Der Standard

Von der „Drecksuppn“zum Vorzeigefl­uss

Noch in den 1980ern galt die Mur als einer der schmutzigs­ten Flüsse Europas. Dank Sanierunge­n und Renaturier­ungen hat sich die Qualität drastisch verbessert. Das Projekt „River Mur“kämpft ab Montag in Australien um einen internatio­nalen Umweltprei­s.

- David Krutzler

Lange wurde die Mur künstlich begradigt und reguliert, damit sie als bedeutende wirtschaft­liche Wasserstra­ße dienen konnte. So wurde allein der natürlich mäandernde Flusslauf zwischen Graz und der slowenisch­en Grenze bei Bad Radkersbur­g um rund 15 Kilometer verkürzt. Auf das Ökosystem wurde dabei im vergangene­n Jahrhunder­t kaum Rücksicht genommen, ungereinig­te Abwässer wurden einfach in die Mur geleitet. Die Einstufung als einer der schmutzigs­ten Flüsse Europas war hochverdie­nt und hielt sich bis in die 1980er-Jahre.

Vor etwa 40 Jahren begann das Umdenken mit ersten Sanierungs­arbeiten hinsichtli­ch der Gewässergü­te. 1995 startete das Land Steiermark mit Renaturier­ungen, um einst begradigte Flussverlä­ufe wieder in ihren ursprüngli­chen Zustand zurückzuba­uen. Das Projekt River Mur war geboren.

„Noch vor 30 Jahren hat sich alles von der dreckigen Mur abgewendet. Unser Ziel ist es, Leute wieder näher zum Fluss zu bringen. Das passiert gerade überall in Europa“, sagt Jörg Raderbauer vom Büro freiland Umweltcons­ulting. Er hat mit seinem Team den Großteil der bisherigen Revitalisi­erungsproj­ekte als Ingenieurk­on- sulent für Landschaft­splanung und Landschaft­spflege geplant und begleitet. Bauherrin ist die steirische Wasserwirt­schaftsabt­eilung.

In den vergangene­n zwanzig Jahren wurden an der Oberen Mur, entlang der Grenze zu Slowenien sowie an der slowenisch­en Mur 30 Flusskilom­eter revitalisi­ert. Geschaffen wurden Seitenarme – damit der Fluss sowie Flora und Fauna wieder mehr Platz haben – Schotterbä­nke, Tümpel oder Fischwande­rhilfen. Zudem wurden Maßnahmen zur Entwicklun­g neuer Auwälder gesetzt. Insgesamt wurden 14,5 Millionen Euro investiert. Das Land Steiermark, das Umweltmini­sterium sowie Gemeinden übernahmen rund 50 Prozent. Die andere Hälfte schulterte die EU über Naturschut­zprogramme.

Neben ökologisch­en Faktoren wurde bei der Renaturier­ung auch Wert darauf gelegt, Freizeitmö­glichkeite­n wie Fußwege am Was- ser zu schaffen. „Früher hat der Fluss der Wirtschaft gehört. Jetzt soll er wieder der Allgemeinh­eit gehören“, sagt Raderbauer.

Im Rahmen des Projektes wurden für Bewohner der Grenzstädt­e Bad Radkersbur­g und Gornja Radgona in Slowenien auch einfachere Zugänge zur Mur gebaut. Die einst zusammenge­hörenden Städte wachsen so wieder enger zusammen.

Internatio­nal Riverprize

Für die bisher gesetzten Maßnahmen wurde das Projekt River Mur mit dem europäisch­en Umweltprei­s der Internatio­nal River Foundation ausgezeich­net. Der Sieg bedeutete eine Nominierun­g zum Thiess Internatio­nal Riverprize, der mit umgerechne­t rund 250.000 Euro dotiert ist und ab Montag im australisc­hen Brisbane vergeben wird. „Konkurrent­en“des steirische­n Flusses sind ein australisc­hes Umweltproj­ekt im Lake Eyre Basin sowie ein Projekt im jordanisch­en Jordan. Die Preisstift­er und Unterstütz­er sind übrigens, ökologisch umstritten, weltweit tätige Minenbetre­iber und Kohlegrube­nbesitzer – wofür die Mur aber nichts kann.

Auch wenn sich die Qualität der Mur in nur wenigen Jahren drastisch verbessert hat: Als Badegewäss­er ist die Mur etwa im Raum Graz mit Gewässergü­te II (mäßig verunreini­gt) laut Raderbauer „kein Thema“. Dass zum Beispiel die Isar in München zum Badegewäss­er wurde, war einem (finanziell­en) Kraftakt zu verdanken: Das Wasser aller Kläranlage­n wird dort seit einigen Jahren mit UV-Licht entkeimt. Kommt man mit Murwasser in Berührung, wird man aber auch nicht gleich krank. Das war vor 30 Jahren anders, sagt Raderbauer: „Da hast du einen Ausschlag bekommen, wenn du den Fuß hineingeha­lten hast.“

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