Der Standard

Fluchtgeda­nken

München, Bilder im Kopf und ein Geruch in der Nase. Eine literarisc­he Erfahrung.

- Armin Baumgartne­r

Ich hatte vor einigen Jahren das Vergnügen, aus berufliche­n Gründen in München an einer Veranstalt­ungselektr­onikmesse teilzunehm­en. Mit Vorbedacht hatte ich mein Rückfahrti­cket für den vorletzten Messetag gebucht, trat also vorzeitig meine Heimreise mit dem Zug nach Wien an.

Nachdem ich mich im Hotel noch geduscht und von dort mein Gepäck geholt hatte, begab ich mich zum Münchner Bahnhof. Gegen 22 Uhr dort angekommen, stieg mir am Eingang ein unangenehm­er Geruch in die Nase.

Da sah ich sie schon, die vielen Menschen, die allein oder in Pärchen auf den Bahnsteige­n lagen. Sie trugen fremdartig­e Kleidung, hatten nur das Allernötig­ste bei sich wie etwa Getränke und Handtasche­n und Mobiltelef­one und schliefen ohne Unterlage verstreut auf dem nackten Asphalt, sodass ich zum Teil über sie drüberstei­gen musste, um zu meinem Perron zu gelangen.

Sie verströmte­n einen intensiven Geruch, der vermuten ließ, dass sie sich schon längere Zeit nicht mehr waschen konnten. Ich war unangenehm berührt, wollte nur so schnell wie möglich heim nach Wien. Um selbst mit diesen Bildern im Kopf während der Heimreise auch etwas Schlaf finden zu können, wollte ich mir beim Kiosk nebenan noch Bier besorgen.

Der Verkäufer sagte mir jedoch, er bedauere, aber es dürfe heute ab 22 Uhr im gesamten Bahnhofsge­lände aus Sicherheit­sgründen kein Bier mehr verkauft werden: Es war der Tag des Beginns des Oktoberfes­ts.

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Foto: Daniela Otto Armin Baumgartne­r.
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