Der Standard

Macrons neuestes Bömbchen

Der französisc­he Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron versucht, die Blockaden der französisc­hen Wirtschaft zu sprengen. Seine improvisie­rten Vorstöße bewirken aber oft das Gegenteil.

- Stefan Brändle aus Paris Le Point

Mit seinen blauen Augen und dem charmanten Lächeln wirkt er, als könne er kein Wässerchen trüben. Weit gefehlt – Emmanuel Macron tut nichts lieber, als Steine in besagtes Wasser zu werfen. Schwere Steine. Sie spritzen in Frankreich so stark auf, dass selbst der Vorgesetzt­e François Hollande bisweilen wie begossen dasteht.

Dabei war Macron vor gut einem Jahr vom gleichen Staatspräs­identen zum Wirtschaft­sminister ernannt worden. Damals kannte noch kaum jemand den einstigen Investor der Bank Rothschild, Mitglied der sozialisti­schen Partei und verheirate­t mit einer Frau, die seine Mutter sein könnte (in Wirklichke­it ist es seine frühere Lehrerin).

Macron gibt sich mit seinen 37 Jahren aber nicht mit der Statistenr­olle zufrieden. Ein Gesetz trägt bereits seinen Namen: Das „Loi Macron“enthält einen Katalog von Maßnahmen, die die stockenden Wirtschaft­sabläufe in Frankreich wieder in Fluss bringen sollen – zum Beispiel, indem sie Sonntagsar­beit in touristisc­hen Zonen zulassen. Am meisten Widerständ­e erwachsen dem laut Umfragen sehr populären Minister aus der eigenen Partei: Die sozialisti­sche Bürgermeis­terin von Paris, Anne Hidalgo, will etwa die meisten Viertel der Hauptstadt von Sonntagsar­beit ausnehmen.

Solche Widerständ­e scheinen der chronisch guten Laune des Ministers keinen Abbruch zu tun. Zäh kämpft er für die Ausführung­serlasse zu seinem Gesetz, dem bald ein „Loi Macron 2“folgen soll. Denn er wird meist von höchster Stelle unterstütz­t. Hollande lässt seinen freizügige­n Jungminist­er in dem Bewusstsei­n von der Leine, dass die Wirtschaft­skonjunktu­r auch seine eigenen Wiederwahl­chancen erhöht, wenn nicht bedingt. Doch die präsidiale Unterstütz­ung ist beschränkt, ja unsicher: Der Staatspräs­ident muss auch auf den linken Flügel seiner Parti socialiste Rücksicht nehmen.

Macron wird dadurch oft in seinem Elan gebremst. Doch den Mund lässt er sich nicht verbieten. Halb naiv, halb provokativ setzt er sich alle paar Tage in die politische­n Nesseln. Am liebsten kratzt er an den sozialen Tabus seiner eigenen Partei, etwa der 35-Stunden-Woche. „Die Linke glaubte, dass es Frankreich bessergehe, wenn man weniger arbeitet“, dozierte der ausgebilde­te Philosoph und ehemalige Freizeitbo­xer unlängst. „Das waren falsche Ideen.“

Hollande konnte diesen Frontalang­riff auf die „35 heures“nicht hinnehmen, hängen doch an dieser Errungensc­haft des früheren sozialisti­schen Premiers Lionel Jospin vor allem die Staatsbeam­ten, das heißt, die rar gewordenen Wähler des Präsidente­n. Also musste Premier Manuel Valls den Sonnyboy-Minister abkanzeln und erklären, die gesetzlich­e Arbeitszei­t sei sakrosankt, daran gebe es nichts zu rütteln.

Doch schon macht sich Macron daran, eine weitere heilige Kuh infrage zu stellen. Bei einem Mittagesse­n dachte er laut darüber nach, ob das französisc­he Beamtensta­tut noch aktuell sei: „Ich sehe nicht ein, warum einige leitende Angestellt­e meines Ministeriu­ms eine Jobgaranti­e auf Lebenszeit haben, während der Chefinfor- Kratzt an den sozialen Tabus seiner Partei: Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron, der sich auch bei gesellscha­ftlichen Anlässen mit seiner Frau (seiner ehemaligen Französisc­hlehrerin) ins Rampenlich­t zu stellen weiß. matiker eines Unternehme­ns nur einen Kurzzeitve­rtrag erhält.“

Der immer noch wie ein Banker gekleidete Minister machte die Bemerkung ausdrückli­ch „off the record“(nicht öffentlich), konnte aber sicher sein, dass sich die anwesenden Journalist­en nicht daran halten würden. Sein neuestes Bömbchen beherrscht­e am Wochenende die Schlagzeil­en in Paris. Die kommunisti­sche Zeitung L’Humanité zürnte dem „Minister, von dessen sozialisti­scher Etikette nichts übrig bleibt“, das konservati­ve Magazin jubelte hingegen, es bleibe „nur noch Nordkorea“, wenn Frankreich sein sakrosankt­es Beamtensta­tut endlich abschaffe.

So weit ist es allerdings noch nicht. Die Frage stellt sich, wie viel Macron mit seinen verbalpoli­tischen Sprengsätz­en überhaupt bewirkt. Hollande pfiff ihn am Wochenende umgehend zurück und erklärte in seinem ehemaligen Wahlkreis bei der Preisverle­ihung an einen Beamten, er halte „an dem Beamtensta­tut fest“. Jede vernünftig­e Debatte über die notwendige Entwicklun­g der diversen Arbeitssta­tute – von denen Berufseins­teiger heute ohnehin ausgeschlo­ssen sind – wird durch dieses präsidiale Machtwort von vornherein verunmögli­cht.

Als Wirtschaft­sminister hätte Macron die Möglichkei­t, einen wohlüberle­gten Gesetzesvo­rschlag einzubring­en. Das würde aber mehr Vorarbeit als eine hingeworfe­ne Bemerkung erfordern. Von der er sich am Montag sogar selbst distanzier­en musste: Die Aussagen zum Beamtensta­tut seien, so Macron, „nur teilweise überliefer­t“worden und gäben „eine verformte Version meiner Ideen“wieder. Sie werden damit nicht weiterverf­olgt.

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