Eine Rosskur mit Amtsschimmel
Helfen ist nicht einfach. Die zivilgesellschaftlichen Helfer in Nickelsdorf und die organisierten vom Roten Kreuz sind nun aneinandergeraten. Es geht um lebensmittelrechtliche Bestimmungen, allfälligen Versicherungsschutz und die Ordnung des Ablaufs.
Nickelsdorf – Tag 17. Nikolaus Eberstaller führt penibel Buch auf Facebook. Aber allmählich reicht es ihm, der mit einem ganzen Netzwerk – nicht nur facebookisch, sondern in echt, Face-toFace – am Hotspot Nickelsdorf jene zivilgesellschaftliche Flüchtlingshilfe auf die Beine gestellt hat, auf die ganz Österreich, vom Bundespräsidenten abwärts, stolz ist in diesen Tagen. Auch am Tag 17 der Flüchtlingskrise.
Aber den Helfern ist in diesen 17 Tagen halt auch einiges an Geimpftem aufgegangen. Eberstaller und sein vom Weingut Umathum initiiertes regionales Netzwerk „Region Neusiedler See hilft“ist mit seiner Grenzhilfe auch an die Grenzen der Bürokratie gestoßen. Die kennt zum Beispiel den Begriff HACCP – Hazard Analysis an Critical Control Point –, auf dem alle europäischen Lebensmittelhygieneverordnungen beruhen.
Und mit HACCP – Eberstaller: „Warum muss man in so einer Notsituation unbedingt den Amtsschimmel reiten?“– wird die warme Ausspeisung gehemmt bis vereitelt. „Eigentlich tun wir hier was Illegales, das Rote Kreuz hat halt weggeschaut.“Eberstaller hat deshalb auf Facebook etwas begonnen, das Tobias Mindler, der Spre- cher der Roten Kreuzes, als „kleinen Shitstorm“bezeichnet.
Klassisch geradezu: Zivilhelfer, getragen von Enthusiasmus, prallen auf hierarchisch eingespielte Strukturen. Eberstaller: „Wir würden uns eh gerne einordnen, haben aber keine Ansprechpartner.“Mindler: „Die liefern, ohne sich mit uns abzusprechen.“Man habe hier nicht bloß auf warme Verpflegung zu achten. „Es geht um Crowd-Management.“Kalte Verpflegung gebe es eh reichlich, „wir sind eine Durchgangsstation“.
Schlangen stünden wartend an der Rampe. Wasser aus einem von einem Golser Weinbauern zur Verfügung gestellten Edelstahltank, in Pappbecher gereicht, würden zum Beispiel den Ankommens-Abtransport-Rhythmus entscheidend stören. Deshalb die kleinen Plastikflaschen. Eberstaller sieht die Bilder mit weggeworfenen Plastikflaschen, die für so viel hasserfüllten Unmut sorgen.
10.000 Essen am Tag haben die pannonischen Grenzhelfer zuletzt zur Verfügung gestellt. Großküchen aus der Gegend haben sich daran beteiligt. „Drei islamische Vereine liefern laufend. Das türkisch-islamische Zentrum aus Traiskirchen, die muslimische Gesellschaft in Wien und die muslimische Schulküche aus Wien.“
Nikolaus Eberstaller – ein international tätiger Künstler und sehr umtriebiger Gebrauchsgrafiker – fühlt sich mit seiner und seines Netzwerks Hilfe als vom Roten Kreuz bloß Geduldeter im Räderwerk der zweifellos herausfordernden Nickelsdorfer Flüchtlingshilfe. „Wenn einem Helfer was passieren würde: Niemand von uns ist versichert.“Ein Offiziellmachen der zivilgesellschaftlichen Hilfe würde er sich wünschen. Tobias Mindler verweist darauf, dass „wir ein Formular haben, wo man auch nur zeitweilig dem Roten Kreuz als Helfer beitre- ten könnte. Dann gebe es auch Versicherungsschutz.“Genau das aber will Eberstaller nicht. Er will „Zivilgesellschaft“bleiben.
Der „kleine Shitstorm“hat sich zu einer ansehnlichen Befetzung auf Facebook entwickelt. Eberstaller ist empört über die Hemmung und Missachtung der zivilgesellschaftlichen Hilfe. Mindler hat den Krisenstab um Entscheidungshilfe gebeten. Der hat am Montagnachmittag entschieden: Hilfe aus der Bevölkerung erbeten, aber Anlieferung nicht mehr zum Flugdach, sondern zur NovaRock-Halle. Mindler: „Am liebsten wären uns rohe Nahrungsmittel: Reis, Nudeln und so weiter.“Das Bundesheer sei mit der Feldküche da. „Nur so kann das Halten der Temperatur garantiert werden.“Das sei eine zentrale HACCP-Forderung. Und: „Jeder Helfer muss sich als Rotkreuzler akkreditieren.“Das garantiere auch den Versicherungsschutz.