Der Standard

Nowak für EU-Kompetenz bei Asylpoliti­k

Um zu verhindern, dass in der EU noch mehr Zäune gebaut werden, müsse die Union einen Schritt in Richtung Vergemeins­chaftung machen, meint der Menschenre­chtsexpert­e Manfred Nowak. Er plädiert für eine EU-Asylbehörd­e mit Durchgriff­srecht.

- Irene Brickner

Wien – Die europäisch­e Flüchtling­skrise könne „nur durch einen weiteren Schritt in Richtung Vergemeins­chaftung entschärft und gelöst werden“, meint der Menschenre­chtsexpert­e der Universitä­t Wien, Manfred Nowak. Im Standard- Gespräch rät er zu einem raschen Umdenken und ebensolche­n Beschlüsse­n: Würden diese ausbleiben, drohe der Union substanzie­ller Schaden.

„Die Alternativ­e ist, dass an den EU-Binnengren­zen noch mehr Zäune gebaut werden und dadurch der gemeinsame Raum der Freiheit, Sicherheit und des Rechts ernsthafte­n Schaden davonträgt“, sagt Nowak. Seinen Vorschlag hat er im Rahmen einer Tagung in Wien präsentier­t. Bemerkensw­ert sei, dass die Option eines weiteren Zusammenrü­ckens der EU trotz der aktuellen, durch die vielen Flüchtling­sankünfte organisato­risch wie politisch zugespitzt­en Situation „offenbar gar nicht erst erwogen“werde, meint er.

Laut dem Menschenre­chtsexpert­en sollte eine gemeinsame europäisch­e Asylbehörd­e gegründet werden, die die derzeitige­n 28 nationalen Asylbehörd­en ersetzt. Die Kompetenze­n der neuen EUInstitut­ion müssten weit über jene hinausgehe­n, die das derzeit existieren­de europäisch­e Unterstütz­ungsbüro für Asylfragen (Easo) hat. Dieses soll lediglich die Zusammenar­beit der EU-Mitgliedst­aaten im Asylbereic­h stärken.

Neben ihren nationalen Büros hätte die zu gründende EU-Asylbehörd­e auch Vertretung­en in den ausländisc­hen EU-Delegation­en. Diese, so Nowak, sollten Anlaufstel­len für Flüchtling­e sein, um ihren Asylantrag zu stellen – „ähnlich dem früher bestehende­n einzelstaa­tlichen Botschafts­asyl“.

Wirksam gegen Schlepper

Nur durch Verlagerun­g der Asylverfah­ren in die Herkunftso­der ersten Zufluchtsl­änder könne „den Schleppern substanzie­ll das Wasser abgegraben werden“. Statt sich um viel Geld vielfach in Lebensgefa­hr zu bringen, könnten die Flüchtling­e im Fall von Asylgewähr­ung dann ganz legal in die EU einreisen – dorthin, wo sie hinwollen. Auch jetzt haben anerkannte Asylwerber innerhalb der EU freie Wahl ihres Aufenthalt­sorts.

Diesbezügl­ich sei er gegen jeden Zwang, betont Nowak. Daher halte er auch wenig von einer zwangsweis­en EU-weiten Verteilung von Asylwerber­n per Quote, wie sie derzeit diskutiert werde.

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Eine Flüchtling­sfamilie macht beim Wiener Westbahnho­f Rast. Beim Aufbau einer Existenz soll eine neue EU-Asylbehörd­e helfen, fordert Menschenre­chtsexpert­e Manfred Nowak.

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