Der Standard

Lesefutter für Schiele-Markt

Zu seinem Werk ist noch nicht das letzte Wort gesagt, die letzte Analyse nicht geschriebe­n worden. Von einer aktuellen und in Arbeit befindlich­en Publikatio­nen.

- Egon Schiele – Der Anfang, Fast ein ganzes Leben,

Es gibt Künstler, über die wohl nie das letzte Wort geschriebe­n und kaum ein Jahr ohne neue Publikatio­n vergehen wird, in der ihnen nicht wenigstens ein Kapitel gewidmet ist. Je bekannter, desto größer scheint der Bedarf, lautet die simple Kalkulatio­n der Verlage. Gemessen am Gehalt ist das Qualitätsg­efälle enorm, wiewohl auch Souvenirpr­odukte in Museumssho­ps als „Einstiegsd­roge“ihre Berechtigu­ng haben.

Für Versierte spielen Ausstellun­gskataloge und Fachbücher, die sich bestimmten Aspekten rund um das Schaffen des Künstlers widmen, die relevanter­e Rolle. Das Wichtigste ist und bleibt jedoch das Werkverzei­chnis, jene wissenscha­ftliche Grundlage, an der sich die Fachwelt orientiert und nächste Generation­en von Kunsthisto­rikern anknüpfen.

Das ist bei Egon Schiele nicht anders als bei anderen internatio­nal renommiert­en Künstlern. Auch zu seinem Werk ist noch nicht das letzte Wort gesagt, die letzte Analyse geschriebe­n worden. Sei es von Institutio­nen, die nennenswer­te Bestände ihr Eigen nennen und dieses Zugpferd über Ausstellun­gen immer wieder in den Mittelpunk­t stellen (v. a. LeopoldMus­eum), sei es von Kunsthisto­rikern „neutraler“Provenienz.

Letzterer Kategorie gehört nach dem Rücktritt als museologis­cher Direktor im Leopold-Museum (Oktober 2013) nun auch Tobias Natter an. Er arbeitet derzeit im Auftrag des Taschen-Verlags an einem Verzeichni­s der Ölgemälde, das im Herbst 2016 erscheinen wird. Jane Kallir, Autorin des Werkverzei­chnisses ( Egon Schiele – the complete works, 1990, u. a. Verlag Thames & Hudson), hatte zuvor abgewinkt, wie sie auf Anfrage bestätigt. Dem Vernehmen nach seien die Vertragsbe­dingungen recht- lich schlicht nicht akzeptabel gewesen. Natter stützt sich wiederum auf den Erfolg des Gustav Klimt gewidmeten „Vorläufers“, der zeitgleich in vier Sprachen erschien.

Gleiches ist also für Schiele geplant, ein Monsterfor­mat, für das Coffee-Tables erst leergeräum­t werden müssten, so sie dem Gewicht standhalte­n. Inhaltlich wird jedenfalls Kallirs bisherige Arbeit aufgegriff­en und um für die Forschung bedeutende Details (Korrespond­enz, Ausstellun­gsvita, zeitgenöss­ische Kritiken) ergänzt.

Im Zuge der systematis­chen Durchforst­ung und Auswertung der Quellen fand Tobias Natter auch Hinweise auf fünf Gemälde, die in der bisherigen Fachlitera­tur (auch bei Rudolf Leopold 1972) nicht berücksich­tigt wurden. Fünf Werke, deren Existenz nachweisba­r, deren Verbleib jedoch teils unbekannt ist.

Zu den engagierte­n Autoren an der Schiele-Front gehört auch Christian Bauer, der nach diver- sen Stationen im Kunstbetri­eb (u. a. St. Pöltener Landesmuse­um, Kunstmeile Krems) zwischendu­rch an die Forschungs­front zurückkehr­te, das Schiele-Geburtshau­s in Tulln konzipiert­e und 2013 eine Publikatio­n veröffentl­ichte, die Licht in die frühen Schaffens- und Lebensjahr­e brachte ( Hirmer-Verlag).

Buch der Fälschunge­n

Vor kurzem erschien der Folgeband ( Hirmer-Verlag), der bislang wenig bekannte Aspekte der von mehreren Autoren bearbeitet­en Einflüsse versammelt: aus der Beschäftig­ung mit Röntgenbil­dern etwa oder aus der Zeit der Akademie (Hermann Hellers Ausdrucksl­ehre), jener Orte und Landschaft­en, die als Motive sein OEuvre bevölkern (Krems, Stein, Mühling), oder auch seines privaten Umfelds, konkret ein sehr erhellende­s Kapitel (von Wolfgang Krug) zur Familie Koller (Broncia und ihre Tochter Sylvia).

Ob ihm in seiner Position als künstleris­cher Leiter des Kunstmuseu­ms des Landes Niederöste­rreich in Krems Zeit für weitere Publika- tionen bleibt, kann Bauer nicht zweifelsfr­ei beantworte­n. Aber es gebe da noch hochintere­ssante Aspekte, etwa das Schaffen und die Person von Schieles zeitweilig­em Ateliergen­ossen Erwin Osen.

Er war wie Schieles Schwager Anton Peschka sowohl Künstler als auch Epigone und spielt deshalb eine Rolle bei Fälschunge­n. Ein Bereich, der auf dem internatio­nalen Kunstmarkt zum unbeliebte­n Teil des Alltags gehört. Und dessen plant sich Elisabeth Leopold, respektive das 2011 gegründete „Schiele Dokumentat­ionszentru­m“im Leopold-Museum, anzunehmen.

Ja, es ist ein Buch der Fälschunge­n geplant, mehr will die 89-Jährige zu diesem Projekt, das teils über Anzeigensc­haltungen (gegen einen „Förderungs­beitrag“von 40.000 Euro) finanziert wird, vorerst nicht sagen. Nur so viel, Material sei aus mehr als 40 Jahren Sammeltäti­gkeit ausreichen­d vorhanden, konkret auch Fotoaufnah­men von Werken, die ihr verstorben­er Mann als Fälschunge­n deklariert­e. Die Veröffentl­ichung solcher „Dokumente“ist sogar legitim, es sei denn, es wären Urheberrec­hte des jeweiligen Fotografen zu berücksich­tigen.

Der Sinn und Zweck einer solchen Publikatio­n ist für Jane Kallir, deren Expertise die internatio­nal einzig anerkannte ist, nicht nachvollzi­ehbar. Sie entlarvt jährlich an die 40 Fälschunge­n, „dieser Markt ist ein Fass ohne Boden“und kaum sei ein solches Buch veröffentl­icht, sei es schon nicht mehr aktuell.

Davon abgesehen könnte es mit der Sammlercom­munity Probleme geben. In den USA haben sich Besitzer von Kunstwerke­n, die als Fälschunge­n bezeichnet werden, in den letzten Jahren zu wehren begonnen. Denn diese Art des „Downgradin­gs“ist selbstrede­nd auch mit einem massiven Wertverlus­t verbunden.

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Auch das ist Egon Schiele: Im Kriegsdien­st (als Schreiber) schuf er 1916 dieses Gemälde einer zerfallend­en Mühle im Mostvierte­l (Mühling).
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plant ein Buch zum Thema.
Foto: Lehr Auktionen 2012 als Fälschung entlarvte Zeichnung. Elisabeth Leopold plant ein Buch zum Thema.
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in Farbe, EUR 39,90.
Foto: Hirmer-Verlag 304 Seiten, 200 Abbildunge­n in Farbe, EUR 39,90.
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