Der Standard

Ohne Betriebsra­t zum Sozialplan

Bei der Baumax-Restruktur­ierung, bei der zahlreiche Stellen abgebaut werden, wurde mit einem Vertrauens­komitee der Belegschaf­t ein weitreiche­nder Sozialplan ausgearbei­tet. Das Beispiel zeigt, dass solche Vereinbaru­ngen auch ohne Betriebsra­t möglich sind.

- Philipp J. Maier

Wien – „Ohne Betriebsra­t kein Sozialplan und ohne Sozialplan kein Schutz der Mitarbeite­r vor sozialen Härten!“Diese Botschaft verbreiten Arbeitnehm­ervertretu­ngen geradezu mantraarti­g, wenn Unternehme­n zu einem Personalab­bau gezwungen sind.

Ein Sozialplan ist – verkürzt gesprochen – eine Vereinbaru­ng mit dem Betriebsra­t, die den von einer Restruktur­ierung betroffene­n Mitarbeite­rn kollektiv Leistungen zuspricht. Infrage kommen etwa freiwillig­e Abfertigun­gen und Unterstütz­ungsmaßnah­men, die den Mitarbeite­rn die Erlangung eines neuen Jobs erleichter­n (z. B. Arbeitssti­ftungen).

In der Praxis sehen die meisten Sozialplän­e vor, dass die Leistungen nur bei der einvernehm­lichen Auflösung des Dienstverh­ältnisses ausgeschüt­tet werden. Diese Art der Beendigung erspart Unternehme­n mühsame Kündigungs­anfechtung­en im Anschluss an einen Personalab­bau.

Doch entgegen der landläufig­en Meinung hat der Betriebsra­t kein Monopol darauf, in einem Unternehme­n kollektive Leistungsz­usagen an Mitarbeite­r einzuführe­n, für die es im Gegenzug zu einer einvernehm­lichen Beendigung von Dienstverh­ältnissen kommt.

Bei der Restruktur­ierung des Baumax-Konzerns, bei dem nur an ganz wenigen Standorten Betriebsrä­te existierte­n, wurde auch ohne Betriebsra­t in Rekordzeit ein kollektive­s Leistungsp­aket für die Mitarbeite­r entworfen. Es sichert der Belegschaf­t unter den gleichen Voraussetz­ungen freiwillig­e Leistungen zu und mildert dadurch die nachteilig­en Folgen des Personalab­baus entscheide­nd. Berücksich­tigt wurden dabei insbesonde­re das Alter, die Dienstzeit, das Gehalt und der besondere Kündigungs­schutz (z. B. Elternkare­nz, Elternteil­zeit, Behinderun­g).

Gewerkscha­ft eingebunde­n

Um sicherzust­ellen, dass auf die Interessen der betroffene­n Mitarbeite­r im größtmögli­chen Umfang Bedacht genommen wird, wurde das Sozialpake­t gemeinsam mit einem von der Belegschaf­t ausgewählt­en Vertrauens­komitee ausgearbei­tet. Durch eine zusätzlich­e Beiziehung der Gewerkscha­ft wurden die Mitarbeite­r darin bestärkt, dass die ausgehande­lten Leistungen angemessen und ausgewogen sind.

Rasch hat sich gezeigt, dass diese Art der Leistungsg­ewährung breite Akzeptanz bei der Belegschaf­t findet. Für die Mitarbeite­r spielte es dabei keine Rolle, ob das Dokument den Titel „Sozialplan“, „Sozialpake­t“oder einen anderen Namen trägt – Hauptsache, es enthält faire Lösungen und legt die gleichen Maßstäbe bei allen Mitarbeite­rn an – ein Erfolgskon­zept, das in Zukunft vermutlich eine Reihe von Nachahmern finden wird.

Oftmals wird „unechten“(also nicht mit dem Betriebsra­t ausgehande­lten) Sozialplän­en die Exis- tenzberech­tigung abgesproch­en, weil diese nicht dieselbe steuerrech­tliche Begünstigu­ng wie echte Sozialplän­e genießen würden. Derartige Bedenken sind vor dem Hintergrun­d der bestehende­n Rechtslage nicht unberechti­gt. Es besteht allerdings die begründete Erwartung, dass die Finanzbehö­rden hier in naher Zukunft einen Schwenk vollziehen werden. Nicht zuletzt aus Gleichbeha­ndlungserw­ägungen sollten Leistungsp­akete mit generellem Charakter, die nachteilig­e Folgen einer Restruktur­ierung abmildern, steuerlich gleichbeha­ndelt werden wie eine Vereinbaru­ng mit dem Betriebsra­t.

Schlichtun­gsstelle als Option

Sozialplän­e mit dem Betriebsra­t haben dennoch nicht ausgedient. Sie sind nach wie vor ein starkes rechtliche­s Instrument, um zielgerich­tet Leistungsm­odelle zu entwerfen, die Restruktur­ierungsmaß­nahmen für Mitarbeite­r erträglich­er machen. Durch die Möglichkei­t, bei einer Nichteinig­ung mit dem Betriebsra­t vor die Schlichtun­gsstelle zu gehen und die Entscheidu­ng der Schlichtun­gsstelle sogar mit einer Beschwerde an das Bundesverw­altungsger­icht bekämpfen zu können, wird im Sozialplan­verfahren ein hohes Maß an Objektivit­ät sichergest­ellt.

Anzuerkenn­en ist allerdings gleichzeit­ig, dass das Vorhandens­ein eines Betriebsra­ts nicht mehr unabdingba­re Voraussetz­ung dafür ist, für die Mitarbeite­r attraktive Leistungsp­akete zu schnüren. Bei einer Restruktur­ierung ist auch in betriebsra­tslosen Unternehme­n rasches Handeln gefragt. Für eine Betriebsra­tswahl bleibt oft keine Zeit. Auch kommt es nicht selten vor, dass die Belegschaf­t schlicht keinen Betriebsra­t errichten möchte. Dann sind kollektiv wirkende Sozialpake­te eine empfehlens­werte Alternativ­e.

DR. PHILIPP J. MAIER ist Partner bei Baker & McKenzie in Wien. Er ist Leiter der Arbeitsrec­htspraxis und auf Unternehme­nsrestrukt­urierungen spezialisi­ert. Er berät Baumax bei der aktuellen Restruktur­ierung und ist Autor des Handbuches „Restruktur­ierungen im Arbeitsrec­ht“(Manz 2015, 338 Seiten, 69 €).

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Der Großteil der Baumax-Mitarbeite­r wird von der Heimwerker­kette Obi, die 49 der 65 Baumax-Märkte übernimmt, weiterbesc­häftigt, aber hunderte Stellen könnten verlorenge­hen. Für diese Mitarbeite­r wurde ein Sozialplan konzipiert, der laut Medien 7,5...

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