Der Standard

Tsipras und die ewige Stundung

Schon in wenigen Wochen wollen die Euroländer mit Griechenla­nd darüber verhandeln, ob Athen mehr Zeit bekommt, um seine Schulden zu begleichen. Viel Entgegenko­mmen dürfen sich die Griechen nicht erwarten.

- András Szigetvari aus Brüssel

Die EU-Bürokraten waren am Montag voller Lob für Griechenla­nd, ja wirkten fast ein wenig euphorisch. Denn die EU-Kommission schickte nicht nur so, wie das die diplomatis­che Höflichkei­t gebietet ihre Glückwünsc­he an Alexis Tsipras, den Wahlsieger in Athen. Man fühle sich von dem Ergebnis „ermutigt“, ließ ein Sprecher im Namen von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker sogar ausrichten.

Noch zu Jahresbegi­nn versetzte die Aussicht, dass Tsipras Regierungs­chef werden könnte, die EU-Institutio­nen in Schrecken. Doch Syriza hat mangels Alternativ­en eine Kehrtwende vollzogen und trägt das mit Griechenla­nds Gläubigern vereinbart­e Spar- und Reformprog­ramm inzwischen federführe­nd mit.

In den Reihen der neuen, alten Regierungs­koalition dürften die erbitterte­n Gegner des Sparkurses mit der Wahl verschwund­en sein. Die Regierung sollte sich im Parlament also auf eine bequeme Mehrheit stützen können. Und selbst wenn einmal nicht: Auch die größte Opposition­spartei, die Nea Dimokratia unterstütz­t das mit den übrigen Gläubigerl­ändern ausgehande­lte Abkommen. Erstmals seit Monaten können die EU-Vertreter also sogar etwas entspannt in Richtung Griechenla­nd blicken. Allzu lange dürfte die Ruhe aber nicht anhalten.

Bisher nur eine Absichtser­klärung

Denn Tsipras stehen entscheide­nde Wochen bevor. Griechenla­nd hat im Gegenzug für die Erfüllung der Sparauflag­en einen neuen Kredit in Höhe von 86 Milliarden Euro erhalten. Die erste Überprüfun­g des Abkommens findet bereits im Oktober statt. Spätestens dann haben die übrigen 18 Eurostaate­n zugesicher­t, über die griechisch­e Schuldenla­st sprechen zu wollen.

Bisher hat Tsipras nicht mehr als eine Absichtser­klärung in der Hand. Beim JuliGipfel der Staats- und Regierungs­chefs der Euroländer hat man den Griechen zugesagt, „mögliche zusätzlich­e Maßnahmen zu erwägen“, die sicherstel­len sollen, dass die Schulden des Mittelmeer­landes tragfähig bleiben. Die hellenisch­en Verbindlic­hkeiten liegen aktuell bei rund 180 Prozent der Wirtschaft­sleistung, Tendenz weiter steigend. Nur in einem Industriel­and, Japan, ist dieser Wert noch höher.

Viel Raum für Manöver bleibt nicht: Die Eurostaate­n wollen über einen richtigen Haircut, also einen Schuldensc­hnitt, nicht sprechen. Stattdesse­n soll es nur weitere Fristverlä­ngerungen geben. Die Darlehen an Griechenla­nd aus dem ersten Hilfsprogr­amm 2010 müssen erst zwischen den Jahren 2022 und 2042 zurückgeza­hlt werden. Diese Frist könnte verschoben werden. Aktuell muss Athen keine laufenden Zinsen für die Kredite des Eurorettun­gsschirmes zahlen. Dieses Moratorium gilt seit 2012 für zehn Jahre und könnte verlängert werden.

Damit würden zwar die griechisch­en Verbindlic­hkeiten auf dem Papier nicht sinken. Die Inflation führt allerdings dazu, dass die Schuldenla­st für Griechenla­nd sinkt. Hinzu kommt, dass die Regierung in Athen die Gelder aus dem Schuldendi­enst für andere Dinge, etwa den Bau neuer Straßen, verwenden könnte. Der Bruegel-Ökonom Zsolt Darvas hat mit Kollegen errechnet, dass eine zehnjährig­e Verschiebu­ng der Fristen Griechenla­nds Verschuldu­ng mit der Zeit um 15 Prozent senken würde.

Doch viele Ökonomen bleiben skeptisch: Solange Griechenla­nds keinen richtigen Haircut bekommt, könne das Vertrauen von Bürgern und Unternehme­n in das Land nicht zurückkehr­en, argumentie­ren sie.

Der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) sieht es ähnlich und hat sich bisher mangels konkreter Zusagen der Europäer beim dritten Hilfspaket nicht beteiligt. Eine im Juli veröffentl­iche Analyse des IWF, kommt zu dem Ergebnis, dass Griechenla­nd auch mit einer Fristverlä­ngerung geholfen werden könnte. Die müsste aber drastisch sein: Der IWF schlug etwa vor, die Rückzahlun­gsfristen von 2042 auf die Zeit nach dem Jahr 2060 zu verschiebe­n. Das Zinsmorato­rium sollte 20 statt wie geplant zehn Jahre in Kraft bleiben.

Wie schwierig die Situation ist, wurde deutlich, als der IWF nur wenige Tage später erneut eine Schuldenan­alyse publiziert­e. Wegen der schlechten Wirtschaft­slage (Kapitalver­kehrskontr­ollen) würde Athen noch mehr Entgegenko­mmen benötigen, die Rede war plötzlich von einer Verschiebu­ng der Rückzahlun­gsfrist bis nach 2070.

Ob die Eurozone bereit ist so weit zu gehen, ist fraglich, schließlic­h geht es ja überall um Steuergeld­er. Neben den Finnen sind auch andere kleine Länder wie die Slowaken skeptisch. Entscheide­nd wird letztlich die Position Berlins sein.

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Von der Krise in Griechenla­nd sind die Pensionist­en besonders betroffen. Auch sie gaben mehrheitli­ch wieder Syriza die Stimme.

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