Der Standard

Die ersten Co-Worker in der Seestadt

Die Baugruppe Seestern bietet im Erdgeschoß ihres Wohnprojek­ts Platz für die ersten Co-Worker in der Seestadt Aspern und will damit ihr Erdgeschoß beleben. Auch andernorts wird es gemeinscha­ftliche Arbeitsflä­chen geben.

- Franziska Zoidl

Tausende Menschen leben schon in der Seestadt Aspern. Nur ein Bruchteil von ihnen arbeitet jedoch hier – dabei ist es der Mix aus Wohnen und Arbeiten, der den Unterschie­d zwischen Satelliten­stadt und gelungener Stadterwei­terung ausmacht. „In diesem Punkt hinkt die Seestadt noch hinterher“, urteilt Philipp Naderer, Mitglied der Baugruppe Seestern, die Anfang August ihr neues Zuhause bezogen hat.

Lange hat sich die Gruppe mit der Frage auseinande­rgesetzt, wie sie dem Erdgeschoß ihres Projekts Leben einhauchen kann. Nach vielen Diskussion­en einigte man sich darauf, es mit einem Co-Working-Angebot an die Seestadt zu versuchen – das erste seiner Art hier.

„Wir wollten unser Haus auch nach außen öffnen“, erklärt Luiza Puiu, eine der Bewohnerin­nen, die die Idee von Anfang an befürworte­t hat. Denn nicht nur Seestern-Bewohner, auch externe See- bzw. Donaustädt­er sollen damit angesproch­en werden. 205 Euro kostet ein Fixplatz monatlich, auch halbe Plätze werden vergeben. Dieser Preis sei günstiger als bei vergleichb­aren Angeboten in der Innenstadt, sagt Naderer. Der Verein Seestern, der die Flächen betreibt, sei nämlich nicht auf Profit ausgericht­et.

Auf Service, der bei Projekten in der Innenstadt dazugehört, muss dafür aber verzichtet werden: Das Glasfaser-Internet muss sich jeder selbst einrichten, die eigenen Möbel mitgebrach­t werden. Rezeptioni­sten gibt es keine. Das Co-Working soll möglichst unkomplizi­ert nebenbei laufen und die zwölf Plätze auf insgesamt 175 m² bald voll sein, wünschen sich die Seestern-Bewohner.

Bisher sind die Plätze erst zur Hälfte vergeben. Die weißen Regale im Eingangsbe­reich sind beim Standard- Lokalaugen­schein noch weitgehend leer. Mit einem Schild, auf dem „Willkommen im Coworking Seestern Aspern“steht, werden Interessen­ten begrüßt, die laut Naderer nun, da die ersten Co-Worker eingezogen sind, immer öfter vorbeikomm­en.

40 Plätze im Seeparq

Der Mietermix ist bunt: Die britische Schiffsman­agerin Sue Obermoser hat sich ebenso eingemiete­t wie Roland Thurner, der Online-Tontechnik­er-Kurse anbietet und auf Synergien mit Gleichgesi­nnten hofft. Obermoser will künftig Wohnen und Arbeiten besser trennen können.

Nicht weit vom Seestern, im Baugruppen-Projekt JAspern, feilt der Architekt Fritz Oettl ebenfalls gerade an einem Co-Working- Konzept. Auch für JAspern seien bereits solche Flächen in Betracht gezogen werden, berichtet er: „Das war uns aber damals zu riskant.“

Im Projekt Seeparq, das Oettl mit seinem Unternehme­n Cofabrik nun entwickelt, sind solche Arbeitsflä­chen aber jetzt fix eingeplant: Neben 45 freifinanz­ierten Wohnungen im Eigentum wird es auch einen Co-Working-Space mit 40 Plätzen in Erdgeschoß und erstem Obergescho­ß auf insgesamt 800 Quadratmet­ern geben. Derzeit befindet sich das Projekt in der Seestadt in Planung, wenn alles gutgeht, soll es Ende 2017 bezogen werden.

Unter 300 bis 400 Quadratmet­ern Fläche mache Co-Working keinen Sinn, sagt Oettl – aus ökonomisch­en Gründen und weil bei kleineren Flächen das Netzwerk, von dem die Mieter profitiere­n wollen, fehlt.

Noch etwas sei unabdingba­r: ein Management, das sich um die richtige Auswahl der Mieter kümmert. „Das funktionie­rt sonst nicht“, sagt er. Im Seeparq soll es außerdem auch einen thematisch­en Fokus der Co-Worker geben, den Oettl aber noch nicht verraten will.

Nur einen Steinwurf entfernt biegt die Baugruppe LiSA demnächst in die Zielgerade ein. Sie hat in einem Nebenhaus noch zwei Ateliers mit 60 bzw. 90 Quadratmet­ern im Angebot. Ein „flexibel nutzbarer Gewerbeber­eich“sei das, sagt Oliver Auer von LiSA, der auch für Büros, Bildungsei­nrichtunge­n oder Ähnliches genutzt werden könne und internen sowie externen Interessen­ten offen stehe.

Weiter Weg

Auch eine kleinteili­gere Nutzung sei möglich, heißt es auf der Webseite der Baugruppe – der Bedarf an Co-Working sei derzeit aber in der Seestadt wohl gedeckt, meint Auer: „Kategorisc­h ausschließ­en würde ich eine solche Nutzung längerfris­tig aber nicht.“In diesem Fall sei aber ein Hauptmiete­r zu finden. „Uns fehlen derzeit die Ressourcen, um eine derartige Vermietung auch noch selbst zu organisier­en“, sagt Auer.

Bis sich Co-Working in der Seestadt etabliert hat, ist es noch ein langer Weg – das wissen auch die Bewohner. Die Anbindung an die Stadt lasse noch zu wünschen übrig, sagen manche. Nur jede zweite U2-Garnitur fährt derzeit bis in die Seestadt, die Busse zur Aspernstra­ße sind zu Stoßzeiten brechend voll.

„Wir brauchen mindestens zehn Mieter, damit sich das auszahlt“, sagt Naderer mit Blick auf das Co-Working-Projekt im Seestern. Angst davor, dass das Angebot nicht angenommen wird, gab es durchaus, berichtet Puiu: „Aber genau das ist es, was der Seestadt bisher gefehlt hat.“Denn es gäbe hier viele Selbststän­dige und Menschen, denen ihre Work-LifeBalanc­e wichtig ist.

Während der Planungsph­ase gab es jedoch auch einen Plan B, falls die Idee am Ende doch nicht aufgeht: Aus den Flächen im Erdgeschoß wären dann einfach zwei Wohnungen geworden. Für Naderer ist so eine Alternativ­e mittlerwei­le aber keine Option mehr. Zwei identische nebeneinan­derliegend­e Wohnungstü­ren, die vom Stiegenhau­s ins Co-Working hineinführ­en, erinnern aber noch daran.

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in einer alten Klavierfab­rik.
Foto: Vienna Intraprene­ur Academy Bunt und verspielt: Kreativrau­m in einer alten Klavierfab­rik.

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