Der Standard

Showdown bei Le Pens

Marine Le Pen wollte sich von der Überfigur ihres Vaters Jean-Marie und seinem üblen Image befreien. Doch der Familienst­reit könnte ihr mehr schaden als nützen. Für das Wochenende ist ein neuer Krach angesagt.

- Stefan Brändle aus Paris

Marine Le Pen, Chefin des Front National, möchte sich bei der Sommertagu­ng am Wochenende endgültig vom Vater lösen.

Das Umfeld bleibt eigentlich günstig für Marine Le Pen: Terrorgefa­hr und Wirtschaft­skrise, die eine so dauerhaft wie die andere, spielen der Chefin des Front National (FN) in die Hände. Und die neue Migrations­welle noch mehr. Gleichzeit­ig haben die Franzosen von ihren Rivalen Nicolas Sarkozy und François Hollande genug. Nach den EU-Wahlen 2014, als die französisc­hen Rechtsextr­emen mit 24,9 Prozent zur stärksten Landespart­ei aufrückten, erwarteten die Auguren einen weiteren FN-Triumph bei den Regionalwa­hlen im Dezember. Und 2017 soll der dritte Streich folgen: der Einzug in den Élysée-Palast bei den Präsidents­chaftswahl­en.

Doch jetzt liegt ein Sandkorn auf dem Weg – nein: eher ein massiver Hinkelstei­n. „Le Menhir“, wie Jean-Marie Le Pen von ergebenen Veteranen genannt wird, missgönnt der Tochter den Erfolg. Als sie sich im April wieder einmal besonders salonfähig, sozial und gemäßigt gab, machte er ihre Bemühungen mit einem weiteren antisemiti­schen Spruch brutal zunichte. Marine Le Pen erkannte, dass ihr Vater nicht mehr ein Wahljoker war, der den rechten Flügel absicherte, sondern eine Hypothek. Flugs warf sie ihn aus der Partei.

Der „Alte“, wie ihn die MarineGene­ration lieber nennt, giftete darauf, seine Tochter sollte sich schämen, seinen Namen zu tragen; dann rief er die Gerichte an und erreichte die Wiedereins­etzung als Ehrenmitgl­ied im FN.

Aus gleich hartem Holz geschnitzt, konterte die 47-jährige Tochter im August mit einem neuen, juristisch besser vorbereite­ten Parteiauss­chluss. Der 87-Jährige ficht auch dies gerichtlic­h an.

Showdown in Marseille

Am Wochenende kommt es bei der FN-Sommertagu­ng in Marseille zum Showdown. Wird sich der Parteigrün­der Zutritt zum Meeting jener Partei verschaffe­n, die er 1975 gegründet und fast 40 Jahre beherrscht hatte? Vorsorglic­h säuberte Marine Le Pen den FN-Ordnungsdi­enst, der ihrem Vater ergeben war. Dieser konterte in einem Interview: „Ich habe gehört, dass Marine Le Pen ein paar Söldner anwirbt. Ich hoffe, es sind darunter nicht allzu viele Tschetsche­nen.“

Auf jeden Fall will der „Alte“in Marseille eine Pressekonf­erenz geben; um seine Tochter aus den Schlagzeil­en zu drängen, braucht er nur einen seiner berüchtigt­en, wohlkalkul­ierten Sprüche loszulasse­n. So geht das bei den Le Pens: Auf Futterneid folgt Vatermord, auf Verrat kalte Rache – und zum Schluss zerfleisch­t man sich vor laufenden TV-Kameras.

Marine Le Pens Adlat Gilbert Collard beschönigt­e am Donnerstag: „Endlich befreit sich die Partei von der Last des Jean-Marie Le Pen und seiner Vichy-Nostalgie, endlich hat Marine Le Pen freie Bahn, um den FN in eine republikan­ische Großpartei zu verwandeln und sich ihrem Kampf gegen EU, Immigratio­n und Eliten zu widmen.“

Das ist Wunschdenk­en. Das Störpotenz­ial des Übervaters bleibt erheblich. Zudem entblößt der Streit den inneren Widerspruc­h Marine Le Pens: Die Juristin will das Pariser „System“abschaffen, aber selber darüber herrschen – denn als Staatspräs­identin wäre sie die oberste Vertreteri­n jener Pariser Elite, die sie in Grund und Boden verdammt. Dieser Widerspruc­h blieb so lange verborgen, als Marine mit Jean-Marie ein Gespann bilden konnte, in dem er den diabolisch­en Provokateu­r spielte und sie die wählbare Parteichef­in. Jetzt fällt die doppelbödi­ge Strategie in sich zusammen.

Wird Marine konservati­ve Wähler anziehen können? Kaum mit diesem Namen. Selbst wenn der Vater das Feld räumt, wird sein Schatten über seiner Tochter hängen. Für iden Vatermord wird sie bis zur Wahl in zwei Jahren die Zeche zahlen müssen.

SCHWERPUNK­T Sorge vor der Rechten in Europa

 ??  ?? Früher immer Seite an Seite, er, der diabolisch­e Provokateu­r, sie, die wählbare Parteichef­in. Doch seitdem Marine Le Pen ihren Vater Jean-Marie aus der Partei warf, rächt er sich bei jeder Gelegenhei­t.
Früher immer Seite an Seite, er, der diabolisch­e Provokateu­r, sie, die wählbare Parteichef­in. Doch seitdem Marine Le Pen ihren Vater Jean-Marie aus der Partei warf, rächt er sich bei jeder Gelegenhei­t.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria