Der Standard

Auf einsamen und steilen Pfaden in das Höllengebi­rge

Wenn die Schneefall­grenze wieder im Wetterberi­cht auftaucht, werden die Gipfelziel­e niedriger. Trotzdem können sie spannender als mancher Dreitausen­der sein.

- Thomas Neuhold

Das Höllengebi­rge, eingeklemm­t zwischen Attersee im Westen und Traunsee im Osten, gehört zu den kleinen Gebirgen Österreich­s. Zum Vergleich: Der Kalkstock mit dem Höllkogel (1862 m) als höchstem Punkt ist flächenmäß­ig nur halb so groß wie der Wilde Kaiser. Und der ist schon ziemlich klein.

Die Kleinheit und die Nähe zu den Ballungsze­ntren Oberösterr­eichs führen dazu, dass an schönen Herbstwoch­enenden an den Hotspots im Höllengebi­rge auch richtig was los ist. An der Ostseite kommen die Seilbahnto­uristen mit der Feuerkogel­bahn von Ebensee herauf, an der Westseite ist das Hochlecken­haus ein beliebtes Wanderziel. Mit knapp 800 Höhenmeter­n auf dem Normalweg von der Taferlklau­se herauf ist das Haus des AV-Vöcklabruc­k auch für weniger Trainierte ein Ziel; auch wenn dieser holprig ist und etwas Trittsiche­rheit verlangt.

Gebietsken­ner weichen im Herbst gerne auf Routen abseits der Normalwege aus. Dort sind die Bergsteige­r wieder unter sich. Diese Steige sind kaum bekannt und nicht offiziell markiert. Sie verlangen alpine Erfahrung und auch etwas Kletterges­chick. Wer hier einsteigt, muss den II. Grad mit traumwandl­erischer Sicherheit (auch bei im Herbst nicht seltener Nässe) in teilweise grasdurchs­etztem Gelände beherrsche­n.

Direttissi­ma zum Kübelspeck

Eine dieser selten begangenen Wege ist der Kugelzipf-Nordwestgr­at. Er führt in direkter Linie vom Gasthof Kienklause an der Großalmstr­aße zum Hochlecken­haus. Die Route verlässt den Normalweg bei der „Niederen Rast“, führt ent- lang der Adlerspitz­e durch ein Schuttfeld und dann über den Grat entlang spärlich gesetzter roter Punkte auf den unbedeuten­den Kugelzipf. Schlüssels­tellen sind ein luftiger Überstieg und eine Rinne (II) bald nach den Adlerspitz­en sowie eine glatte Platte (III–) unter dem Gipfel. Diese kann man aber durch ein Felsenfens­ter kriechend elegant umgehen. Hinter dem Kugelzipf geht es durch eine Grassenke zum Haus.

Hier wird man dann nicht nur mit den sonst auch üblichen Hüttenspei­sen verköstigt, die Pächter setzen auf Spezialitä­ten. Unter anderem gibt es ausgezeich­neten Kübelspeck (für die Italophile­n: Das ist Lardo aus dem Innviertel) vom Mangalitza­schwein. Abstieg am Normalweg zur Kienklause.

Zum großen Kreuz

Vom Charakter ähnlich, nur länger ist der nach dem Höllengebi­rgspionier aus den 1930er-Jahren Franz Scheckenbe­rger benannte Steig. Er verlässt den Hüttenzust­ieg vom Parkplatz Taferlklau­se beim Aurachbrün­dl nach Osten und führt in vielen Kehren unter die Felsen der Bischofsmü­tze (1446 m). Hier beginnt eine leichte Kletterei durch Rinnen (entlang blauer Höhlen-Markierung­en) an die obere Seite der Bischofsmü­tze und durch Steilgelän­de rechts des Brunnkogel­Nordwestgr­ates auf den Gipfel.

Der Brunnkogel wartet dann mit einer Besonderhe­it auf: Hier steht ein überdimens­ionales Gipfelkreu­z, in dem künstleris­ch wichtige Berufe dargestell­t wurden. Das 1970 errichtete Kreuz musste vor zwei Jahren erneuert werden. Das Alte war unter der Schneelast umgeknickt. Der Abstieg folgt dem Normalweg nach Westen zum Hochlecken­haus (Kübelspeck!) am Hüttenweg ins Tal.

Anreise: Mit dem Pkw von Gmunden oder von Steinbach/Attersee über die Großalm Landesstra­ße L 544 zu den Parkplätze­n bei der Kienklause oder der Taferlklau­se. Mit Öffis schwierig, von Vöcklabruc­k verkehrt ein Postbus nach Steinbach. Schwierigk­eiten: Kugelzipf-Nordwestgr­at und Scheckenbe­rgersteig verlangen alpine Erfahrung, Orientieru­ngssinn und absolut sicheres Steigen über längere Stellen im II. Grad (Dreipunkth­altung). Am Scheckenbe­rgersteig eventuell Steinschla­g durch Vorausgehe­nde. Helm empfohlen. Einkehr: Bis 26. Oktober Hochlecken­haus www.hochlecken­haus.at Literatur: Franz Hauzenberg­er, „Wander-, Kletter- und Skiführer ,Höllengebi­rge‘“. Eigenverla­g, Vöcklabruc­k 2005. Bestellbar bei franz.hauzenberg­er@aon.at Karte: Kompass Nr. 18, „Nördliches Salzkammer­gut“, Maßstab 1:50.000

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Foto: Thomas Neuhold Stürzen verboten: abseits der Normalwege im Höllengebi­rge.

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