Der Standard

ZITAT DES TAGES

Die Budgetpoli­tik orientiere sich zu wenig an den Jüngeren, sagt Christoph Badelt, scheidende­r Rektor der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Er selbst will noch lange nicht in Pension gehen.

- INTERVIEW: Lisa Kogelnik

„Ich verstehe nicht, warum pumperlgsu­nde 55-Jährige in Pension gehen können. Das wird es auf Dauer nicht spielen.“

Christoph Badelt, scheidende­r Rektor der Wirtschaft­suni Wien, fordert ein höheres Pensionsan­trittsalte­r.

STANDARD: Ihr Büro ist schon leer. Was haben Sie mit nach Hause genommen? Badelt: Fast nichts. Ich bleibe auf dem Campus und übersiedle ins Department für Sozioökono­mie. Das meiste ist im neuen Büro. Ich habe dort weniger Platz, aber das bringt die neue Funktion eben mit sich.

Standard: Ihre Zeit als Rektor war von der Debatte über die Unterfinan­zierung der Universitä­ten geprägt. Sie schlagen Studiengeb­ühren vor. Andere Rektoren sagen, dies sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Badelt: Ich sage nicht, dass man mit Studiengeb­ühren alleine die Unterfinan­zierung lösen kann. Als die Studiengeb­ühren 2001 eingeführt wurden, stellten sie aber zum Beispiel an der WU immerhin 15 Prozent unseres Uni-Budgets. Man müsste Studiengeb­ühren, ein Stipendien­system und eine geregelte Studienpla­tzfinanzie­rung kombiniere­n. Ich würde so weit gehen, die Berufstäti­gkeit miteinzube­ziehen. Wenn die Studierend­en aus irgendeine­m Grund weniger Kurse schaffen, würden sie auch weniger zahlen.

Standard: Haben Sie dieses Konzept schon dem Wissenscha­ftsministe­r vorgeschla­gen? Badelt: Ich habe es schon einer Reihe von Wissenscha­ftsministe­rn vorgeschla­gen. Ich weiß nicht, ob ich es auch mit Reinhold Mitterlehn­er besprochen habe. Im Ministeriu­m würde darüber aber ohnehin Konsens bestehen.

Standard: Wissenscha­ftsministe­rium und Finanzmini­sterium sind in der Hand der ÖVP, Mitterlehn­er ist zudem ÖVP-Chef und Vizekanzle­r. Er hätte genug Einfluss, um mehr Geld aufzustell­en. Badelt: Mitterlehn­er und sein Vorgänger Karlheinz Töchterle haben entgegen dem Budgettren­d eine Budgeterhö­hung für die Universi- täten herausgeho­lt. Diese löst aber das Grundsatzp­roblem nicht. Im Rückblick glaube ich, dass es auch Nachteile hat, wenn das Finanzund das Wissenscha­ftsressort in der Hand einer Partei liegen. Die SPÖ kann damit locker sagen, dass sie für den freien Zugang ist, und wenn mehr Geld gebraucht wird, muss man das eben zur Verfügung stellen. Das hat schon populistis­che Elemente.

Standard: Wie könnte man dieses Dilemma lösen? Badelt: Strukturel­l haben wir das Problem, dass es leider eine wechselsei­tige Blockade gibt. Die ÖVP mauert bei der Gesamtschu­le und die SPÖ beim Uni-Zugang. Wenn man das auflösen könnte, wäre schon viel gewonnen.

Standard: Gibt es einen Weg, um dieser ideologisc­hen Diskussion auszuweich­en? Badelt: Sie können es abwertend „ideologisc­h“oder neutraler „gesellscha­ftspolitis­ch“nennen. Ich habe den Eindruck, dass hier die Positionen so festgefahr­en sind, weil es dem anderen gegenüber ein sehr großes Misstrauen gibt. Die SPÖ glaubt, dass die bürgerlich­e Seite untere soziale Schichten von den Unis fernhalten will. Aufseiten der ÖVP gibt es die Fantasie, dass die SPÖ um den Preis einer naiven Gleichmach­erei das Niveau an den Schulen senken will. Diese Überzeugun­gen sitzen tief und sind irrational. Meine Kritik an den beiden Koalitions­parteien ist, dass sie nie geschafft haben, das aufzubrech­en.

Standard: Zurück zum Budget: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass es für die Universitä­ten nicht mehr Geld gibt? Badelt: Natürlich ist das Budget immer Ausdruck der Schwer- punktsetzu­ngen. Als jemand, der theoretisc­h selbst schon nahe dem Pensionsal­ter ist, sage ich, dass wir zum Beispiel eine sehr starke Orientieru­ng an den finanziell­en Interessen der Älteren haben. Die Alten haben einfach eine bessere Lobby, das sind viele Wählerstim­men. Ich beneide keinen Finanzmini­ster, aber der Idealfall wäre eine Umorientie­rung.

Standard: Sie schlagen also vor, die Pensionen zu kürzen und das Geld in die Unis zu investiere­n? Badelt: Man muss die Pensionen nicht kürzen, aber etwa die Zugänge erschweren. Ich verstehe nicht, warum pumperlgsu­nde 55Jährige in Pension gehen können. Alleine in meiner persönlich­en Umgebung kenne ich eine Menge solcher Leute. Das wird es auf Dauer nicht spielen.

Standard: Schaut die Politik hier zu stark auf Wählerstim­men? Badelt: Ich kann natürlich leicht reden, ich muss nicht wiedergewä­hlt werden. Persönlich glaube ich aber, dass eine geradlinig­e Politik, die Unpopuläre­s beschließt, schlussend­lich vom Wähler honoriert wird. SPÖ und ÖVP haben mit einer Zweidritte­lmehrheit begonnen, jetzt ist es fraglich, ob sie überhaupt noch eine Mehrheit schaffen. Die bisherige Politik der Koalition war also auch kein Erfolgskur­s.

STANDARD: Sie nehmen sich ein Jahr Auszeit. Was haben Sie vor? Badelt: Ich will mich neu orientiere­n, Dinge durchdenke­n und dann mit voller Kraft weitermach­en. Ich habe viele Auslandsre­isen geplant. Derzeit stehen Argentinie­n, Australien und Neuseeland auf dem Programm. Das geschieht zum Teil im Zusammenha­ng mit meiner Arbeit als Professor, aber ich mache auch Urlaub.

STANDARD: Was ist Ihnen als Rektor Ihrer Meinung nach am besten gelungen? Badelt: Die WU ist heute eine andere als vor dreizehn Jahren. Das hat die Gesetzesän­derung möglich gemacht, die Universitä­ten konnten autonom handeln. Wir sind internatio­naler, und wir sind besser, das traue ich mich in aller Arroganz zu sagen. Der neue Campus, der ein sichtbares Resultat meiner Jahre ist, ist für mich eher ein Symbol dieser Änderungen.

Standard: Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit als Rektor am wenigsten gelungen? Badelt: Das Auseinande­rklaffen von Budgets und Studierend­enzahlen ist nicht zufriedens­tellend. Ich sage das, obwohl die Wirtschaft­suniversit­ät Wien zusätzlich­e Mittel bekommen hat. Aber das Grundsatzp­roblem, das sich aus dem mehr oder weniger ungeregelt­en Zugang ergibt, ist nicht gelöst.

Standard: Als Chef der Universitä­tenkonfere­nz haben Sie sich kein Blatt vor den Mund genommen. Als heuer klar war, dass die Unis nur 615 Millionen Euro mehr für die nächsten Jahre bekommen, hat die Uniko gesagt: „Es war nicht mehr drin.“Wie erklären Sie sich die Zurückhalt­ung? Badelt: Wenn wir sagen, ein bestimmter Millionenb­etrag ist zu wenig, dann denkt sich der Verhandlun­gspartner, dass wir unverschäm­t sind. Man kann nicht zu allem Nein sagen, wenn man langfristi­gen an einem guten Klima interessie­rt ist. Der frühere Finanzmini­ster Karl-Heinz Grasser hat mir in den Budgetverh­andlungen ins Gesicht gesagt: Nehmen Sie das und sagen Sie nach außen, dass Sie zufrieden sind, oder sie kriegen gar nichts. In seiner Direktheit hat Grasser das formuliert, was sich auch heute Politiker denken.

Standard: Gibt es einen Traumjob, der Ihnen noch vorschwebt? Badelt: Ich kehre als Professor in eine privilegie­rte Position zurück. Das Schöne ist, dass ich die Professur immer machen kann. Wenn es andere interessan­te Angebote gibt, dann bin ich denen natürlich auch nicht abgeneigt. Ich bin gesund und tatkräftig und werde sicher noch viele Jahre arbeiten.

Standard: Warum gehen Sie nicht in Pension? Badelt: Weil ich meine Arbeit liebe. Das ist die beste Vorsorge für das Alter. Solange ich nicht das Gefühl habe, dass ich den anderen auf die Nerven gehe, mit dem was ich sage und schreibe, werde ich sicher arbeiten. Ich hoffe, in meinem privaten Netzwerk genügend Leute zu haben, die mich darauf aufmerksam machen, sollte ich übersehen, dass sich dieser Zustand ändert.

Standard: Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolger­in? Badelt: Gar keinen. Ich habe mir vorgenomme­n, ihre Arbeit nicht zu kommentier­en, und wenn, dann nur privat, wenn sie mich darum bittet. Das Letzte, was man braucht, sind ungebetene Ratschläge vom Vorgänger.

CHRISTOPH BADELT (64) übergibt am 1. Oktober nach 13 Jahren sein Amt als Rektor der Wirtschaft­suniversit­ät Wien. Von 2005 bis Ende 2009 war er Vorsitzend­er der Österreich­ischen Universitä­tenkonfere­nz. Badelt ist Professor für Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik.

Ich verstehe nicht, warum pumperlgsu­nde 55-Jährige in Pension gehen

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Wien hat Christoph Badelt bereits leergeräum­t.
Das Rektorsbür­o auf dem neuen Campus der Wirtschaft­suniversit­ät Wien hat Christoph Badelt bereits leergeräum­t.

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