Der Standard

„Keiner kann sich Negativpub­licity leisten“

Als der indische Kinderrech­tsaktivist Kailash Satyarthi vor rund einem Jahr den Friedensno­belpreis gewann, war er hautsächli­ch in Expertenkr­eisen bekannt. Das neue Rampenlich­t habe seiner Sache geholfen, sagt er.

- Manuel Escher

INTERVIEW:

Standard: Als Sie 2014 mit dem Nobelpreis ausgezeich­net wurden, hat das Sie und Ihre Bewegung ins Rampenlich­t gebracht. Was ist ein Jahr später davon geblieben? Satyarthi: Ich bin immer noch wütend. Wieso können Kinder immer noch versklavt und verkauft werden wie Tiere? Was aber positiv ist: Der Preis hat geholfen, meine Arbeit in hohen Rängen der Politik bekannt zu machen. Und nun, wo sich die Welt auf eine neue Entwicklun­gsagenda einigen will, kommen Fragen der Gewalt gegen Kinder, des Kinderhand­els und gute Vorschläge zu Bildung darin vor. Das war lang nicht so.

Standard: Sie und Ihre Mitarbeite­r sind in der Vergangenh­eit oft bedroht worden. Hat die Bekannthei­t auch Schattense­iten? Satyarthi: Natürlich versuchen sich organisier­te Kriminelle, die im Kinderhand­el tätig sind, zu rächen. Erst in der vergangene­n Woche wurden einige meiner Kollegen sehr unsanft behandelt, als sie in Delhi Kinder retten wollten.

Standard: Sie versuchen sich global zu betätigen. Ist es wichtiger, dort etwas zu ändern, wo Kinderarbe­it stattfinde­t – oder dort, wo die Produkte gekauft werden? Satyarthi: Es braucht globale Lösungen. Länder, in denen es Pro- bleme gibt, müssen gute Gesetze machen und diese umsetzen. Aber es gibt auch die Verantwort­ung reicher Staaten, armen zu helfen.

Standard: Konsumente­n wissen immer mehr darüber, unter welchen Bedingunge­n Waren erzeugt werden. Zugleich sind die Firmen, die im Verdacht stehen, auf Kinderarbe­it zu setzen, profitabel wie nie. Satyarthi: Es gibt immer mehr Firmen, die nachhaltig­e Lösungen suchen. Keiner kann sich Negativpub­licity leisten. Daher ist es gut, wenn sie unsere Partner werden. Es geht nicht nur um Konsumente­n, sondern auch um Firmen.

Standard: In früheren Interviews haben Sie gesagt, dass Sie noch überlegen müssen, was Sie mit dem Nobelpreis-Geld (rund 400.000 Euro, Anm.) machen wollen. Gibt es einen Entschluss? Satyarthi: Das war nur anfangs so. Es gibt einen Entschluss. Das Geld geht nicht an mich, nicht an Familie oder Freunde, nicht an meine Organisati­on. Es geht an Hilfe für die bedrohtest­en Kinder der Welt.

Standard: Und konkret? Satyarthi: Konkret geht es an eine neue Stiftung, mit der wir versuchen, Bewegung in den Kampf gegen Kinderskla­verei zu bringen und gegen andere Verletzung­en der Kinderrech­te.

Standard: Sie sind in Wien, um an der Verleihung der Alfred Fried Photograph­y Awards teilzunehm­en – heuer zur Frage, wie Frieden aussieht. Wie sieht Frieden für Sie als Friedensno­belpreistr­äger aus? Satyarthi: Für mich ist Frieden das Lachen eines freien Kindes. Ich habe dabei geholfen, tausende Kinder zu befreien. Das erste Lachen der Freiheit – nichts ist friedliche­r. Und das bringt in mir auch einen unglaublic­hen inneren Frieden hervor. Frieden ist nicht das Fehlen von Krieg, Frieden ist ein Ort der Freiheit und der Furchtlosi­gkeit. Wenn Menschen, wenn Kinder keine Angst haben, dann gibt es Frieden.

KAILASH SATYARTHI (61) ist ein indischer Aktivist, der sich seit Jahrzehnte­n vor allem mit Kinderrech­ten auseinande­rsetzt. 2014 wurde er gemeinsam mit der pakistanis­chen Kinder- und Bildungsak­tivistin Malala Yousafzai mit dem Friedensno­belpreis ausgezeich­net.

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preisträge­r Kailash Satyarthi.
Foto: Matthias Cremer „Noch immer wütend“, aber positiv gestimmt: Friedensno­bel preisträge­r Kailash Satyarthi.

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