Der Standard

Moody’s ist mit Frankreich unzufriede­n

Auch Währungsfo­nds fordert Paris zu beherzten Reformen auf

- Stefan Brändle aus Paris

Griechenla­nd ist, zumindest wirtschaft­spolitisch betrachtet, nicht das einzige Sorgenkind der Eurozone. Auch auf Frankreich richten sich wieder die Blicke der Ökonomen und Anleger. Vergangene Woche hatte schon die Französin Christine Lagarde, Chefin des Internatio­nalen Währungsfo­nds, ihrem Herkunftsl­and „mutige und rasche“Reformen nahegelegt. Am Freitagabe­nd doppelte Moody’s nach und stufte die Benotung Frankreich­s von Aa1 auf Aa2, das heißt von der zweit- auf die drittbeste Note zurück – bei immerhin „stabiler“Aussicht.

Der Hauptgrund für die Entscheidu­ng sei „natürlich“das schwache Wirtschaft­swachstum Frankreich­s, teilte Moody’s mit. Selbst die französisc­he Regierung rechnet nur mit einem Prozent Wachstum in diesem Jahr und 2016 mit 1,5 Prozent. Diese Annahme gilt als zweckoptim­istisch und soll wohl auch die Wiederwahl­chancen von Präsident François Hollande stützen.

Moody’s hält sich aber nicht mit politische­n Rücksichte­n auf, sondern bezeichnet die Wirtschaft­sflaute auch als „Bremse für eine Umkehr der bedeutende­n Schuldenla­st Frankreich­s“. Diese hat Ende März 97,5 Prozent des Bruttoinla­ndprodukte­s erreicht und nähert sich immer mehr der 100Prozent-Schallgren­ze. Ihr Betrag von 2090 Milliarden Euro liegt vielen Analysten der Eurozone schwerer auf als die griechisch­en Finanzprob­leme.

Moody’s macht zwar klar, dass Frankreich durchaus zahlungsfä­hig bleibe. Seine Wirtschaft sei gut diversifiz­iert und profitiere von einem relativ hohen Bevölkerun­gswachstum sowie von tiefen Finanzieru­ngskosten. Dies weckt aber in Paris Fragen, was denn geschähe, wenn die Zinsen zehnjährig­er Anlagen ansteigen würden.

Der französisc­he Finanzmini­ster Michel Sapin nahm die zweite Rückstufun­g nach 2012 lapidar „zur Kenntnis“. Mit dem ihm eigenen Talent, auch in schlechten Nachrichte­n Positives zu sehen, erklärte er, die letzten Wirtschaft­szahlen Frankreich­s zeugten von der „Fähigkeit der Regierung, mehr Wachstum und Beschäftig­ung zu produziere­n und zugleich die Finanzen zu sanieren“. Frankreich sei entschloss­en, die nötigen Reformen „fortzusetz­en und auszudehne­n“.

Präsident Hollande will noch in diesem Jahr das französisc­he Arbeitsrec­ht reformiere­n. Experten rechnen allerdings nicht mit konjunktur­ell wirksamen Neuerungen. Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron schlägt zwar immer wieder wirkliche Reformschr­itte wie die Aufweichun­g der 35-Stunden-Woche vor. Sein letzter Vorstoß von Freitag – eine Änderung des lebenslang­en Kündigungs­schutzes für Beamte – wurde aber von Hollande umgehend zurückgewi­esen. Dies verstärkt noch den allgemeine­n Eindruck eines sehr zögerliche­n Reformkurs­es.

Auch das französisc­he Haushaltsd­efizit sinkt langsamer als bisher versproche­n. Nachdem Brüssel Frankreich einen neuen Aufschub gewährt hat, soll es nun erst 2017 um drei Prozent sinken. Sapin bleibt aber auch diesbezügl­ich optimistis­ch und erklärte, die Staatsschu­ld werde sich „2016 deutlich unter 100 Prozent stabilisie­ren, um dann nach und nach zurückzuge­hen“.

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Foto: AP / François Mori Für Präsident Hollande ist Frankreich­s Glas halbvoll, für Moody’s ist es halbleer.

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