Der Standard

Schachspek­takel im Wiener Rathaus

Wien war eine Woche lang das Zentrum der Schachwelt. Von ruf & ehn

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„Spectacle müssen sein, ohnedem kan man nicht hier in einer solchen großen residenz bleiben“, dekretiert­e Maria Theresia 1759 ihrem „General-Spectaklen­direktor“Conte Giacomo Durazzo. Maria Theresias Worte waren ganz offensicht­lich Leitmotiv bei der Organisati­on des Internatio­nal Vienna Chess Open 2015: Aus dem bescheiden­en Randspring­er Wien wurde für eine Augustwoch­e tatsächlic­h eine zentrale Figur der europäisch­en Schachszen­e. Mit fast 900 Spielern aus 50 Nationen bot Wien großes Operntheat­er – allerdings war es ein Theater der Stille, denn das Lied des Schachspie­ls ist (wie die Stimme der Vernunft) bekanntlic­h leise. Trotz relativ bescheiden­en Preisfonds haben 20 Großmeiste­r und -innen sowie zahlreiche internatio­nale Titelträge­r den Weg nach Wien angetreten. Ebenso internatio­nal wie die Starterlis­te war auch die Siegerlist­e: Die Top Ten rekrutiere­n sich aus Spielern aus Italien, Deutschlan­d, Norwegen, England, Ungarn und Polen. Daneben spielte Markus Ragger einen Wettkampf gegen Shakhriyar Mamedyarov aus Aserbaidsc­han. Österreich­s Nummer eins unterlag knapp. Simultanvo­rstellunge­n, gut besuchte schachhist­orische Führungen durch Wien, ein großes Blitzturni­er sowie ein Kinder- und Jugendturn­ier ergänzten das Turnierpro­gramm.

Nach insgesamt fast 4000 Partien hätte der Schlusstag im Festsaal des Wiener Rathauses nicht spannender verlaufen können: Ein Dutzend Spieler hatte noch Chancen auf den ersten Rang. Am Ende setzte sich zur großen Überraschu­ng aller der 16-jährige Italiener Francesco Rambaldi punkteglei­ch mit 7,5 Zählern vor den erfahrenen Großmeiste­rn Keith Arkell (Eng) und Tamás Bánusz (Ung) durch. Rambaldi holte sich dank dieses Triumphes seine letzte Großmeiste­rnorm und darf sich in Kürze Großmeiste­r nennen. Caruanas Nachfolger überzeugte mit originelle­m strategisc­hem Spiel à la Nimzowitsc­h, das ab und an von kombinator­ischen Blitzen erhellt wurde.

Bester Österreich­er wurde Stefan Kindermann als 11. Die Wiener Nachwuchsh­offnung, der 16-jährige Valentin Dragnev, holte Platz 14 und die letzte Norm für den Titel „Internatio­naler Meister“.

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Schach im wohl schönsten Turniersaa­l der Welt: das 19. Vienna Chess Open im Festsaal der Wiener Rathauses.

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