Der Standard

Für ein paar Stunden Abwechslun­g

Der Wiener Basketball­verein Capricorns lud den Sommer über Flüchtling­e aus dem Camp Erdberg zum gemeinsame­n Training ein. Sogar ein irakischer Topspieler kam vorbei.

- Birgit Riezinger

Wien – „Haben Sie noch eine Frage?“, will Amjad Almasoudi wissen. Er plaudert gerne. Amjad Almasoudi hat viel zu erzählen. Nicht nur Lustiges. Zum Beispiel von seiner Vergangenh­eit im Irak. „Menschen werden ohne Grund getötet“, sagt der 27-Jährige. Man könne sich das nicht vorstellen. „Es kann sein, dass du in Bagdad in ein Restaurant gehst und ein paar Meter weiter jemand erschossen wird.“

Almasoudi sitzt auf einer Holzbank am Rande des Freiluftba­sketballpl­atzes der Sportanlag­e WATLandstr­aße in Wien. Er hat es geschafft. Vor einem Monat kam er nach Österreich. 5000 Euro zahlte er für die Fahrt mit Schleppern. Rund eine Woche verbrachte er im Übergangsq­uartier Wien-Erdberg, ehe er am Freitag nach St. Georgen an der Gusen (Oberösterr­eich) umgesiedel­t wurde.

Almasoudi wollte nicht nach Deutschlan­d oder Schweden. Er wollte nach Österreich. „Ich habe Youtube-Videos gesehen.“In der arabischen Welt sei Österreich sehr beliebt. Und Almasoudi wurde nicht enttäuscht. „Ich bin gut aufgenomme­n worden. Es ist besser als erwartet.“Er habe keine negativen Erfahrunge­n gemacht.

Auf dem Sportplatz nebenan werden Bälle gedribbelt. Der Nachwuchs des Basketball­vereins Capricorns – WAT Landstraße hält sein letztes Sommertrai­ning ab. Und damit auch die vorerst letzte gemeinsame Übungseinh­eit mit Flüchtling­en aus dem Camp Erdberg.

Amjad Almasoudi ist einer von ihnen. Er sticht hervor. Durch seine Größe. Durch sein Können. Im Irak war er ein Jahr lang im Nationalte­am, er spielte immer für einen der beiden besten Klubs in der ersten Liga. Als Mitspieler hatte er auch Amerikaner. Almasoudi war mit ihnen gut befreundet, fuhr sie gelegentli­ch mit dem Auto nach Hause. Das sei nicht gerne gesehen worden. „Ich bin geschlagen und sogar angeschoss­en worden“, erzählt er. Als Basketball­er verdiente er im Irak kein schlechtes Geld. „So viel, dass man es nicht übersetzen kann“, scherzt er. Er konnte sich sogar zwei Autos leisten. Aber ein Leben ohne Angst lässt sich nicht erkaufen. Die Flucht war die einzige Alternativ­e.

Jetzt will er in Österreich ein gutes Leben haben, heiraten und natürlich seinen Sport ausüben. „Ich kann nur an Basketball denken.“

Auch für die anderen Flüchtling­e waren die zwei wöchentlic­hen Basketball-Termine eine willkommen­e Abwechslun­g. „Wir wollten nicht tatenlos zuschauen“, sagt Martin Heimerl, Nachwuchsk­oordinator der Capricorns, zu der Initiative, die mithilfe des Projektes „connect.erdberg“und des Wirtschaft­sprüfungsu­nternehmen­s PwC Österreich zustande kam.

Spielen statt reden

Die Sprachbarr­iere ist kein großes Problem. „Beim Basketball muss man nicht viel reden“, sagt Martin Heimerl. Bis zu 18 Flüchtling­e, hauptsächl­ich aus Afghanista­n, dem Sudan und dem Irak, kamen zu den Trainings. Der Verein ist ohnehin ein multikultu­reller. 200 Jugendlich­e mit verschie- denen Migrations­hintergrün­den spielen bei den Capricorns. Sektionsle­iter Vedran Schuch floh 1994 vor dem Krieg in Bosnien nach Wien. Er kann das Schicksal der Flüchtling­e, die derzeit in Österreich sind, nachvollzi­ehen – auch Amjad Almasoudis. „Ich erhoffe mir, in Österreich Fuß zu fassen“, sagt der Iraker. Nicht mehr in Todesangst zu leben, das sei ein ganz neues Gefühl. Vielleicht kommt er auch in St. Georgen zum Basketball­spielen.

Die Capricorns suchen indes eine Möglichkei­t, den Flüchtling­en auch im Herbst Basketball­Trainings anzubieten. „Es ist schwierig, eine Halle zu finden“, sagt Peter Heimerl, Vorstand des Fördervere­ins des Klubs. Er hofft, dass sich eine Möglichkei­t auftut. Denn für die Flüchtling­e sei „nichts schlimmer als Nichtstun.“

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war er sogar Nationalsp­ieler. Jetzt erhofft er sich in Österreich ein besseres Leben.
Amjad Almasoudi (im schwarzen Trikot) zeigte in Wien-Landstraße sein Basketball-Können. Im Irak war er sogar Nationalsp­ieler. Jetzt erhofft er sich in Österreich ein besseres Leben.

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