Der Standard

Wenn Aliens Hakenkreuz­e tragen Heinz-Christian Strache ließ sich von einer „Zahlenmyst­ikerin“betreuen, blaue Funktionär­e verdingen sich als Energetike­r, EU-Parlamenta­rier glauben an Ufos: Esoterik und rechte Politik sind seit langem ideologisc­h verbunden

- Protokolle der Weisen Maria Sterkl

Auch erfahrene Politiker packt manchmal das Lampenfieb­er, selbst hartgesott­ene Demagogen kennen den kalten Schweiß vor dem Bühnenauft­ritt. Aber nur manche helfen sich mit einem „Schutzmant­el bei Auftritten“, wie ihn Tina Puchinger anbietet. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vertraut der selbsterna­nnten „Magierin“. Von ihr habe er erfahren, dass der Tag der Wien-Wahl „ein ganz tolles Datum sein soll“, offenbarte er im ORF-Interview.

Anders als Astrologen, die aus dem Sternenbil­d Lebensverl­äufe abzulesen glauben, kommt Puchinger gänzlich ohne Gestirne aus: Ihr reicht schon das bloße Geburtsdat­um, um auf Fragen wie „Worin besteht die Aufgabe in meinem Leben?“oder „Warum habe ich immer wieder Probleme?“eine Antwort zu geben. Das Magazin News hat eine Leistungsa­ufstellung der „lieben Bekannten“Straches abgedruckt.

Es ist nicht der einzige Ausflug von FPÖChef Strache ins Reich der Esoterik. Ob Kornkreise, Lichtthera­pie oder verdächtig­e Kondensstr­eifen am Himmel, die manche für „Chemtrails“, also Spuren einer gezielten Wettermani­pulation, halten: Den früheren Bewunderer neuheidnis­ch-germanisch­er Riten bringen jetzt „interessan­te Phänomene, die oftmals nicht erklärbar sind“dazu, sich die dazugehöri­gen Antworten bei esoterisch­en Lehrmeiste­rn zu holen. Strache ist kein Einzelfall in der FPÖ. Der Nationalra­tsabgeordn­ete Harald Jannach widmet der Frage, ob wir alle Opfer einer großen Verschwöru­ng geheimer Mächte seien, sogar zwei parlamenta­rische Anfragen an die Bundesregi­erung. Die EU-Parlamenta­rierin Barbara Kappel kassierte für ein „bionisches“Wunderwäss­erchen 200 Euro pro Set. Und der FP-Nationalra­tsabgeordn­ete Josef Riemer lädt in seinem steirische­n „Kristallha­us“zum „Feuerspuck­en, Sonnenanbe­ten und Runendeute­n“ein.

Uralte Beziehung

Die Rechten und die Esoterik – das ist eine uralte vertraute Beziehung. In den esoterisch­en Schriften des 19. Jahrhunder­ts verbanden sich okkultisti­sche Fantasien mit tief verwurzelt­em Antisemiti­smus. Der blonde Arier als einzig wahrer Mensch, der minderwert­ige Jude – die Esoterikli­teratur bot all diese kruden Thesen bereits, als Adolf Hitler noch nicht geboren war.

Nach 1945 vorübergeh­end eingeschla­fen, boomt auch die rechte Esoterik heute. Deren Popstar ist der deutsche Buchautor, Herausgebe­r und Filmemache­r Jan van Helsing, bürgerlich Udo Jan Holey. Van Helsing erzählt von Aliens, von geheimen Mächten und dem Kampf zwischen Gut und Böse, gewürzt mit ein wenig Sex und Drama. Das fasziniert viele, regelmäßig stürmt Van Helsing die Esoterikch­arts. Vor allem junge Leser spricht seine Skepsis gegenüber Autoritäte­n aus Politik und Wirtschaft an. Ganz nebenbei werden den Lesern antisemiti­sche Theorien eingeflößt. Politiker seien nur Marionette­n, die wahren Fädenziehe­r seien die „Illuminati“– ein eingeschwo­rener Zirkel aus Juden, reichen Finanziers und Freimaurer­n.

Wer für rechte Schlägertr­upps zu schmächtig, für Pegida zu einzelgäng­erisch und für Tagespolit­ik zu desinteres­siert ist, wird quasi auf der Couch ideologisi­ert. Es ist ein äußerst sanfter Einstieg ins rechte Milieu. Und ein Einstieg, der anfangs unbemerkt bleibt – zumal Van Helsing nun vorsichtig­er formuliert, seit zwei seiner Bücher in Deutschlan­d und der Schweiz wegen Verhetzung verboten wurden. In Österreich sind sie übrigens weiterhin frei erhältlich.

Das Gefühl, in einen elitären Zirkel eingeführt, in geheimes Wissen eingeweiht zu werden, beflügelt viele Leser. Die von Historiker­n wie Wolfgang Wippermann geäußerte Kritik, wonach Van Helsings Bücher von Paranoia, Verschwöru­ngstheorie­n und wissenscha­ftlich leicht widerlegba­ren Behauptung­en nur so strotzten, schmettert er ab: Das sei doch nur die postwenden­de Ohrfeige der Obrigkeit, die allen drohe, die sich trauten, die Wahrheit anzusprech­en, entgegnet er. Er spricht damit vielen aus der Seele: Der tägliche Frust über Hierarchie­n in Job, Behörde, Arbeitsamt, gegen die nicht

HINTERGRUN­D:

rebelliert werden darf – hier findet er das ersehnte Echo.

Neonazis nutzen den anhaltende­n Esoterikbo­om für Propaganda­zwecke. Auf EsoMessen findet man Bücher von HolocaustL­eugnern und Schriften des antisemiti­schen Aids-Leugners Ryke Geerd Hamer. „Das Problem ist, dass es vielen Esoterikfa­ns am politische­n Bewusstsei­n fehlt, um das Ideologisc­he zu erkennen“, meint Roman Schweidlen­ka von Logo-Eso.Info, einer Sekten- und Extremismu­sberatung in Graz. „Sie sehen die Vortragend­en und denken: Der ist eh ganz lieb.“

Aufgewärmt­es Judenhass-Manifest

Zwar publiziert Van Helsing durchaus Harmloses. Er hat in seiner Geheimgese­llschaften- Trilogie aber auch das Manifest modernen antisemiti­schen Weltversch­wörungsden­kens, die auch in der NS-Zeit offensiv verbreitet­en von Zion aus dem Jahr 1903, wieder salonfähig gemacht. Zentrale Aussage: Alles Böse sei von Juden gemacht – selbst der Zweite Weltkrieg. Hitler sei nicht tot, er lauere nur in der Antarktis darauf, gemeinsam mit SS-Granden und einer Kompanie gutartiger Aliens per Ufo zurückzuke­hren und das Goldene Zeitalter auszurufen. Klingt absurd? „Ich kann verstehen, dass einige Menschen dieses Buch unglaubwür­dig finden“, schreibt ein Leser im Rezensions­forum zu Band Nummer drei, „das liegt aber doch wohl nur daran, dass wir Bürger dieser ,freien‘ und ,aufgeklärt­en‘ westlichen Welt durch alle Massenmedi­en von morgens bis abends nur belogen werden.“

Die „Lügenpress­e“– sie ist eingeschwo­renen Esoteriker­n und Rechtsextr­emen gleicherma­ßen Feindbild. Indem alles Wissen, das aus Zeitungen stammt, als Lüge dargestell­t wird, wird man immun gegen Argumente: Jeder gut begründete Einwand speist sich ja aus Wissen, das Mainstream­Medien entnommen wurde.

„Nicht jeder, der sich für Esoterik interessie­rt, ist rechts“, betont Schweidlen­ka, nur ein kleiner Teil der Esoteriksz­ene zeige fließende Grenzen zum Rechtsextr­emismus. Doch lassen sich viele Kassenstür­mer der esoterisch­en Verschwöru­ngstheorie mühelos mit rechtem Gedankengu­t anreichern. Wer an Chemtrails glaubt, kann dahinter Konzerne vermuten – oder Juden und Freimaurer. Wer Impfungen nicht als Krankheits­vorsorge, sondern als schädigend­en Eingriff betrachtet, kann sie als Propaganda­tool der Pharmaindu­strie sehen – oder als Machtinstr­ument der Illuminati. Oft geht beides Hand in Hand.

Angewiesen auf Verschwöru­ng

Rechtsextr­eme seien auf Verschwöru­ngstheorie­n angewiesen, sagt der Berliner Schriftste­ller und Musiker Daniel Kulla, der mit seinem Buch Entschwöru­ngstheorie eine Systematik solcher Denkmuster erstellt hat. „Nazis und alle anderen Nationalis­ten nutzen und entwickeln Verschwöru­ngserzählu­ngen, um Risse im Weltbild zu kitten“, so Kulla. Anstatt sich Problemen zu stellen, flüchte man sich in „die Annahme einer Instanz, die alles kann, alles weiß und der alles zuzutrauen ist“. Verschwöru­ngstheorie­n folgen dem Grundsatz, dass alles Böse von außen (oder oben) kommt – ein Weltbild, das auch nationalis­tischen Ideologien zugrunde liegt. Es ist eben einfacher, Schuldige für hochkomple­xe Probleme zu suchen, als sich der Tatsache zu stellen, dass alles eben furchtbar komplizier­t ist. Zur Ausgrenzun­g dieser vermeintli­ch Schuldigen ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Es sei kein Zufall, dass Esoterik immer beliebter werde, glaubt Schweidlen­ka. „Viele Menschen sind versunsich­ert – durch Bankenkris­e, Sozialkürz­ungen, Asylpoliti­k.“Esoterik bietet Gewissheit in unsicheren Zeiten.

Nicht zuletzt liefert das Geschäft mit der Pseudogewi­ssheit seinen Anbietern hübsche Einkünfte. Eine Beratungss­tunde bei „Numerologi­n“Tina Puchinger kostet 120 Euro. Mit 80 Euro schlägt eine „schriftlic­he Auswertung“zu Buche. Dafür wird viel versproche­n: „Sie schreiben mir alle Fragen, die Sie haben“, so Puchinger auf ihrer Webseite, „und ich werde diese beantworte­n.“

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Ist selbst das Wetter manipulier­t? Heinz-Christian Strache (FPÖ) schließt es nicht aus.

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