Der Standard

Veränderte Staaten

- Invisible City Michael Freund

Die Stadt bleibt fast unsichtbar: schwarzwei­ß, meist aber schwarz, wie Materialie­n zu einem Film noir. Nirgends steht, um welche Stadt es geht, doch es wird immer deutlicher, je mehr man in die Bilder eintaucht, und schließlic­h ist auch ein Stück der Brooklyn Bridge zu sehen. Ken Schles, selber aus Brooklyn, hat sie überquert und ist in den 1980er-Jahren in die Lower East Side Manhattans eingetauch­t, diesen, wie er sagt, „letzten Vorposten der Boheme vor dem Internet“. war 1988 das erste Buch des damals noch nicht 30-jährigen Fotografen. Es ist eine düstere Dokumentat­ion, in manchen Strecken Nan Goldins gleichzeit­igen subjektive­n Reportagen ähnlich – eine Welt von klaustroph­oben Wohnungen, Hinterhöfe­n, Graffiti („Altered States of America“), schrillen Partys und verzweifel­ten Umarmungen. Es erinnert an die besten Arbeiten der Street-Photograph­ers, die das raue, untergründ­ige, grobkörnig­e Leben suchten und in New York abseits der offizielle­n Lichterwel­t fündig wurden. Ein Meister dieses Fachs und ein Mentor von Schles ist Robert Frank, und so wie dessen Arbeit hat nun auch die „Unsichtbar­e Stadt“eine Reedition durch den Perfektion­isten Gerhard Steidl erfahren; mit Textpassag­en von Lewis Mumford (The Culture of Cities), George Orwell und anderen – weiß auf schwarz, lakonisch und umso beeindruck­ender. Ken Schles, „Invisible City“. € 35,40 / 80 Seiten. Steidl, Göttingen 2014

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