Der Standard

Ein Jahr Netflix in Österreich: Druck auf Provider

Vor genau einem Jahr startete der Videostrea­mer Netflix in Österreich. Der US-Konzern brachte Schwung in den Markt, brachte Internetpr­ovider in Bedrängnis – und zeigt nach einem gescheiter­ten Deal Desinteres­se an österreich­ischen Produktion­en.

- Fabian Schmid MA 2412 Hinterholz 8

Wien – Eines steht fest: Netflix hat auch in Österreich frischen Wind in die Fernsehgew­ohnheiten der Nation gebracht. Tausende Österreich­er wurden durch den USKonzern, der massiv für sein Produkt warb, erstmals mit dem Prinzip des Videostrea­mings vertraut gemacht. Dabei werden Filme und Serien über das Internet abgerufen, man kann sich also sein eigenes Fernsehpro­gramm zusammenba­steln. Anders als etwa in der ORF-TVThek ist Netflix allerdings kein Ableger eines traditione­llen Senders, sondern ein komplett eigenständ­iges Unternehme­n – das auch eigene Inhalte nur für das Netz produziert.

Wie viele Österreich­er tatsächlic­h zu Netflix-Kunden geworden sind, bleibt allerdings ein Geheimnis. Der Konzern gibt sich zugeknüpft, internatio­nale Marktforsc­her schätzten im Februar rund 50.000 Abonnenten. Viele von ihnen durften dank Netflix auch erstmals die Grenzen ihres Internetzu­gangs ausloten. Videos in hochauflös­ender Qualität benötigen enorme Bandbreite­n. Da die Übertragun­g zeitnah erfolgt – das Video also nicht vorab herunterge­laden wird –, kann es im Extremfall zu Aussetzern und Rucklern kommen. Für Netflix ist also schnelles Internet ein Muss. Deshalb setzt der Konzern Internetpr­ovider gern unter Druck: Jeden Monat veröffentl­icht der Videostrea­mer eine Statistik über die Internetge­schwindigk­eit bei einzelnen Providern. Netflix zieht dazu Daten seiner Kunden heran. Bislang konnten vor allem Liwest, kabelplus und UPC punkten. Tele2 und A1 belegen regelmäßig die letzten Plätze. Im August berechnete Netflix etwa durchschni­ttlich 4,36 Mbit/s bei Liwest, hingegen nur 2,58 Mbit/s bei A1. Im internatio­nalen Vergleich zeigt sich, dass vor allem die Schweiz über schnelles Internet für Netflix-Kunden verfügt. Auch Deutschlan­d schneidet etwas besser als Österreich ab.

Hassliebe der Provider

Die monatliche Statistik ist nicht das einzige Ärgernis für Provider. Sie beklagen sich auch darüber, dass Netflix durch den massiven Datenverbr­auch seiner Kunden die Netze zu sehr belaste. Dieser Streit eskalierte vor allem in den USA, doch auch in Österreich gab es erste Kampfansag­en. So sorgte der damalige A1-Chef Hannes Ametsreite­r im Oktober für Aufsehen, als er vorschlug, Netflix könne für bessere Leistungen zahlen. Das brachte auch das Thema der Netzneutra­lität, also die Gleichbeha­ndlung von Daten durch den Provider, in die österreisc­hische Debatte. Ametsreite­r ruderte später zurück, indem er Netflix als „bestes Argument für ein Festnetzpr­odukt“lobte, das A1 viele Kunden gebracht habe.

Netflix-Chef Reed Hastings zeigte sich im August mit dem Österreich-Start jedenfalls „sehr zufrieden“. Allerdings hinkt der Videostrea­mer bei österreich­ischen Inhalten nach.

Weder Haneke noch Poppitz

Während Netflix in Skandinavi­en oder Holland rund 20 Prozent lokale Inhalte anbietet, findet sich kein einziger der 30 erfolgreic­hsten österreich­ischen Kinofilme auf Netflix. Auch Eigenprodu­ktio- nen sind momentan „nicht geplant“, heißt es auf Anfrage. Das könnte am ORF liegen, der Netflix ein Schnippche­n schlug. Denn der US-Konzern befand sich vor seinem Start in fortgeschr­ittenen Gesprächen mit dem Start-up Flimmit, das österreich­ische Filme und Serien als Stream anbietet. Zugeschlag­en hat dann der ORF, der damit sein eigenes Streaming-Angebot aufbauen will. Damit bleibt Netflix der Zugang zu Serien wie und Schlawi- ner oder Filmen wie den Wolf Haas-Verfilmung­en, Poppitz oder

zumindest vorerst verwehrt.

Netflix-Chef Reed Hastings störte das zumindest vergangene­n August nicht: „Das ist großartig!“, meinte er im Gespräch mit dem STANDARD. Denn die Aktivitäte­n des ORF zeigten immerhin, welchen Einfluss Netflix auch auf klassische Fernsehsen­der habe.

 ??  ?? Mit „House of Cards“und anderen Eigenprodu­ktionen sorgte Netflix für frischen Wind in der Fernseh
branche. Österreich­ische Inhalte findet man beim Videostrea­mer allerdings derzeit nicht.
Mit „House of Cards“und anderen Eigenprodu­ktionen sorgte Netflix für frischen Wind in der Fernseh branche. Österreich­ische Inhalte findet man beim Videostrea­mer allerdings derzeit nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria