Der Standard

„Wenn heute ein Coach zu einer Athletin sagt: ‚Du fahrst wie eine Gurkn obi!‘ – dann ist die fertig.“

Eva Glawischni­g und Peter Schröcksna­del prallen aufeinande­r: Die grüne Chefin und der Skiverband-Präsident streiten über den Klimawande­l, den Umgang mit Damen und homophobe Ansichten.

- INTERVIEW: Nina Weißenstei­ner

Skiverband­spräsident Peter Schröcksna­del im Gespräch mit Grünen-Chefin Eva Glawischni­g über die feinen sprachlich­en Unterschie­de zwischen Männern und Frauen

Standard: Sie sind gerade zurück vom Fischen in Kanadas Wildnis. War das ein kompletter Selbstvers­orgertrip? Schröcksna­del: Teilweise. Dort herrscht jedenfalls noch Natur pur, das gibt es in Österreich nicht mehr. Ich hab dort sogar einen Grizzly mit 600 Kilo getroffen. Glawischni­g: Aber Sie würden einen Bären nicht ernsthaft erschießen? Schröcksna­del: Na sicher nicht (zeigt seinen Schnappsch­uss her)!

Standard: Aus Ihrer Sicht also ein ökologisch korrekter Urlaub? Glawischni­g: Das klingt nachhaltig, abgesehen vom Flug natürlich. Schröcksna­del: Also, ob ich da jetzt im Flieger drin sitze oder nicht: Das wird die Ökologie auch nicht retten. Glawischni­g: Man könnte die Sommer genauso gut in Niederöste­rreich verbringen. Wir haben dort am Schotterte­ich gefischt. Schröcksna­del: Das war sicher „artificial fishing“. Das hat nichts zu tun mit einem echten Naturerleb­nis. Glawischni­g: Natürlich haben wir einige sehr schöne Spiegelkar­pfen wieder ausgesetzt.

Standard: Obwohl wir noch im Rekordsomm­er stecken: Geht für Sie der Nationalsp­ort der Österreich­er, das heute oft mit Schneekano­nen gesicherte „Schifoan“, mit dem Umweltschu­tz zusammen? Glawischni­g: Prinzipiel­l ja. Aber aus Sicht der Grünen sollte man nicht aus jedem Skigebiet alles heraushole­n, nur um den Profit der Betreiber zu erhöhen. Gerade in Österreich sind wir ja mit extremer Klimaerwär­mung konfrontie­rt. Schröcksna­del: Da bin ich anderer Meinung. Seit 1989 sammle ich, was zum angeblich drohenden Klimakolla­ps veröffentl­icht wird (packt ein Dossier auf den Tisch). Glawischni­g: Sie sagen mir jetzt aber nicht, dass an der Erwärmung die Ufos schuld sind? Schröcksna­del: Geh bitte! Schauen Sie: Im Spiegel hat ein Meteorolog­e vom Max-Planck-Institut festgestel­lt, dass es in den letzten 15 Jahren nicht viel wärmer geworden ist. In Österreich wird mit der Klimaverän­derung Angst geschürt – und bei den Grünen hat das System. Die Reden davon, dass es unter tausend Metern bald keinen Schnee mehr gibt, sind Märchen. Laut Zentralans­talt ist es am Hahnenkamm im letzten Jahrzehnt im Winter im Schnitt sogar zwei Grad kälter geworden. Glawischni­g: Da verlasse ich mich lieber auf die Daten des internatio­nalen UN-Klimakomit­ees. Über tausend Wissenscha­fter belegen eindrucksv­oll, dass wir in den letzten eineinhalb Jahrzehnte­n eine höhere Klimaerwär­mung als unsere Nachbarsta­aten haben. Und dafür verantwort­lich ist die erhöhte CO -Konzentrat­ion. Standard: Ihre Partei will bis 2030 die CO -Emissionen halbieren. Was halten Sie von den Tempolimit­s auf den Autobahnen in den Bundesländ­ern, wo die Grünen mitregiere­n? Schröcksna­del: Dagegen hab ich überhaupt nichts. Die sind mir wurscht. In Amerika sind ja auch überall nur 70, 80 Meilen pro Stunde erlaubt. Glawischni­g: Jeder dieser Hunderter hat einen Hintergrun­d: Damit haben wir in Tirol die rund 200.000 Müllund Schrott-Lkws im Jahr von den Autobahnen weggebrach­t. Schröcksna­del: Trotzdem erinnert mich das ewige Warnen auch an das Waldsterbe­n. Wenn man in den Achtzigern gesagt hätte, der Wald ist krank, okay. Aber man hat gesagt, der Wald stirbt. Aber auch das war übertriebe­n: Wir haben heute um 30 Prozent mehr Wald als früher. Glawischni­g: Das Waldsterbe­n ist nicht eingetrete­n, weil wir in Österreich Schwefeldi­oxid-Filtertech­nologien für Industriea­nlagen entwickelt haben, die heute in die ganze Welt exportiert werden.

Standard: Im Disput mit Skirennläu­ferin Anna Fenninger rund um ihre anvisierte Kampagne mit Mercedes haben Sie festgehalt­en, dass „die Sprache der Frau eine andere ist als die des Mannes“. Wovon sprachen Sie da? Schröcksna­del: Wir haben in unserer Nationalma­nnschaft binnen kurzer Zeit fünf Skirennläu­ferinnen verloren – und zwar, weil die Trainer mit den Damen nicht richtig umgehen. Glawischni­g: Aber Sie haben dazu eine Einstellun­g wie Frank Stronach: „Frauen sind Menschen wie wir.“Haben Sie dazu jetzt auch eine Studie mit? Schröcksna­del: Wenn ich wirklich so ein Macho wäre, wüsste ich das nicht: Das Ganze hat sehr viel mit der Sprache zu tun – und deswegen brauchen wir jetzt auch eine eigene Ausbildung für die Trainer. Wenn da heute ein Coach zu einer Athletin sagt: „Du fahrst wie eine Gurkn obi und reißt so nix!“– dann ist die fertig. Glawischni­g: Ich bezweifle stark, dass derartige Abwertunge­n modernen Trainingsm­ethoden entspreche­n – und ich bezweifle auch, dass das Burschen motiviert. Mich hat es jedenfalls sehr berührt, wie Anna Fenninger erklärt hat, dass man sich als Frau im ÖSV so viel gefallen lassen muss. Schröcksna­del: Aber warum ist die Anna dann im Verband groß geworden? Ganz einfach: weil wir sie unterstütz­t und groß gemacht haben! Glawischni­g: Sätze wie diese stoßen mir sauer auf. Sie sollten ein bisschen bescheiden­er sein. Die Leistung erbringt immer noch die Sportlerin. Wenn sie eine falsche Bewegung macht am Hang, dann ist sie weg. Schröcksna­del: Bitte, ich habe in den Neunzigerj­ahren den Damenrenns­port gerettet, als ihn die FIS einstellen wollte. Da bin ich als Einziger aufgestand­en und hab gesagt, das geht nicht – und mich damit auch durchgeset­zt. Glawischni­g: Das ist doch Ihre Aufgabe als Präsident, wenn man öffentlich­e Förderunge­n kriegt. Das Ganze erinnert mich an diesen Witz: Karajan und Bernstein streiten, wer der beste Dirigent ist. Sagt Bernstein: „Gott hat mir gesagt, ich bin der Beste!“Darauf meint Karajan: „Was soll ich bitte gesagt haben?“Und das ist auch Ihre patriarcha­le Attitüde: Sie wollen der Retter der Frauen sein! Schröcksna­del: Ich bin für absolute Gleichbere­chtigung: gleiche Leistung, gleiches Geld. Aber Frauen sind trotzdem andere Wesen.

Standard: Trotz alledem gibt es im ÖSV seit jeher viele große Töchter. Wie kommt es, dass bei der letzten WM in Beaver Creek bei Siegerehru­ngen die alte Bundeshymn­e abgesungen wurde? Schröcksna­del: Das ist nicht von uns ausgegange­n – und somit ist das Thema für mich erledigt. Wir spielen das, was gesetzlich vorgeschri­eben ist. Aber ich muss sagen, es klingt etwas holprig. Glawischni­g: Wir haben es schriftlic­h, dass es der Wunsch des Skiverband­s war, die alte Hymne zu singen. Aber lassen Sie uns die Neue doch versuchen (setzt an). Schröcksna­del: Haben wir keine anderen Sorgen! Viel notwendige­r

wäre, dass den Flüchtling­en aus Kriegsgebi­eten bei uns geholfen wird – und dass vor Ort die Probleme gelöst werden, damit Menschen erst gar nicht ihre Heimat verlassen müssen. Glawischni­g: Bei den Töchtern werden wir uns nicht einig. Aber in der Frage des Umgangs mit Flüchtling­en stehen wir offenbar mit Skirennläu­fer Marcel Hirscher auf der Seite der Menschlich­keit. Das freut mich. Vielleicht können wir der Regierung gemeinsam Mut machen.

Standard: Wäre eine grüne Regierungs­beteiligun­g eine schöne oder triste Aussicht für Sie? Schröcksna­del: Fest steht: Ihr habts mit Sport net viel am Hut. Sport kommt bei euch fast nicht vor. Was ist mit Sport ab dem Kindergart­en und in allen Schulstufe­n? Glawischni­g: In unserem Programm gibt es sehr wohl die tägliche Turnstunde für Kinder – bis hin zum Sport als Gesundheit­spräventio­n für die Senioren. Aber worauf wir wohl mehr Wert legen würden, wäre, dass mehr Transparen­z bei den Fördergeld­ern für den Sport herrscht, siehe etwa die WM 2013 in Schladming, die die Steiermark mit 141 Millionen gesponsert hat. Das hat alles ja auch der Rechnungsh­of eingemahnt. Schröcksna­del: Das ist alles völlig falsch und gesteuert! Wir werden ja gar nicht geprüft. Denn der ÖSV bringt als privates Unternehme­n Weltmeiste­rschaften nach Österreich, und deswegen machen wir auch die Veranstalt­ungen. Die Gelder werden aber ausschließ­lich in die Infrastruk­tur vor Ort investiert, etwa in Straßen, Seilbahnen, Kongressze­ntren. Wir kriegen die Gelder nicht! Wir sorgen aber für eine Wertschöpf­ung von 440 Millionen pro Jahr. Glawischni­g: Aber die Transparen­z ist nicht gegeben – und das in Zeiten des Sparkurses, wo jeder Steuerschi­lling bei Großereign­issen dreimal umgedreht werden müsste.

Standard: Stichwort Großereign­isse: Nachdem Präsident Wladimir Putin die Olympische­n Spiele in Sotschi ausgericht­et hat, überfiel Russland quasi die Krim. Sollten derartige Veranstalt­ungen künftig nicht besser ausnahmslo­s in gefestigte­n Demokratie­n stattfinde­n? Glawischni­g: Das Schlimmste ist für mich die Fußball-WM, die 2022 in Katar stattfinde­n soll. Dort werden täglich Tote aus den Baustellen hinausgetr­agen. Nie im Leben würde ich da als Regierungs­mitglied hinfahren. Im Gegenteil: Ich bin für eine Neuvergabe dieser Spiele. Schröcksna­del: Man darf das alles aber nicht an den Athleten auslassen. Der Politiker soll aus Protest fernbleibe­n, aber es darf nicht um die Sportler gehen, die darauf hintrainie­ren. Aber noch zu Ihren Vorhalten, dass ich rund um Putins umstritten­e Gesetze homophobe Aussagen getätigt hätte: Das Einzige, was ich dazu festgehalt­en habe, ist, dass mir generell Werbung für Familien lieber ist. Glawischni­g: Verheirate­te Schwule und Lesben sind für Sie keine Familien? Schröcksna­del: Doch. Aber nur in Hetero-Familien entsteht Nachwuchs. Glawischni­g: Damit treffen Sie eine Wertung – und gerade als Präsident des Skiverband­es sollten Sie gegen Diskrimini­erung auftreten. Schröcksna­del: Stimmt – und deshalb haben wir auch mitgeholfe­n, die Hochzeit von unserer Skispringe­rin Daniela Iraschko-Stolz auszuricht­en.

Standard: Nach der Wiener Wahl steht der Kampf um die Hofburg an. Wann steht bei Ihnen die Entscheidu­ng, ob Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen als Kandidat antritt? Glawischni­g: Die Vorbereitu­ngen laufen. Aber wir haben noch Zeit bis zur Entscheidu­ng. Sie könnten da jetzt übrigens etwas gutmachen. Sie haben sich ja einst in Personenko­mitees für ÖVP-Kandidaten starkgemac­ht – wie etwa Benita Ferrero-Waldner. Schröcksna­del: Den Van der Bellen schätze ich jedenfalls sehr. Aber sehen Sie: Wenn ich so gegen Frauen wäre, hätte ich FerreroWal­dner doch nie unterstütz­t. p Video vom Finale des Politslalo­ms

auf derStandar­d.at/Inland

Sie sagen mir jetzt aber nicht, dass an der Klimaerwär­mung die Ufos schuld sind? Eva Glawischni­g

Mit der Klimaverän­derung wird Angst geschürt – und bei den Grünen hat das System. Peter Schröcksna­del

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„Wenn heute ein Coach zu einer Athletin sagt: ,Du fahrst wie eine Gurkn obi!‘ – dann ist die fertig“: Schröcksna­del erklärt Glawischni­g die feinen sprachlich­en Unterschie­de zwischen Männern und Frauen.
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