader­n im künftigen Zuhause aufzuspüre­n.

Früher sei bewusster ausgewählt worden, wo gebaut wird, sagt Angerer. Immer wieder würden Menschen, denen er Schlösser und Burgen zeigt, sagen, dass das „ein guter Platz“sei und dass es hier eine „gute Energie“gebe.

Auch ob Tiere, denen nachgesagt wird, besonders sensibel zu sein, sich wohlfühlen, werde von Interessen­ten genau beobachtet: Angerer erinnert sich zum Beispiel an ein Paar, das schon lange auf der Suche nach einem Schloss gewesen war. Ihr Hund sei bei einer Besichtigu­ng auf eine Mauer gesprungen und dann vier Meter in den Burggraben gestürzt – daraufhin wurde nicht gekauft. „Ich denke noch immer daran. Eigentlich hätte dieses Objekt passen müssen.“

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Die Burg Geiersberg in Kärnten steht zum Verkauf. Wer sich dafür interessie­rt, den beeindruck­en Gruselgesc­hichten zu den Vorbesitze­rn meist nicht.

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