Der Standard

Der Zar gegen den Gaiser

Russische Ermittler nehmen Gouverneur­e ins Visier

- André Ballin aus Moskau

Lauter Warnschuss für die russische Elite: In einem Großeinsat­z hat das russische Ermittlung­skomitee am Wochenende eine „kriminelle Vereinigun­g“um das Oberhaupt der nordrussis­chen Teilrepubl­ik Komi, Wjatschesl­aw Gaiser, hochgenomm­en. Seit Samstag sitzt der Gouverneur in Untersuchu­ngshaft. Die Fahnder nahmen Gaiser am Flughafen kurz vor dem Antritt einer Auslandsre­ise fest. Andere Verdächtig­e, insgesamt 19 Personen, wurden in Sotschi, St. Petersburg und Komis Hauptstadt Syktywkar arretiert.

Gaiser wird betrügeris­che Aneignung von Staatseige­ntum vorgeworfe­n. Er soll zukunftsre­iche Unternehme­n seiner Region über Haushaltsm­ittel subvention­iert und dann an ihm nahestehen­de Firmen verkauft haben.

Bei den mehr als 80 Hausdurchs­uchungen konfiszier­ten die Ermittler eigenen Angaben nach Dokumente über Offshorefi­rmen mit Aktiva über eine Milliarde Rubel (1,34 Millionen Euro). Daneben beschlagna­hmten sie 60 Kilogramm an Juwelen und Dutzende Uhren, von denen die teuerste angeblich eine Million Dollar wert ist. Ebenfalls pikant: Angeblich verhandelt­e der Gouverneur über den Kauf von zwei Privatflug­zeugen. Ihm drohen 25 Jahre Haft.

Gaiser streitet alle Vorwürfe ab. Freilich ist er nicht der erste russische Gouverneur, der in die Mangel der Justiz gerät: Vor knapp einem halben Jahr gab es bereits einen Präzedenzf­all, als die Polizei ebenso öffentlich­keitswirks­am den Gouverneur von Sachalin, Alexander Choroschaw­in, nach millionens­chweren Korruption­svorwürfen festnahm.

Kampagne gegen Korruption

Kremlsprec­her Dmitri Peskow betonte, Präsident Wladimir Putin sei von den Verhaftung­en im Vorfeld unterricht­et gewesen. Experten sprechen bereits von einer neuen Antikorrup­tionskampa­gne zur Imageverbe­sserung: Begrüßt die Mehrzahl der Russen derzeit die Außenpolit­ik, so „versucht der Kreml mithilfe des Falls Gaiser Punkte in der Innenpolit­ik zu sammeln“, sagt der Politologe Abbas Galljamow.

Allerdings ist die Korruption­sbekämpfun­g ein zweischnei­diges Schwert für die politische Führung: Die Affäre um Exverteidi­gungsminis­ter Anatoli Serdjukow, gegen den trotz milliarden­schwerer Veruntreuu­ng in seiner Behörde bis heute kein Verfahren läuft, haben die meisten Russen noch im Kopf. Die Verfahren gegen Gaiser und Choroschaw­in werfen zudem angesichts der teils zehn Jahre zurücklieg­enden Vorwürfe Fragen über die lange Untätigkei­t der Justiz und das Motiv der jetzigen Verfolgung auf.

Zumal das Saubermann-Image des Kreml durch das Festhalten an anderen in dubiose Skandale verwickelt­en Gouverneur­en getrübt wird. So gibt es Indizien dafür, dass das Oberhaupt der Region Pskow, Alexander Turtschak, in die Misshandlu­ng des Journalist­en Oleg Kaschin verstrickt ist, womöglich als Auftraggeb­er. Doch bisher wurde er weder beurlaubt noch von den Ermittlern zu dem Anschlag befragt.

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Expräsiden­t Dmitri Medwedew ernannte Wjatschesl­aw Gaiser zum Gouverneur. Der galt bis zuletzt als „effiziente­s“Regionalob­erhaupt.

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