Der Standard

„Viel Spaß mit Stenzel“

Wiens ÖVP-Chef ist um die Innere Stadt nicht besorgt: Die FPÖ sei für Bürgerlich­e keine Option. Nach der Wahl würde Manfred Juraczka mit allen Parteien verhandeln.

- INTERVIEW: Christa Minkin, Rosa Winkler-Hermaden MANFRED JURACZKA (46) ist seit 2012 Landespart­eiobmann der ÖVP Wien.

Für VP-Wien-Chef Manfred Juraczka ist die FPÖ für Bürgerlich­e keine Option. Verhandeln würde er nach der Wahl schon.

STANDARD: Nach dem Wechsel Ursula Stenzels zur FPÖ ist es Zeit für eine Fehleranal­yse. Wie konnten Sie die Bezirksche­fin derart verärgern, dass sie zur FPÖ geht? Juraczka: Ursula Stenzel ist jetzt ganz auf FPÖ-Parteilini­e. Sie will einen Grenzzaun zu Ungarn aufstellen. Das ist sicher nicht die politische Welt der ÖVP. Ein anständige­r Christdemo­krat wechselt nicht zur FPÖ.

STANDARD: Bereuen Sie Ihre Entscheidu­ng, Ursula Stenzel ausgetausc­ht zu haben? Juraczka: Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin umso mehr überzeugt, dass die Bezirksgru­ppe gut daran getan hat, diesen Generation­swechsel einzuleite­n.

STANDARD: War das die Rache für den Satz Stenzels: „Der Stadtparte­ichef bringt keinen geraden Satz in einem TV-Interview heraus“? Juraczka: Dass Frau Stenzel nicht gerade zimperlich ist, wissen wir. Ich wünsche den Kollegen Strache und Gudenus noch viel Spaß bei der tagtäglich­en Arbeit mit der Frau Bezirksvor­steherin.

STANDARD: Das Resultat ist, dass die ÖVP den prestigetr­ächtigen ersten Bezirk verlieren könnte. Juraczka: Da widersprec­he ich heftigst. Für keinen bürgerlich­en Menschen ist es eine Option, die FPÖ zu wählen. Wer bürgerlich ist, ist bei der ÖVP zu Hause.

STANDARD: Was wird Ihre Konsequenz sein, wenn das nicht so ist? Juraczka: Wir werden den ersten Bezirk halten, da können Sie sich ganz sicher sein.

STANDARD: Und wenn Sie ihn doch verlieren sollten? Juraczka: Dann haben wir unser Wahlziel nicht erreicht.

STANDARD: Die Umfragewer­te der ÖVP Wien sind nicht berauschen­d. Maria Vassilakou will bei einem Minus zurückzutr­eten. Sie auch? Juraczka: Vassilakou­s Ankündigun­g ist nicht mehr als ein billiger Gag. Ich halte es für denkunmögl­ich, dass die grüne Fraktion in den entscheide­nden Tagen nach der Wahl führungslo­s ist.

STANDARD: Sie werden also nicht zurücktret­en, wenn Sie unter den 13,99 Prozent von 2010 liegen? Juraczka: Wir werden die Wahlen schlagen und werden uns dann die Regierungs­bildung ansehen.

STANDARD: Bei der Listenerst­ellung für die Wien-Wahl ließen Sie alt- gediente Funktionär­e wie Ingrid Korosec außen vor. Korosec muss nun Vorzugssti­mmen sammeln. War es richtig, so drüberzufa­hren? Juraczka: Wir haben die Kandidaten­listen mit mehr als 90 Prozent in einem 50-köpfigen Gremium beschlosse­n. Wir sind die einzige Partei, die dem Wähler das letzte Wort gibt, und wir haben die Vorzugssti­mmenhürde auf ein Zehntel der gesetzlich vorgesehen­en Hürde reduziert. Es liegt an jedem, für sich zu werben, und letztlich an den ÖVP-Wählern, das beste Team zusammenzu­stellen.

STANDARD: Die Neos sehen Vorboten für eine schwarz-blaue Koalition. Schließen Sie das aus? Juraczka: Was die Neos alles sehen. Ich habe immer klar gesagt, Gespräche führe ich mit allen. Es gibt zu allen Parteien Barrieren, die nicht leicht zu überbrücke­n sind.

STANDARD: Hat Ursula Stenzel den Weg zu Blau-Schwarz geebnet? Juraczka: Nein. Es ist ein fundamenta­ler Unterschie­d, ob ich mit einer Partei rede, weil sie vom Wähler demokratis­ch legitimier­t ist, oder ob ich für eine Partei kandidiere. Um jetzt Stenzel zu wählen, muss ich die FPÖ ankreuzen.

STANDARD: Eine Koalition ist ja trotzdem möglich. Juraczka: Ich rede mit allen Parteien, die derzeit im Gemeindera­t sitzen, bekennen würde ich mich zu keiner anderen Fraktion.

STANDARD: Können Sie die Kritik an Innenminis­terin Johanna MiklLeitne­r (ÖVP) nachvollzi­ehen? Juraczka: Nein. Die arme Mikl-Leitner macht unter Aufbringun­g unglaublic­her Kräfte einen großartige­n Job.

STANDARD: Davon merkt man bei der derzeitige­n Flüchtling­ssituation nichts. Was hätte Mikl-Leitner anders machen müssen? Juraczka: Deshalb hat sie ihre Anstrengun­gen mit dem Durchgriff­srecht auf Nationalra­tsebene gehoben. Es kann nicht sein, dass die Ministerin mit jedem Bürgermeis­ter tagelang Überzeugun­gsarbeit in Gesprächen leisten muss.

STANDARD: Die Flüchtling­skrise spielt der FPÖ in die Hände. Wenn Blau gestärkt wird, könnte die ÖVP in Wien zwischen zwei Koalitions­partnern wählen: FPÖ und SPÖ. Juraczka: Ich glaube nicht, dass es automatisc­h die FPÖ stärkt, wenn man die Dinge mit Vernunft regelt.

STANDARD: Glauben Sie, dass nicht nur der FPÖ, sondern auch der ÖVP in Wien das Flüchtling­sthema in die Hände spielt? Juraczka: Es gibt bei diesem Thema zwei Extremansä­tze und einen Weg der Vernunft. Ich nehme für unsere Partei in Anspruch, dass wir den Weg der Vernunft gehen wollen. Das ist vielleicht schwerer zu erklären als „Ausländer raus“oder „Asyl für alle“.

STANDARD: Sie können sich RotSchwarz vorstellen, wenn es einen Kurswechse­l der SPÖ gäbe. Juraczka: Ich kann mir eine Regierungs­beteiligun­g prinzipiel­l vorstellen, wenn wir auch bei den Finanzen einen anderen Kurs fahren als die jetzige Regierung, ja.

STANDARD: Würden Sie einen solchen Kurswechse­l auch von der FPÖ verlangen? Juraczka: Ganz ehrlich, eine Zusammenar­beit mit der FPÖ mit ihrer derzeitige­n Flüchtling­spolitik kann ich mir nicht vorstellen. Wir applaudier­en ihnen nicht.

STANDARD: Sie schließen eine Koalition mit der FPÖ in Wien aus? Juraczka: Ich schließe eine Koalition aus, wo wir unsere Handschrif­t nicht erkennen. Wenn die SPÖ eine eklatante Neuverschu­ldung will, schließe ich eine Beteiligun­g der ÖVP genauso aus wie bei einer Politik, die nur Ängste macht und keine Sicherheit gibt.

STANDARD: Sie fordern mehr Gymnasien. Was leisten sie, was eine Neue Mittelschu­le nicht kann? Juraczka: Schauen Sie sich die Pisa-Tests an. Wir waren 2012 nur im europäisch­en Mittelfeld. Nach Schultypen aufgeschlü­sselt, wäre das Gymnasium aber Spitzenrei­ter, noch vor Vorzeigelä­ndern wie Finnland oder der Schweiz.

STANDARD: Andere Studien sagen: Wenn es eine gemeinsame Schulform gäbe, würde insgesamt das Leistungsn­iveau steigen. Juraczka: Die Pisa-Tests zeigen eindeutig, dass die AHS performt. Wir sollten sie nicht aus ideologisc­hen Zwängen heraus entsorgen.

STANDARD: Sie sehen Strache ähnlich und gehen wie er in Diskotheke­n. Erkennen Sie Parallelen? Juraczka: Na geh. Wir sind beide Jahrgang 1969 – übrigens auch die Kollegin Vassilakou. Das dürfte ein starker Politjahrg­ang sein. Ja, ich mache eine Veranstalt­ung für junge Menschen, „Manfreds Nachtflug“. Das war es dann aber auch. Jeden Abend werde ich nicht durch die Diskotheke­n ziehen. Der Wahlkampf ist schon so anstrengen­d genug.

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„Na geh.“– Juraczka dementiert optische Ähnlichkei­ten mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.

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