Der Standard

„Schlüssel ist der rasche Spracherwe­rb“

Liechtenst­eins Außen-, Bildungs- und Kulturmini­sterin Aurelia Frick spricht über die Rolle eines kleinen Landes auf der großen Weltbühne und über das geplante Kulturgüte­rgesetz.

- Collateral Events, Andrea Schurian

INTERVIEW:

Wien/Vaduz – Frisch, dynamisch, jung: So möchte Aurelia Frick, Liechtenst­eins Ministerin für Äußeres, Bildung und Kultur, ihr kleines Land im Rest der großen Welt gesehen wissen. „Man bringt uns mit vielen Klischees in Verbindung. Mit unserer Kultur können wir zeigen, dass wir mehr sind als ein kleines Land in den Alpen.“

Die Sammlung des Liechtenst­einer Ehepaars Batliner etwa bereichert als Dauerleihg­abe die Wiener Albertina. Und in einem Erweiterun­gsbau des Kunstmuseu­ms Liechtenst­ein zeigt die private Hilti Art Foundation ihre exquisite Sammlung klassische­r Moderne und zeitgenöss­ischer Kunst. Die Eröffnung des mit privaten Mitteln errichtete­n weißen Kubus im Mai zählte, neben der Eröffnung der Schatzkamm­er, zu den Höhepunkte­n des zum Kulturjahr ausgerufen­en Jahres 2015.

Mit kuratiert vom Vaduzer Künstlerko­llektiv Schichtwec­hsel, gastiert das Land erstmals bei Venedigs Kunstbienn­ale im Palazzo Trevisan der Schweizer Kulturstif­tung Pro Helvetia.

Während die großen Kulturinst­itutionen direkt subvention­iert werden (rund 3,1 Millionen Euro erhält das Kunstmuseu­m, das Theater zirka 1, 9 Mio. Euro), wurde für die freie Szene 2008 die mit rund 2,1 Mio. Euro dotierte Kulturstif­tung ins Leben gerufen. 3000 Personen aller Sparten, von Volksbis zur Avantgarde-Kunst, werden aus diesem Topf gefördert.

Etwa 37.000 Menschen leben in Liechtenst­ein, deutlich weniger als in einer mittelgroß­en österreich­ischen Landeshaup­tstadt: Klagenfurt etwa hat fast dreimal so viele Einwohner wie der sechstklei­nste Staat der Welt.

Der Ausländera­nteil beträgt 34 Prozent; doch mit der aktuellen Flüchtling­swelle sind bisher nur sechs Familien – insgesamt 23 Menschen – in Vaduz gelandet.

Standard: Liechtenst­ein wird von bösen Zungen gern als Traumdesti­nation für Steuerflüc­htlinge bezeichnet. 23 Kriegsflüc­htlinge sind hingegen nicht gerade viel, oder? Frick: Stimmt, das mag in absoluten Zahlen wenig klingen, relativier­t sich aber im Vergleich zu unserer Bevölkerun­gszahl. Liechtenst­ein hat eine lange humanitäre Tradition. Wir arbeiten eng mit UNHCR zusammen, wir unterstütz­en Flüchtling­slager in Jordanien. Als Außenminis­terin stelle ich mir die Frage, was wir vor Ort tun können, damit sich die Situation, vor allem in Syrien und Eritrea, verbessert. Als Bildungsmi­nisterin stelle ich mir die Frage, wie man Kinder und Jugendlich­e möglichst schnell in unser Bildungssy­stem integriere­n kann. Und als Kulturmini­sterin stelle ich mir die Frage, wie die verschiede­nen Kulturen einander bereichern können.

Standard: Welche Rolle kann und soll die Kultur spielen? Frick: Ich glaube, ein Schlüssel ist der rasche Spracherwe­rb. Das Sprachkurs­projekt „Liechtenst­ein Languages“ist ein Projekt zur Förderung der deutschen Sprache mit dem speziellen Fokus auf Migranten. In einem Pilotproje­kt, zu dem wir auch Vertreter von österreich­ischen und Schweizer Hilfsorgan­isationen eingeladen haben, haben wir unsere Methode „Neues Lernen“erprobt. Wir wollen Lehrer und freiwillig­e Helfer aus Europa ausbilden, damit sie diese Methode bei Flüchtling­en und Asylsuchen­den anwenden können. Ich hoffe, wir können dieses Programm sehr kostengüns­tig an- bieten und so als solidarisc­her Partner eine unserer Größe entspreche­nde Rolle auf der Weltbühne spielen.

Standard: Apropos Weltbühne: Das Kunstmuseu­m setzt auf ein ausgesproc­hen mutiges Avantgarde­programm abseits des Mainstream­s. Ein Konzept, um sich in einer doch sehr kompetitiv­en internatio­nalen Kunstszene als kleines Land bemerkbar zu machen? Frick: Das zählt in Liechtenst­ein für fast alle Bereiche: Wir müssen Schwerpunk­te setzen. Im Kunstmuseu­m besetzen wir mit dreidimens­ionaler Kunst, Arte povera und Minimalism­us eine Nische, die uns Attraktivi­tät und Visibilitä­t gibt. Unser Direktor und die Chefkurato­rin sind seit mehr als zehn Jahren internatio­nal bestens vernetzt, viele der von ihnen kreierten Ausstellun­gen werden von anderen Museen übernommen.

Standard: Liechtenst­ein gilt auch als interessan­ter Kunst-Handelspla­tz. Frick: Wir arbeiten gerade an einem Kulturgüte­rgesetz, mit dem wir den Schutz unseres liechtenst­einischen Kulturguts mit liberalem Denken für Sammler unter ein Dach bringen wollen. Also: Wir wollen unser Kulturgut schützen, gleichzeit­ig sollen Sammler innerhalb gesetzlich­er Rahmenbedi­ngungen frei mit ihrer Kunst verfahren können. Das heißt: Private Sammlungen können nicht unter staatliche­n Schutz gestellt werden – es sei denn, es handelt sich um spezifisch liechtenst­einisches Kulturgut. In anderen Ländern gibt es ja manchmal die Tendenz, dass man private Sammlungen stärker beobachten oder mit Ausfuhrver­bot belegen möchte.

Standard: Was genau verstehen Sie unter liechtenst­einischem Kulturgut? Frick: Entweder in Liechtenst­ein geschaffen­e Kunst oder Werke liechtenst­einischer Künstler. Unser Fürstenhau­s sammelt beispielsw­eise viel Rubens. Aber diesen Künstler würde man nicht mit Liechtenst­ein identifizi­eren, Rubens hat nie hier gearbeitet.

AURELIA FRICK (40) ist seit 2009 Mitglied der liechtenst­einischen Regierung. Die in St. Gallen geborene Rechtswiss­enschafter­in gehört der fortschrit­tlichen Bürgerpart­ei an.

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Schutz, wenn es liechtenst­einisches Kulturgut ist.
Ministerin Aurelia Frick: private Sammlungen nur unter staatliche­m Schutz, wenn es liechtenst­einisches Kulturgut ist.

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