Macrons neuestes Bömbchen
Der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron versucht, die Blockaden der französischen Wirtschaft zu sprengen. Seine improvisierten Vorstöße bewirken aber oft das Gegenteil.
Mit seinen blauen Augen und dem charmanten Lächeln wirkt er, als könne er kein Wässerchen trüben. Weit gefehlt – Emmanuel Macron tut nichts lieber, als Steine in besagtes Wasser zu werfen. Schwere Steine. Sie spritzen in Frankreich so stark auf, dass selbst der Vorgesetzte François Hollande bisweilen wie begossen dasteht.
Dabei war Macron vor gut einem Jahr vom gleichen Staatspräsidenten zum Wirtschaftsminister ernannt worden. Damals kannte noch kaum jemand den einstigen Investor der Bank Rothschild, Mitglied der sozialistischen Partei und verheiratet mit einer Frau, die seine Mutter sein könnte (in Wirklichkeit ist es seine frühere Lehrerin).
Macron gibt sich mit seinen 37 Jahren aber nicht mit der Statistenrolle zufrieden. Ein Gesetz trägt bereits seinen Namen: Das „Loi Macron“enthält einen Katalog von Maßnahmen, die die stockenden Wirtschaftsabläufe in Frankreich wieder in Fluss bringen sollen – zum Beispiel, indem sie Sonntagsarbeit in touristischen Zonen zulassen. Am meisten Widerstände erwachsen dem laut Umfragen sehr populären Minister aus der eigenen Partei: Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, will etwa die meisten Viertel der Hauptstadt von Sonntagsarbeit ausnehmen.
Solche Widerstände scheinen der chronisch guten Laune des Ministers keinen Abbruch zu tun. Zäh kämpft er für die Ausführungserlasse zu seinem Gesetz, dem bald ein „Loi Macron 2“folgen soll. Denn er wird meist von höchster Stelle unterstützt. Hollande lässt seinen freizügigen Jungminister in dem Bewusstsein von der Leine, dass die Wirtschaftskonjunktur auch seine eigenen Wiederwahlchancen erhöht, wenn nicht bedingt. Doch die präsidiale Unterstützung ist beschränkt, ja unsicher: Der Staatspräsident muss auch auf den linken Flügel seiner Parti socialiste Rücksicht nehmen.
Macron wird dadurch oft in seinem Elan gebremst. Doch den Mund lässt er sich nicht verbieten. Halb naiv, halb provokativ setzt er sich alle paar Tage in die politischen Nesseln. Am liebsten kratzt er an den sozialen Tabus seiner eigenen Partei, etwa der 35-Stunden-Woche. „Die Linke glaubte, dass es Frankreich bessergehe, wenn man weniger arbeitet“, dozierte der ausgebildete Philosoph und ehemalige Freizeitboxer unlängst. „Das waren falsche Ideen.“
Hollande konnte diesen Frontalangriff auf die „35 heures“nicht hinnehmen, hängen doch an dieser Errungenschaft des früheren sozialistischen Premiers Lionel Jospin vor allem die Staatsbeamten, das heißt, die rar gewordenen Wähler des Präsidenten. Also musste Premier Manuel Valls den Sonnyboy-Minister abkanzeln und erklären, die gesetzliche Arbeitszeit sei sakrosankt, daran gebe es nichts zu rütteln.
Doch schon macht sich Macron daran, eine weitere heilige Kuh infrage zu stellen. Bei einem Mittagessen dachte er laut darüber nach, ob das französische Beamtenstatut noch aktuell sei: „Ich sehe nicht ein, warum einige leitende Angestellte meines Ministeriums eine Jobgarantie auf Lebenszeit haben, während der Chefinfor- Kratzt an den sozialen Tabus seiner Partei: Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, der sich auch bei gesellschaftlichen Anlässen mit seiner Frau (seiner ehemaligen Französischlehrerin) ins Rampenlicht zu stellen weiß. matiker eines Unternehmens nur einen Kurzzeitvertrag erhält.“
Der immer noch wie ein Banker gekleidete Minister machte die Bemerkung ausdrücklich „off the record“(nicht öffentlich), konnte aber sicher sein, dass sich die anwesenden Journalisten nicht daran halten würden. Sein neuestes Bömbchen beherrschte am Wochenende die Schlagzeilen in Paris. Die kommunistische Zeitung L’Humanité zürnte dem „Minister, von dessen sozialistischer Etikette nichts übrig bleibt“, das konservative Magazin jubelte hingegen, es bleibe „nur noch Nordkorea“, wenn Frankreich sein sakrosanktes Beamtenstatut endlich abschaffe.
So weit ist es allerdings noch nicht. Die Frage stellt sich, wie viel Macron mit seinen verbalpolitischen Sprengsätzen überhaupt bewirkt. Hollande pfiff ihn am Wochenende umgehend zurück und erklärte in seinem ehemaligen Wahlkreis bei der Preisverleihung an einen Beamten, er halte „an dem Beamtenstatut fest“. Jede vernünftige Debatte über die notwendige Entwicklung der diversen Arbeitsstatute – von denen Berufseinsteiger heute ohnehin ausgeschlossen sind – wird durch dieses präsidiale Machtwort von vornherein verunmöglicht.
Als Wirtschaftsminister hätte Macron die Möglichkeit, einen wohlüberlegten Gesetzesvorschlag einzubringen. Das würde aber mehr Vorarbeit als eine hingeworfene Bemerkung erfordern. Von der er sich am Montag sogar selbst distanzieren musste: Die Aussagen zum Beamtenstatut seien, so Macron, „nur teilweise überliefert“worden und gäben „eine verformte Version meiner Ideen“wieder. Sie werden damit nicht weiterverfolgt.