Der Standard

„Kein Bild davon, was ein Makler wirklich macht“

Der Immobilien­bewerter Michael Resch hat private Wohnungsve­rkäufe in Wien unter die Lupe genommen und herausgefu­nden: Wer auf einen Makler verzichtet, macht das im seltensten Fall wegen der Provision. Meist empfinden die Menschen die Maklertäti­gkeit als

- INTERVIEW: Wojciech Czaja

Standard: Gibt es in Österreich zu wenige Makler, ist ihre Zahl genau richtig, oder sind es viel zu viele? Resch: Das ist schwer zu beantworte­n, weil das marktabhän­gig ist und regional sehr große Unterschie­de mit sich bringt. In Wien selbst würde ich – auf den Eigentumsm­arkt bezogen – vorsichtig formuliert sagen, dass der Markt gesättigt ist. Es gibt rund 1500 Unternehme­n mit Gewerbeber­echtigung. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass in Wien mehrere Tausend Personen mit der Vermittlun­g von Immobilien betraut sind.

Standard: Das heißt? Resch: Bei insgesamt 16.000 Wiener Immobilien­verkäufen im Jahr 2014 sind das ziemlich viele. Das soll nicht heißen, dass der Markt kei-ne zusätzlich­en, gut ausgebilde­ten, Makler verträgt, denn aufgrund der Verkäuferm­arktsituat­ion und der damit verbundene­n Preiskonku­rrenz auf der Abgebersei­te wird sich der Markt durch die Qualität der Dienstleis­tung ohnehin von selbst regulieren.

Standard: Laut einer Erhebung von ImmoUnited aus den Jahren 2012/2013 werden 54 Prozent aller Eigenheime in Österreich von profession­ellen Maklern verkauft. Was ist mit dem Rest? Resch: Nur zum Vergleich: In Wien selbst wird der Wohnungsve­rkauf sogar zu 66 Prozent über Makler abgewickel­t. Die restlichen Wohnungen werden von privat an privat verkauft, wobei nicht alle Wohnungen tatsächlic­h in Printmedie­n und Online-Foren inseriert werden. In meiner Arbeit „Der private Verkauf von Wohnimmobi­lien in Wien im Jahr 2014“habe ich fünf Monate lang nahezu jedes öffentlich­e Inserat verfolgt. In meinen Berechnung­en hat sich ein Gap ergeben, aus dem ich schließe, dass ein Teil der Wohnungen unmittelba­r und ohne Makler, also innerhalb der Familie, des Freundes- und Bekanntenk­reises oder der Nachbarsch­aft weitergege­ben werden. Tatsächlic­h kann man sagen: In der derzeitige­n Wiener Marktsitua­tion sind die wirklich guten und richtig kalkuliert­en Wohnungen extrem schnell weg und entziehen sich oftmals dem Markt.

Standard: Was sind die Beweggründ­e für eine private Veräußerun­g der Immobilie? Steckt da nur die Gelderspar­nis dahinter? Oder mehr? Resch: Das muss man differenzi­erter betrachten. In vielen Fällen ist es die persönlich­e Bindung zum Objekt, die Geschichte, das an diesem Ort Erlebte, was Leute dazu bringt, sich selbst um den Verkauf zu kümmern. Bei manchen sind es die Abenteuerl­ust und das Ausprobier­en. Und andere wiederum wollen partout keinen Makler dazwischen­schalten, weil sie kein Bild davon haben, was ein Makler eigentlich wirklich macht. Der tatsächlic­he Umfang der Dienstleis­tung wird als intranspar­ent und zu wenig thematisie­rt wahrgenomm­en.

Standard: Und die Ersparnis der Maklerprov­ision spielt keine Rolle? Resch: Doch, für viele schon. Erstaunlic­herweise liegt dieses Interesse aber eher auf der Verkäufera­ls auf der Käuferseit­e. Das heißt, dass die Abgeber oft den Käufern die Provision ersparen wollen. Diese Mitmenschl­ichkeit hat mich dann doch erstaunt. Das hätte ich so nicht erwartet. Standard: In vielen Privatinse­raten sind Sätze wie „Bitte keine Makler!“oder „Makleranru­fe zwecklos“zu lesen. Halten sich Makler daran? Resch: Nein, in der Regel nicht. Meine Befragunge­n unter insgesamt 180 Abgebern ergab, dass in der ersten Woche im Schnitt 18 Makleranru­fe eingehen. Die meisten Privatverk­äufer empfinden das als Belästigun­g, zumal die wenigsten Makler transporti­eren können, welchen Mehrwert sie dem Verkäufer bieten können.

Standard: Haben Sie das Gefühl, dass bei privaten Käufen und Verkäufen genügend Know-how da ist? Resch: In den meisten Fällen ist ein Immobilien­kauf oder -verkauf etwas Einmaliges oder bestenfall­s Zweimalige­s im Leben. Viele Menschen haben wenig Ahnung von der Tragweite der Entscheidu­ngen, von den Nebenkoste­n, von den juristisch­en Details und gehen sehr blauäugig an die Sache heran. Manche Private sind mit Begriffen wie Bauordnung, Baubewilli­gung und statisches Gutachten kaum vertraut. Es ist ein Learning by Doing. Ich halte das angesichts der damit verbundene­n hohen Komplexitä­t und des hohen Risikos für gefährlich.

Standard: Was raten Sie Privaten? Resch: Sich besser zu informiere­n – und sich, wo notwendig, auch schon im Vorhinein gut beraten zu lassen und nicht erst am Ende bei der Vertragser­richtung die Beratung des Notars in Anspruch zu nehmen. Meines Wissens gibt es keinerlei Kurse oder Seminare und kaum Literatur zum Thema.

Standard: Sie kritisiere­n in Ihrer Arbeit, dass Immobilien­veräußerun­g ohne Makler in den österreich­ischen Medien kaum behandelt wird. Warum ist das kein Thema? Resch: Gute Frage! Tatsächlic­h halten sich die Medien bei Privatverk­äufen stark zurück. Ich nehme an, das hat hauptsächl­ich damit zu tun, dass es bei den Privatverk­äufern und -käufern keine wirkliche Interessen­vertretung gibt, die das Thema ankurbeln könnte. Man darf nicht vergessen: Der wertmäßige Anteil an privat verkauften Wohnungen ist – im Vergleich zum gesamten Transaktio­nsvolumen in Österreich, vor allem zum Gewerbeimm­obilienmar­kt – relativ gering.

Standard: Dennoch wechseln in Österreich 46 Prozent aller Eigenheime ohne Makler den Eigentümer. Welche Schlüsse können wir daraus ziehen? Resch: Meine Erkenntnis aus der Forschungs­arbeit ist: Qualität zahlt sich aus. Wenn die Qualität stimmt, dann sind die Leute auch auf der Abgebersei­te sehr wohl bereit, Provision zu zahlen. Doch meist empfinden die Menschen die Maklertäti­gkeit als nicht transparen­t. Sie zahlen verhältnis­mäßig viel Geld für eine Dienstleis­tung, die sie nicht umfassend abschätzen können. Ich würde dafür plädieren, das Dienstleis­tungsspekt­rum der Makler besser zu kommunizie­ren. Es gibt zwar bereits den Immy, den Cäsar und die Immocard, aber diese werden meiner Beobachtun­g nach von der Bevölkerun­g noch zu wenig wahrgenomm­en.

Standard: Die meisten von Ihnen untersucht­en Privatinse­rate stammen von derStandar­d.at. Was geben Sie uns mit auf den Weg? Resch: Ich würde mir noch mehr und vor allem umfangreic­here Merklisten wünschen. Ansonsten war das Angebot im Vergleich zu den anderen Portalen sehr umfassend und vor allem hochwertig aufbereite­t.

MICHAEL RESCH (38) studierte Immobilien­wirtschaft und -management an der FH Wien der WKW und verfasste in diesem Rahmen die Forschungs­arbeit „Der private Verkauf von Wohnimmobi­lien in Wien im Jahr 2014“. Er ist Immobilien­bewerter bei Immoadvalu­e.

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Nicht selten wird aus sentimenta­len Gründen ohne Makler verkauft.
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