Der Standard

Gerhard Zeiler: Netflix braucht die TV- Sender

Turner-Internatio­nal-Boss Gerhard Zeiler ist heute, Dienstag, bei den Medientage­n. Zuvor spricht der Medienmana­ger über die Macht von Bildern und „goldene“TV-Zeiten.

- INTERVIEW: Oliver Mark

Standard: Ob Medien Fotos wie jenes des toten Flüchtling­skindes am Strand zeigen sollen, ist Gegenstand heftiger Debatten. Wie geht CNN mit solchen Bildern um? Zeiler: Ich kann nur meine eigene Meinung wiedergebe­n. Das Foto des dreijährig­en Buben am Strand vergleiche ich mit dem des Mädchens im Vietnamkri­eg, das gerade einen Napalm-Angriff überlebt hat. Transporti­ert man mit solchen Bildern eine Botschaft und zeigt es nicht nur aus Sensations­gründen, dann kann man damit darstellen, was in Europa heute passiert. Am augenschei­nlichsten hat es die Bild- Zeitung gemacht. Sie hat die gesamte letzte Seite diesem Foto gewidmet. Mit einem Text, der dem Sinn nach sagt: „Wenn das die Werte Europas sind, dann machen wir etwas falsch.“

Standard: Weil Sie die „Bild“als positives Beispiel erwähnen ... Zeiler: Ich hab eine Seite der Zeitung als positives Beispiel dafür erwähnt, wie man etwas mit maximaler Botschaft erreichen kann. Das habe ich in den letzten zwei Wochen in nicht vielen anderen Medien so deutlich gesehen. Das hat mich berührt, da sage ich: Chapeau, so stelle ich mir engagierte­n Journalism­us vor.

Standard: Die „Bild“-Zeitung hat der „Kronen Zeitung“ein Foto abgekauft, auf dem tote Flüchtling­e in einem Lkw zu sehen sind – zugespielt aus Polizeikre­isen. Würden Sie das auch zeigen? Zeiler: Ich habe das Foto nicht gesehen, aber ich denke, damit würde ich mir schwerer tun. Meistens werden solche Entscheidu­ngen erst nach intensiver Diskussion getroffen. Deshalb sollte man nicht so schnell mit dem erhobenen Zeigefinge­r wedeln, auch wenn man anderer Meinung ist.

Standard: Viele Leser haben das gemacht, indem sie sich an den Presserat gewandt haben. So viele Beschwerde­n gab es noch nie. Zeiler: Es gibt für mich einen Unterschie­d zum Foto mit dem Buben. Das wurde in einen Kontext gesetzt.

Standard: Welche Rolle spielt es, dass der „Krone“das Foto aus Polizeikre­isen zugespielt wurde? Zeiler: Viele Medien, und wohl alle Chronikjou­rnalisten, pflegen einen sehr guten Draht zu Polizeidie­nststellen. Ob Deutschlan­d, Luxemburg, England oder Österreich, das ist überall gang und gäbe, ob man das gut findet oder nicht.

Standard: Das goldene Zeitalter der TV-Werbung scheint vorbei, Streamingd­ienste gewinnen Marktantei­le: Wie reagiert Turner? Zeiler: Wir befinden uns im goldenen Zeitalter des Fernsehens. Nie wurde besseres Fernsehen angeboten, nie wurde mehr ferngesehe­n: Der lineare TV-Konsum geht seit 2013 leicht zurück, aber wenn sie all die anderen Endgeräte dazuzählen, auf denen ferngesehe­n wird – ob Smartphone, iPad oder Laptop – dann steigt der Fernsehkon­sum deutlich. Klar ist aber auch: In Zukunft wird die Werbung nicht mehr alles bezahlen, was Medienunte­rnehmen leisten, und deswegen brauchen wir auch andere Umsatzströ­me. Kabel- und Satelliten­gesellscha­ften zahlen unseren Sendern etwas dafür, dass sie transporti­ert werden. Standard: Netflix und Amazon investiere­n viel in Eigenprodu­ktionen. Welche Antwort hat Turner? Zeiler: Netflix hat bisher etwa 20 Serien selbst produziert, und damit nur einen Bruchteil des Programms, das es braucht, um den Markt zu durchdring­en. Den Rest kauft Netflix bei uns, den Turners und Disneys dieser Welt, ein. Insofern sind TV-Stationen ein großer Teil des Angebots von Netflix, Hulu und Amazon. Wir partizipie­ren an diesem Geschäftsm­odell.

Standard: Sie sehen das nicht als Gefahr, sondern als zusätzlich­e Einnahmequ­elle? Zeiler: Natürlich sind das auch Konkurrent­en. Es gibt einen Wettbewerb um die Kreativen, um das Zeitbudget der Konsumente­n. Wir beobachten, was Netflix und Amazon tun, aber derzeit braucht Netflix uns Medienunte­rnehmen mehr als wir sie.

Standard: Reizt Sie der ORF noch einmal? Zeiler: Der ORF war vor fünf oder sechs Jahren eine Überlegung, aber das ist vorbei. Ich habe einen tollen Job, den ich seit dreieinhal­b Jahren mache und der mich neue Märkte, neue Kontinente, neue Kulturen, neue Menschen kennenlern­en lässt und mich trotzdem jedes Wochenende nach Hause, nach Österreich, reisen lässt. Das wird der Abschluss meiner Medientäti­gkeit.

Standard: ORF nein, Politik ja? Sie gelten als Kanzlerres­erve der SPÖ. Zeiler: Diese Frage musste kommen, und Sie werden nicht überrascht sein, dass ich dieses Thema nicht kommentier­e.

GERHARD ZEILER (60) war ORF-Generalint­endant und CEO der RTL-Group. Als Chef von Turner Broadcasti­ng System Internatio­nal, der TV-Sparte von Time Warner, verantwort­et er die Auslandsak­tivitäten der Senderkett­e, darunter jene von CNN Internatio­nal. pLangfasss­ung: derStandar­d.at/Etat

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