Zu Besuch beim Nacktmull
Nacktmulle, Giftschlangen und riesige Süßwasserfische gehören nicht unbedingt zu den Stars und Publikumslieblingen im Tiergarten Schönbrunn. Zu Unrecht, wie diese Homestory aus der Welt der Leider-nein-Kuscheltiere zeigt.
Ein Einblick in die Welt der Nacktmulle, Giftschlangen und Süßwasserfische im Schönbrunner Zoo.
Wien – Lieb sind sie ja trotzdem irgendwie. Aber zum Kuscheltier werden es Nacktmulle wohl nie schaffen. Zu Gesicht bekommt man die blinden, fast haarlosen Nager im Tiergarten Schönbrunn im Wüstenhaus. Doch wie in ihrer Heimat in Ostafrika leben sie auch im Zoo hauptsächlich unter der Erde. der STANDARD durfte ausnahmsweise den für Besucher gesperrten Bau der faszinierenden Tiere im Keller des Terrarienund Aquarienhauses inspizieren.
Die dünnhäutigen Sandgräber mit ihren vier jeweils einzeln bewegbaren Säbelzähnen haben es schön warm. Auch sonst erinnert das Gehege an einen Heizungskeller, doch durch die durchsichtigen Rohre an den Wänden strömt nicht heiße Luft, sondern das pralle Nacktmullleben. „Einzigartig für Säugetiere bilden sie wie Ameisen oder Bienen einen Staat mit einer Königin“, erklärt der zoologische Abteilungsleiter Anton Weissenbacher.
Dutzende Tiere wuseln durch das Rohrlabyrinth, das den natürlichen Gängen nachempfunden ist. Im Rückwärtsgang sind die kleinen Viecher genauso schnell wie im Vorwärtsgang, alle Tunnel werden penibel sauber gehalten. Für den Mullmüll gibt es genauso eigene Kammern wie für Futter. In einer anderen Ausbuchtung feiert der winzige Nachwuchs gerade Kindergeburtstag. Auch die mit gut 15 Zentimetern Länge riesige Königin schaut vorbei und spendiert eine Runde Milch.
„Nacktmulle werden bis zu dreißig Jahre alt.“Aber das ist noch nicht alles, was Zoologe Weissenbacher an Überraschungen parat hat. „Im Gegensatz zu anderen Nagetieren erkranken sie nicht an Krebs.“Warum, ist eine Frage, auf die es noch keine Antwort gibt. Aber Krebsforscher rund um den Globus arbeiten daran.
Gleich neben den Nacktmullen befindet sich der sogenannte Gifttierraum – mit Schlangen, denen man niemals in die Quere kommen möchte. Das sei aber Zufall, sagt Tierpfleger Rupert Kainradl. Mulle stehen in Schönbrunn nicht auf dem Speiseplan von Hornvipern, Klapperschlangen oder Monokelkobras. Überhaupt sei die Lebendtierfütterung in Wien verboten. In den Gifttierraum, der auch bei Hinter-den-KulissenFührungen absolut tabu ist, dürfen Tierpfleger sicherheitshalber immer nur zu zweit. Die Futterklappen werden nur geöffnet, wenn die Tiere sich gerade in speziellen Boxen in den Terrarien befinden. Die olivgrüne Basilisken-Klapperschlange muss derzeit hungern, weil das gelagerte Antiserum abgelaufen ist und auch in Partnerkrankenhäusern erst wieder angeliefert werden muss.
Die Bewohner des Gifttierraums sind Verstoßene. Offensichtlich sind giftige Schlangen in Österreichs Haushalten recht beliebt. In Wien ist es Privatpersonen verboten, Giftschlangen zu halten, in Niederösterreich erlaubt. „Die meisten Leute sind dann irgendwann überfordert“, sagt Weissenbacher. Dann landen die Schlangen im Haus des Meeres oder hier in Schönbrunn.
Fischiger Genpool
Vom Gifttierraum ist es nur einen Katzensprung zur Zuchtstation im Bauch des Aquarienhauses, wo einer der größten Genpools Europas aufgebaut wurde. „Bei Karpfen der Gattung Aphanius haben wir die weltweit artenreichste Kollektion“, sagt Tierpfleger Roland Halbauer nicht ohne Stolz. Durch Zucht- und Tauschprogramme mit anderen Zoos könnten viele Arten erhalten werden.
Zum Schluss geht es aufs Dach des Aquariums. Über eine enge Eisentreppe gelangt man quasi ans Ufer der riesigen Anlage, durch die unten ein 7,5 Meter langer Glastunnel führt. Von oben betrachtet verschwimmen die Besucher mit den Fischen. Zwei Arapaimas ziehen ihre Runden. Fast zwei Meter messen die aus Südamerika stammenden Süßwasserfische schon. Einen Meter werden sie noch wachsen. „Den Finger würde ich nicht hineinhalten“, rät Halbauer. Daheim im Amazonas haben Arapaimas auch Piranhas zum Fressen gern. Wieder nichts mit Kuscheln.