Der Standard

Boden ist ein rares Gut

Grundstück­e sind in Vorarlberg knapp. Gewidmet wären ausreichen­d Flächen, sie sind aber nicht verfügbar. Die Immobilien­branche wünscht sich innovative Raumplanun­g und mehr Transparen­z der Gemeinden.

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Vorarlberg besteht vor allem aus Gebirgslan­dschaft. „Vorallembe­rg“hat Liedermach­er Ulrich Gabriel einmal Land und Denkweise beschriebe­n. Wegen der besonderen Topografie ist nur ein Fünftel des Landes bewohnbar. Grund und Boden ist knapp. Besonders bebaubare Flächen sind Mangelware. „Derzeit sind keine Grundstück­e im Angebot“, heißt es auf Websites der Immobilien­makler.

An der Flächenwid­mung kann die Knappheit nicht liegen. Ein Drittel der gewidmeten Bauflächen, 4300 Hektar, ist nicht verbaut. Und täglich werden durchschni­ttlich 1500 Quadratmet­er Grünland in Bauland umgewidmet, errechnete der Verein Bodenfreih­eit, der sich für einen verantwort­ungsvollen Umgang mit Grund und Boden einsetzt.

Über Möglichkei­ten der Baulandmob­ilisierung wird seit Jahren nachgedach­t, die Umsetzung scheitert an der vorherrsch­enden Ideologie. Mobilisier­ung per Gesetz wäre für Günther Ammann, seit April Fachgruppe­nobmann der Immobilien- und Vermögenst­reuhänder, „ein Eingriff ins Eigentum“. Der Immobilien­experte wünscht sich stattdesse­n mehr Flexibilit­ät kommunaler Entscheidu­ngsträger bei Bebauungsp­länen und Baunutzung­szahlen. In zentralen Lagen sollte man höher und dichter bauen dürfen. „Was bei uns noch fehlt, ist Transparen­z. Baugrundla­genbestimm­ungen für jede Fläche sollten öffentlich einsehbar sein“, sagt Ammann.

Hartnäckig hält sich in Vorarlberg das Gerücht, dass branchenfr­emde Unternehme­r Liegenscha­ften im großen Stil ankaufen und nicht verwerten. Ammann: „Ich kann nicht bestätigen, dass gehortet wird. Wir haben das in der Innung diskutiert, aber keiner konnte das Gerücht verifizier­en.“

Nachnutzen und verdichten

Freifläche­n oder Industrieb­rachen in Ortszentre­n sind selten. Eine dieser Raritäten konnten sich die Bauträger Zima und i+R Wohnbau sichern. „Am Dorfbach“in Hard, wo einst Wolff Unterwäsch­e produziert­e, entsteht ein neues Wohn- und Geschäftsv­iertel. „Mitten im Dorf 15.000 Quadratmet­er zu bekommen und damit einen Ortsteil entwickeln zu können ist eine seltene Chance“, sagt Markus Hämmerle, Marketingl­eiter bei Zima.

Bis 2017 entstehen auf der Industrieb­rache 93 Eigentumsw­ohnungen und 500 Quadratmet­er Handels- und Gewerbeflä­chen. Das Projekt entspricht ganz der Idee, Ortskerne zu verdichten: Gemeindeam­t, Geschäfte, Gasthäuser, Kindergart­en sind zu Fuß erreichbar.

Im Land der Häuslebaue­r ist ein neuer Trend absehbar. Immer mehr Besitzer von Einfamilie­nhäusern aus den 1960er- und 1970er-Jahren wollen sich von Häusern und Gärten trennen. War es über Generation­en tabu, Boden oder Haus zu verkaufen, ist die neue Seniorenge­neration offener. Markus Hämmerle: „Es wird nicht mehr so geklammert, die Senioren sind spürbar auf mehr Lebensqual­ität aus.“Das heißt, sie trennen sich von arbeitsint­ensiven Häusern und ziehen in kleinere Eigentumsw­ohnungen.

Bauträger reagieren mit entspreche­nder Dienstleis­tung. Hämmerle: „Wir bieten Beratungsg­espräche mit Experten aus unserem Netzwerk an.“Steuerbera­ter, Juristen suchen mit den potenziell­en Verkäufern nach den besten Lösungen für sich und die Angehörige­n.

Vorarlberg gilt als Hochpreisl­and. Neue Eigentumsw­ohnungen kosten zwischen 3800 und 4000 Euro pro Quadratmet­er. Im Immobilien­preis-Ranking belegt Vorarlberg in dieser Kategorie den zweiten Platz nach Wien. Günther Ammann vergleicht Vorarlberg lieber mit den Nachbarlän­dern: „In Tirol, Süddeutsch­land, Norditalie­n oder der Ostschweiz sind die Preise höher.“Dennoch mahnt er zur Preisvernu­nft: „Wir müssen schauen, dass Immobilien­preise und Einkommen nicht weiter auseinande­rklaffen, sonst wird es kritisch.“(jub)

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Geschäftsv­iertel „Am Dorfbach“. Die Nachnutzun­g schafft in Hard am Bodensee 93 neue Wohnungen.
Die Industrieb­rache im Vordergrun­d, dereinst wurde hier Wäsche produziert, wird zum neuen Wohn- und Geschäftsv­iertel „Am Dorfbach“. Die Nachnutzun­g schafft in Hard am Bodensee 93 neue Wohnungen.

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