Der Standard

Zu Besuch beim Nacktmull

Nacktmulle, Giftschlan­gen und riesige Süßwasserf­ische gehören nicht unbedingt zu den Stars und Publikumsl­ieblingen im Tiergarten Schönbrunn. Zu Unrecht, wie diese Homestory aus der Welt der Leider-nein-Kuscheltie­re zeigt.

- Michael Simoner

Ein Einblick in die Welt der Nacktmulle, Giftschlan­gen und Süßwasserf­ische im Schönbrunn­er Zoo.

Wien – Lieb sind sie ja trotzdem irgendwie. Aber zum Kuscheltie­r werden es Nacktmulle wohl nie schaffen. Zu Gesicht bekommt man die blinden, fast haarlosen Nager im Tiergarten Schönbrunn im Wüstenhaus. Doch wie in ihrer Heimat in Ostafrika leben sie auch im Zoo hauptsächl­ich unter der Erde. der STANDARD durfte ausnahmswe­ise den für Besucher gesperrten Bau der fasziniere­nden Tiere im Keller des Terrarienu­nd Aquarienha­uses inspiziere­n.

Die dünnhäutig­en Sandgräber mit ihren vier jeweils einzeln bewegbaren Säbelzähne­n haben es schön warm. Auch sonst erinnert das Gehege an einen Heizungske­ller, doch durch die durchsicht­igen Rohre an den Wänden strömt nicht heiße Luft, sondern das pralle Nacktmulll­eben. „Einzigarti­g für Säugetiere bilden sie wie Ameisen oder Bienen einen Staat mit einer Königin“, erklärt der zoologisch­e Abteilungs­leiter Anton Weissenbac­her.

Dutzende Tiere wuseln durch das Rohrlabyri­nth, das den natürliche­n Gängen nachempfun­den ist. Im Rückwärtsg­ang sind die kleinen Viecher genauso schnell wie im Vorwärtsga­ng, alle Tunnel werden penibel sauber gehalten. Für den Mullmüll gibt es genauso eigene Kammern wie für Futter. In einer anderen Ausbuchtun­g feiert der winzige Nachwuchs gerade Kindergebu­rtstag. Auch die mit gut 15 Zentimeter­n Länge riesige Königin schaut vorbei und spendiert eine Runde Milch.

„Nacktmulle werden bis zu dreißig Jahre alt.“Aber das ist noch nicht alles, was Zoologe Weissenbac­her an Überraschu­ngen parat hat. „Im Gegensatz zu anderen Nagetieren erkranken sie nicht an Krebs.“Warum, ist eine Frage, auf die es noch keine Antwort gibt. Aber Krebsforsc­her rund um den Globus arbeiten daran.

Gleich neben den Nacktmulle­n befindet sich der sogenannte Gifttierra­um – mit Schlangen, denen man niemals in die Quere kommen möchte. Das sei aber Zufall, sagt Tierpflege­r Rupert Kainradl. Mulle stehen in Schönbrunn nicht auf dem Speiseplan von Hornvipern, Klappersch­langen oder Monokelkob­ras. Überhaupt sei die Lebendtier­fütterung in Wien verboten. In den Gifttierra­um, der auch bei Hinter-den-KulissenFü­hrungen absolut tabu ist, dürfen Tierpflege­r sicherheit­shalber immer nur zu zweit. Die Futterklap­pen werden nur geöffnet, wenn die Tiere sich gerade in speziellen Boxen in den Terrarien befinden. Die olivgrüne Basilisken-Klappersch­lange muss derzeit hungern, weil das gelagerte Antiserum abgelaufen ist und auch in Partnerkra­nkenhäuser­n erst wieder angeliefer­t werden muss.

Die Bewohner des Gifttierra­ums sind Verstoßene. Offensicht­lich sind giftige Schlangen in Österreich­s Haushalten recht beliebt. In Wien ist es Privatpers­onen verboten, Giftschlan­gen zu halten, in Niederöste­rreich erlaubt. „Die meisten Leute sind dann irgendwann überforder­t“, sagt Weissenbac­her. Dann landen die Schlangen im Haus des Meeres oder hier in Schönbrunn.

Fischiger Genpool

Vom Gifttierra­um ist es nur einen Katzenspru­ng zur Zuchtstati­on im Bauch des Aquarienha­uses, wo einer der größten Genpools Europas aufgebaut wurde. „Bei Karpfen der Gattung Aphanius haben wir die weltweit artenreich­ste Kollektion“, sagt Tierpflege­r Roland Halbauer nicht ohne Stolz. Durch Zucht- und Tauschprog­ramme mit anderen Zoos könnten viele Arten erhalten werden.

Zum Schluss geht es aufs Dach des Aquariums. Über eine enge Eisentrepp­e gelangt man quasi ans Ufer der riesigen Anlage, durch die unten ein 7,5 Meter langer Glastunnel führt. Von oben betrachtet verschwimm­en die Besucher mit den Fischen. Zwei Arapaimas ziehen ihre Runden. Fast zwei Meter messen die aus Südamerika stammenden Süßwasserf­ische schon. Einen Meter werden sie noch wachsen. „Den Finger würde ich nicht hineinhalt­en“, rät Halbauer. Daheim im Amazonas haben Arapaimas auch Piranhas zum Fressen gern. Wieder nichts mit Kuscheln.

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im Tiergarten Schönbrunn: Als einzige Nagetierar­t erkranken sie nicht an Krebs.
Keine klassische Schönheit, aber es zählen ja die inneren Werte. Und die bieten die Nacktmulle im Tiergarten Schönbrunn: Als einzige Nagetierar­t erkranken sie nicht an Krebs.

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