Von der „Drecksuppn“zum Vorzeigefluss
Noch in den 1980ern galt die Mur als einer der schmutzigsten Flüsse Europas. Dank Sanierungen und Renaturierungen hat sich die Qualität drastisch verbessert. Das Projekt „River Mur“kämpft ab Montag in Australien um einen internationalen Umweltpreis.
Lange wurde die Mur künstlich begradigt und reguliert, damit sie als bedeutende wirtschaftliche Wasserstraße dienen konnte. So wurde allein der natürlich mäandernde Flusslauf zwischen Graz und der slowenischen Grenze bei Bad Radkersburg um rund 15 Kilometer verkürzt. Auf das Ökosystem wurde dabei im vergangenen Jahrhundert kaum Rücksicht genommen, ungereinigte Abwässer wurden einfach in die Mur geleitet. Die Einstufung als einer der schmutzigsten Flüsse Europas war hochverdient und hielt sich bis in die 1980er-Jahre.
Vor etwa 40 Jahren begann das Umdenken mit ersten Sanierungsarbeiten hinsichtlich der Gewässergüte. 1995 startete das Land Steiermark mit Renaturierungen, um einst begradigte Flussverläufe wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurückzubauen. Das Projekt River Mur war geboren.
„Noch vor 30 Jahren hat sich alles von der dreckigen Mur abgewendet. Unser Ziel ist es, Leute wieder näher zum Fluss zu bringen. Das passiert gerade überall in Europa“, sagt Jörg Raderbauer vom Büro freiland Umweltconsulting. Er hat mit seinem Team den Großteil der bisherigen Revitalisierungsprojekte als Ingenieurkon- sulent für Landschaftsplanung und Landschaftspflege geplant und begleitet. Bauherrin ist die steirische Wasserwirtschaftsabteilung.
In den vergangenen zwanzig Jahren wurden an der Oberen Mur, entlang der Grenze zu Slowenien sowie an der slowenischen Mur 30 Flusskilometer revitalisiert. Geschaffen wurden Seitenarme – damit der Fluss sowie Flora und Fauna wieder mehr Platz haben – Schotterbänke, Tümpel oder Fischwanderhilfen. Zudem wurden Maßnahmen zur Entwicklung neuer Auwälder gesetzt. Insgesamt wurden 14,5 Millionen Euro investiert. Das Land Steiermark, das Umweltministerium sowie Gemeinden übernahmen rund 50 Prozent. Die andere Hälfte schulterte die EU über Naturschutzprogramme.
Neben ökologischen Faktoren wurde bei der Renaturierung auch Wert darauf gelegt, Freizeitmöglichkeiten wie Fußwege am Was- ser zu schaffen. „Früher hat der Fluss der Wirtschaft gehört. Jetzt soll er wieder der Allgemeinheit gehören“, sagt Raderbauer.
Im Rahmen des Projektes wurden für Bewohner der Grenzstädte Bad Radkersburg und Gornja Radgona in Slowenien auch einfachere Zugänge zur Mur gebaut. Die einst zusammengehörenden Städte wachsen so wieder enger zusammen.
International Riverprize
Für die bisher gesetzten Maßnahmen wurde das Projekt River Mur mit dem europäischen Umweltpreis der International River Foundation ausgezeichnet. Der Sieg bedeutete eine Nominierung zum Thiess International Riverprize, der mit umgerechnet rund 250.000 Euro dotiert ist und ab Montag im australischen Brisbane vergeben wird. „Konkurrenten“des steirischen Flusses sind ein australisches Umweltprojekt im Lake Eyre Basin sowie ein Projekt im jordanischen Jordan. Die Preisstifter und Unterstützer sind übrigens, ökologisch umstritten, weltweit tätige Minenbetreiber und Kohlegrubenbesitzer – wofür die Mur aber nichts kann.
Auch wenn sich die Qualität der Mur in nur wenigen Jahren drastisch verbessert hat: Als Badegewässer ist die Mur etwa im Raum Graz mit Gewässergüte II (mäßig verunreinigt) laut Raderbauer „kein Thema“. Dass zum Beispiel die Isar in München zum Badegewässer wurde, war einem (finanziellen) Kraftakt zu verdanken: Das Wasser aller Kläranlagen wird dort seit einigen Jahren mit UV-Licht entkeimt. Kommt man mit Murwasser in Berührung, wird man aber auch nicht gleich krank. Das war vor 30 Jahren anders, sagt Raderbauer: „Da hast du einen Ausschlag bekommen, wenn du den Fuß hineingehalten hast.“