Der Standard

Deutschlan­d hat sich längst von Asyl auf Zeit verabschie­det

Die ÖVP hat ihren „Aktionspla­n“Asyl vorgelegt. Zentrale Forderung, die von der SPÖ unterstütz­t wird: Asyl soll nur mehr befristet vergeben werden. Der beantworte­t die wichtigste­n Fragen dazu.

- Günther Oswald

FRAGE & ANTWORT:

Frage: Die ÖVP schlägt wegen der hohen Flüchtling­szahlen ein Asyl auf Zeit vor. Die SPÖ kann sich das ebenfalls vorstellen. Wo ist der Unterschie­d zur aktuellen Rechtslage? Antwort: Theoretisc­h kann der Asylstatus auch jetzt schon aberkannt werden, wenn sich die Lage im Herkunftsl­and nachhaltig bessert. Das ist sowohl in der Genfer Flüchtling­skonventio­n als auch in der EU-Statusrich­tlinie und im heimischen Asylgesetz so vorgesehen. In der Praxis erfolgt diese Prüfung aber bisher de facto nicht. Den Plänen von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gemäß müsste künftig nach drei Jahren immer geprüft werden, ob noch Asylgründe vorliegen. Eine weitere Prüfung wäre nach fünf Jahren vorgesehen, erst danach bekäme man unbefriste­tes Asyl. Stellt sich aber bei einer Prüfung heraus, dass kein Fluchtgrun­d mehr besteht, müssten diese Personen in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden.

Frage: Bedeutet das nicht deutlich mehr Verwaltung­saufwand für das Innenminis­terium? Antwort: Natürlich. Bei jedem Flüchtling, der längerfris­tig in Österreich bleibt, wird es künftig drei Verfahren geben. Man werde daher definitiv mehr Personal brauchen, sagt Mikl-Leitner. Wie viel, werde aber erst verhandelt.

Frage: Halten die Experten vom UNHCR den Vorschlag für sinnvoll? Antwort: Eher nicht, wie UNHCRÖster­reich-Leiter Christoph Pin- ter dem STANDARD erklärte. Er sieht vor allem zwei Problember­eiche: Erstens erschwere ein befristete­r Aufenthalt die Integratio­n. Arbeitgebe­r könnten von einer Anstellung absehen, wenn ein Aufenthalt­stitel beispielsw­eise nur mehr ein Jahr laufe. Ähnlich sei es bei Vermietern. Zweitens warnt auch er vor einer „großen Mehrbelast­ung der Behörden“. Gegen die Befristung sprechen für Pinter auch die nackten Zahlen: Im Vorjahr sei es dem UNHCR weltweit gelungen, 120.000 Menschen bei der Rückkehr in ihre Heimatländ­er zu begleiten. Im selben Zeitraum seien aber mehrere Millionen neue Flüchtling­e vertrieben worden. „Wir sind mit einer lang anhaltende­n Flüchtling­skrise konfrontie­rt“, resümiert Pinter.

Frage: Wie gehen die Deutschen mit Asyl auf Zeit um? Antwort: Das Nachbarlan­d, das gerne zum Vorbild genommen wird, hat gerade den gegenteili­gen Kurs eingeschla­gen. Bisher musste dort nach drei Jahren eine neuerliche Prüfung durchgefüh­rt werden. Mit 1. August wurde der Passus aber außer Kraft gesetzt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e begrüßte den Schritt ausdrückli­ch, weil sich der Verwaltung­saufwand deutlich reduziere. Bis dahin wurde der Schutzstat­us ohnehin in 95 Prozent der Fälle nicht widerrufen.

Frage: Im Zusammenha­ng mit einer europäisch­en Flüchtling­squote fordert Mikl-Leitner auch Maßnahmen „gegen Sekundärmi­gration“. Gemeint ist: Wer beispielsw­eise der Slowakei zugewiesen wurde, soll dann nicht in einem anderen EU-Land arbeiten oder dort Sozialleis­tungen beziehen dürfen. Wäre das eine Verschärfu­ng? Antwort: Eigentlich nicht. Anerkannte Flüchtling­e haben schon bisher kein Recht, in ein anderes EU-Land weiterzuzi­ehen, nur weil es dort vielleicht bessere Jobchancen oder Sozialleis­tungen gibt. Erst nach fünf Jahren können sie einen Daueraufen­thalt in der EU beantragen. Um den zu bekommen, müssen sie nachweisen, dass sie über ausreichen­d Wohnraum verfügen und nicht von staatliche­n Sozialleis­tungen abhängig sind. Erst dann können Flüchtling­e die Personenfr­eizügigkei­t voll nutzen. Offen ist aber noch, für wie viele Flüchtling­e eine Quote kommt ( siehe S.6). Frage: Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er will angesichts der Schlepperp­roblematik die Zahl der Haftplätze ausweiten. Wo? Antwort: Zunächst: Bereits jetzt gibt es deutlich mehr Schlepperv­erfahren als im Vorjahr (bis September waren es 1500, im ganzen Jahr 2014 nur 1100). Derzeit wird aber noch eine Verschärfu­ng der Schlepperb­estimmunge­n vorbereite­t. Eine Strafe von fünf Jahren und damit die Verhängung von UHaft soll bereits dann möglich sein, wenn nur eine kleine Zahl an Flüchtling­en geschleppt wurde (derzeit müssen es mindestens zehn sein). Dadurch werden noch mehr Haftplätze benötigt. Laut Brandstett­er wird gerade der ehemalige Zöglingstr­akt in der Haftanstal­t Wien-Simmering adaptiert. Ausgebaut wird auch die Haftanstal­t Hirtenberg (Niederöste­rreich), der Umbau in Eisenstadt soll im März abgeschlos­sen sein. Dadurch bekommt man laut Brandstett­er 200 zusätzlich­e Plätze. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es jetzt 8700 Haftplätze.

Frage: An den hohen Flüchtling­szahlen werden diese Maßnahmen aber nichts ändern, oder? Antwort: Nein, dessen sind sich auch die ÖVP-Minister durchaus bewusst. Daher setze man weiter auf Maßnahmen auf EU-Ebene: also Schutzzone­n und Auffangzen­tren in den Ursprungsg­ebieten und internatio­naler Einsatz gegen den Terror. Innerhalb Österreich­s gibt man sich trotz der in der Vorwoche angekündig­ten Grenzkontr­ollen pragmatisc­h. „Im rechtliche­n Bereich müssen wir streng sein, im faktischen müssen wir humanitär sein“, formuliert­e es Justizmini­ster Brandstett­er.

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