Veränderte Staaten
Die Stadt bleibt fast unsichtbar: schwarzweiß, meist aber schwarz, wie Materialien zu einem Film noir. Nirgends steht, um welche Stadt es geht, doch es wird immer deutlicher, je mehr man in die Bilder eintaucht, und schließlich ist auch ein Stück der Brooklyn Bridge zu sehen. Ken Schles, selber aus Brooklyn, hat sie überquert und ist in den 1980er-Jahren in die Lower East Side Manhattans eingetaucht, diesen, wie er sagt, „letzten Vorposten der Boheme vor dem Internet“. war 1988 das erste Buch des damals noch nicht 30-jährigen Fotografen. Es ist eine düstere Dokumentation, in manchen Strecken Nan Goldins gleichzeitigen subjektiven Reportagen ähnlich – eine Welt von klaustrophoben Wohnungen, Hinterhöfen, Graffiti („Altered States of America“), schrillen Partys und verzweifelten Umarmungen. Es erinnert an die besten Arbeiten der Street-Photographers, die das raue, untergründige, grobkörnige Leben suchten und in New York abseits der offiziellen Lichterwelt fündig wurden. Ein Meister dieses Fachs und ein Mentor von Schles ist Robert Frank, und so wie dessen Arbeit hat nun auch die „Unsichtbare Stadt“eine Reedition durch den Perfektionisten Gerhard Steidl erfahren; mit Textpassagen von Lewis Mumford (The Culture of Cities), George Orwell und anderen – weiß auf schwarz, lakonisch und umso beeindruckender. Ken Schles, „Invisible City“. € 35,40 / 80 Seiten. Steidl, Göttingen 2014
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