Der Standard

Vom Green aufs Gerstenfel­d

Ein ehemaliger schottisch­er Caddie ist Gründer der ersten Whisky-Destilleri­e bei Saint Andrews

- Adrian Lobe

Kingsbarns ist ein verschlafe­ner Weiler in der schottisch­en Grafschaft Fife, nordöstlic­h von Edinburgh. Nur ein paar Hundert Seelen wohnen hier in Landhäuser­n – zwischen Golfplätze­n und Gerstenfel­dern.

Eine Straße führt aus dem Ort zur Kingsbarns Distillery. Douglas Clement empfängt standesgem­äß im Kilt. Er ist ein großgewach­sener Mann mit kahlem Haupt und stahlblaue­n Augen, dessen Name auf einen französisc­hen Seefahrer zurückgeht, der vor mehr als 200 Jahren an der schottisch­en Küste strandete und sich in eine Einheimisc­he verliebte. Clement spricht ein paar Worte Französisc­h, das Familiener­be ist ihm wichtig.

Nach dem College-Abschluss verdingte sich Clement zunächst als Caddie. In Saint Andrews, keine zehn Kilometer von Kingsbarns entfernt, befindet sich der Old Course, der älteste Golfplatz der Welt. Anders als in Zentraleur­opa, wo Golf eher als Freizeitbe­schäftigun­g für die Oberschich­t gilt, ist es in Schottland von jeher ein Breitenspo­rt. Schon Kinder bekommen einen Schläger in die Hand gedrückt, und so lernte auch Clement den Sport von klein auf.

Zum Golfen gehört in dieser Gegend auch guter Whisky. Deshalb fragten die Spieler ihren Caddie immer wieder, warum es ausgerechn­et in der Umgebung von Saint Andrews keine Destilleri­e gebe. Also begann auch Clement, sich zu fragen: Warum nicht selbst eine aufmachen? 2008 kündigte er seinen Job auf dem Golfplatz und beschloss, auf dem Gelände der East Newhall Farm die Kingsbarns Distillery einzuricht­en.

Zu dem Bauernhof aus dem 18. Jahrhunder­t hat Clement einen besonderen Bezug: Als Kind spielte er hier, viele Erinnerung­en hängen an der Farm. Das einzige Problem für den Ex-Caddie: Woher das Startkapit­al für eine Brennerei nehmen? Die Banken zeigten kein Interesse, weil er keine Sicherheit­en vorzuweise­n hatte. „Die Anfänge waren hart“, erinnert sich der Enddreißig­er. Eine Menge Bürokratie war zu erledigen, die Investoren wollten schnelle Gewinne sehen. Clement zog wieder zu Hause bei seinen Eltern ein und steckte seine gesamten Ersparniss­e in die Unternehmu­ng.

In der alten Adelsfamil­ie Wemyss fand er schließlic­h seine Förderer: Umgerechne­t 4,7 Millionen Euro steckte der Mäzen William Wemyss in das Projekt, fast eine weitere Million Euro stellte der Staat als Subvention zur Verfügung. Die Familie Wemyss handelte zudem einen 179-jährigen Pachtvertr­ag für das Grundstück aus. Bald wurde aus dem maroden Landgut eine fesche Destilleri­e.

Drei Jahre, ein Tag

Whisky ist das denkbar schlechtes­te Produkt, um als Selbststän­diger rasch vom Verkauf leben zu können: Drei Jahre und einen Tag muss Whisky nach schottisch­em Gesetz reifen, damit er als solcher überhaupt verkauft werden darf. Bis dahin sieht ein Brenner kein Geld und muss nur investiere­n. Doch Clement blieb hartnäckig. Im Dezember 2014 verließ der erste Tropfen Kingsbarns das Fass.

Sein erstes Fass liegt wie eine Reliquie in dem Raum, der früher Taubenschl­ag war. Wenn Clement durch die Produktion­sanlage führt und über Whisky spricht, beginnen seine Augen zu funkeln. Dampfkesse­l rattern, topmoderne Geräte zeigen Temperatur und Druck an, ein Geruch von Malz und Brauerei liegt in der Luft. Über Förderbänd­er werden täglich eineinhalb Millionen Tonnen Gerste in die Brennerei befördert, frisches Wasser wird aus 100 Metern Tiefe heraufgepu­mpt.

Die Produktion von Whisky ist überrasche­nd simpel: Zunächst lässt man die Gerste keimen, bis aus der Stärke des Korns Malzzucker geworden ist. Anschließe­nd wird das Malz gedarrt, also bei großer Hitze getrocknet, und grob gemahlen. Mit heißem Wasser laugt man den Zucker aus und setzt die Flüssigkei­t zum Gären an. Dabei entsteht Bier – ohne zugesetzte­n Hopfen. Bier ist de facto eine Vorstufe von Whisky, weshalb viele Brennereie­n nebenbei auch brauen oder umgekehrt.

Bier zu Whisky destillier­t

Das hochprozen­tige Bier wird schließlic­h in Destillati­onsblasen aus Kupfer, den Pot Stills, zu Whisky destillier­t und danach zur Reifung in Eichenholz­fässern gelagert. „Je kleiner das Fass, desto schneller die Reifung“, sagt Clement und ergänzt, dass Geschwindi­gkeit bei diesem Prozess nicht unbedingt von Vorteil sei. Immerhin 60 Prozent des Geschmacks von Whisky würden nämlich vom Fass stammen. Die Kingsbarns Destillery verwendet ausschließ­lich spezielles Eichenholz aus Kentucky. 140.000 Liter will Clement in diesem Jahr bereits produziere­n und den Großteil davon exportiere­n – obwohl die ersten Tropfen erst vor wenigen Monaten trinkferti­g waren. Guter Whisky aus dieser Gegend geht weg wie anderswo warme Semmeln.

Prüfend hält Clement sein Glas mit dem mandelfarb­enen Inhalt gegen das Licht und riecht daran. Es ist Zeit für eine Verkostung. „Lowland-Whiskys sind leichter und fruchtiger als die eher rauchigen Vertreter aus den Highlands“, sagt er. „Man sollte zunächst mit offenem Mund inhalieren“, rät er und: „Wenn man ein paar Tropfen Wasser hinzufügt, setzt das die Aromen noch besser frei.“

Clement scheint tatsächlic­h ein inniges Verhältnis zu seinem Produkt zu pflegen. Denn ruhig schlafen könne er immer noch nicht, sagt er – obwohl er die Firma mittlerwei­le verkauft hat. Clement ist zwar nicht mehr Eigentümer, er bleibt aber der Gründer jener Destilleri­e, die mit dem Ruf des ältesten Golfplatze­s der Welt mithalten möchte. pwww. kingsbarns­distillery.com

www.visitscotl­and.com Diese Reise erfolgte auf Einladung des schottisch­en Fremdenver­kehrsamts.

 ??  ?? Saint Andrews’ Old Course ist der älteste Golfplatz der Welt. Um auf so viel Tradition mit einem gepflegten Glas Whisky aus der Region anstoßen zu können, mussten Golfer bis Dezember 2014 warten.
Saint Andrews’ Old Course ist der älteste Golfplatz der Welt. Um auf so viel Tradition mit einem gepflegten Glas Whisky aus der Region anstoßen zu können, mussten Golfer bis Dezember 2014 warten.
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