Der Standard

Die Schere im Kopf

- Günther Oswald

Das Signal, das eine Einigung auf ein größeres Arbeitsmar­ktpaket aussenden würde, könnte Rot-Schwarz dringend gebrauchen. Es würde zeigen: Die Koalition arbeitet auch abseits der Flüchtling­sfrage. Es wäre auch ein Beweis dafür, dass beide Seiten bereit sind, über den eigenen Schatten zu springen und für die eigene Klientel unangenehm­e Entscheidu­ngen zu treffen.

Auf SPÖ-Seite wird es sicher massives Grummeln geben, wenn Arbeitslos­en noch längere Anfahrtswe­ge zu offenen Stellen zugemutet werden oder wenn Arbeitstag­e mit zwölf Stunden häufiger vorkommen. Die schwarzen Wirtschaft­svertreter wiederum werden über die Zusatzbela­stung durch den leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoc­he sowie über die diskutiert­en Verschärfu­ngen im Arbeitsrec­ht (Allin-Verträge, Konkurrenz­klauseln) klagen.

Die Frage ist aber, ob jeder Kompromiss, auch wenn er schmerzvol­l ist, gleich ein guter ist – etwa am Beispiel der Kündigungs­abgabe, die künftig beim Abbau von über 60Jährigen auf bis zu 2800 Euro steigen soll. Für den Arbeitgebe­r ist das ein spürbarer Betrag – im Gegensatz zu den bisherigen 118 Euro, die eigentlich nur eine bürokratis­che Schikane sind. Der Lenkungsef­fekt wird sich aber trotzdem in Grenzen halten. Bei einem größeren Personalab­bau wird die Firma jene Mitarbeite­r kündigen, die sie für zu teuer (tendenziel­l ältere) oder für zu unprodukti­v (auch hier sind wohl die Jüngeren im Vorteil) hält. Bei punktuelle­n Kündigunge­n sind über 50-Jährige ohnehin bereits durch die Arbeitsger­ichtsbarke­it besser gestellt.

Umgekehrt kann eine höhere Kündigungs­abgabe aber zu einer zusätzlich­en Schere im Kopf der Arbeitgebe­r werden. Nach dem Motto: „Bei Älteren ist alles teurer und komplizier­ter, die stelle ich erst gar nicht an.“Es besteht also die Gefahr, dass man am Ende das Gegenteil von dem erreicht, was man wollte – nämlich mehr ältere Beschäftig­te.

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