Ein Jahr Netflix in Österreich: Druck auf Provider
Vor genau einem Jahr startete der Videostreamer Netflix in Österreich. Der US-Konzern brachte Schwung in den Markt, brachte Internetprovider in Bedrängnis – und zeigt nach einem gescheiterten Deal Desinteresse an österreichischen Produktionen.
Wien – Eines steht fest: Netflix hat auch in Österreich frischen Wind in die Fernsehgewohnheiten der Nation gebracht. Tausende Österreicher wurden durch den USKonzern, der massiv für sein Produkt warb, erstmals mit dem Prinzip des Videostreamings vertraut gemacht. Dabei werden Filme und Serien über das Internet abgerufen, man kann sich also sein eigenes Fernsehprogramm zusammenbasteln. Anders als etwa in der ORF-TVThek ist Netflix allerdings kein Ableger eines traditionellen Senders, sondern ein komplett eigenständiges Unternehmen – das auch eigene Inhalte nur für das Netz produziert.
Wie viele Österreicher tatsächlich zu Netflix-Kunden geworden sind, bleibt allerdings ein Geheimnis. Der Konzern gibt sich zugeknüpft, internationale Marktforscher schätzten im Februar rund 50.000 Abonnenten. Viele von ihnen durften dank Netflix auch erstmals die Grenzen ihres Internetzugangs ausloten. Videos in hochauflösender Qualität benötigen enorme Bandbreiten. Da die Übertragung zeitnah erfolgt – das Video also nicht vorab heruntergeladen wird –, kann es im Extremfall zu Aussetzern und Rucklern kommen. Für Netflix ist also schnelles Internet ein Muss. Deshalb setzt der Konzern Internetprovider gern unter Druck: Jeden Monat veröffentlicht der Videostreamer eine Statistik über die Internetgeschwindigkeit bei einzelnen Providern. Netflix zieht dazu Daten seiner Kunden heran. Bislang konnten vor allem Liwest, kabelplus und UPC punkten. Tele2 und A1 belegen regelmäßig die letzten Plätze. Im August berechnete Netflix etwa durchschnittlich 4,36 Mbit/s bei Liwest, hingegen nur 2,58 Mbit/s bei A1. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass vor allem die Schweiz über schnelles Internet für Netflix-Kunden verfügt. Auch Deutschland schneidet etwas besser als Österreich ab.
Hassliebe der Provider
Die monatliche Statistik ist nicht das einzige Ärgernis für Provider. Sie beklagen sich auch darüber, dass Netflix durch den massiven Datenverbrauch seiner Kunden die Netze zu sehr belaste. Dieser Streit eskalierte vor allem in den USA, doch auch in Österreich gab es erste Kampfansagen. So sorgte der damalige A1-Chef Hannes Ametsreiter im Oktober für Aufsehen, als er vorschlug, Netflix könne für bessere Leistungen zahlen. Das brachte auch das Thema der Netzneutralität, also die Gleichbehandlung von Daten durch den Provider, in die österreischische Debatte. Ametsreiter ruderte später zurück, indem er Netflix als „bestes Argument für ein Festnetzprodukt“lobte, das A1 viele Kunden gebracht habe.
Netflix-Chef Reed Hastings zeigte sich im August mit dem Österreich-Start jedenfalls „sehr zufrieden“. Allerdings hinkt der Videostreamer bei österreichischen Inhalten nach.
Weder Haneke noch Poppitz
Während Netflix in Skandinavien oder Holland rund 20 Prozent lokale Inhalte anbietet, findet sich kein einziger der 30 erfolgreichsten österreichischen Kinofilme auf Netflix. Auch Eigenproduktio- nen sind momentan „nicht geplant“, heißt es auf Anfrage. Das könnte am ORF liegen, der Netflix ein Schnippchen schlug. Denn der US-Konzern befand sich vor seinem Start in fortgeschrittenen Gesprächen mit dem Start-up Flimmit, das österreichische Filme und Serien als Stream anbietet. Zugeschlagen hat dann der ORF, der damit sein eigenes Streaming-Angebot aufbauen will. Damit bleibt Netflix der Zugang zu Serien wie und Schlawi- ner oder Filmen wie den Wolf Haas-Verfilmungen, Poppitz oder
zumindest vorerst verwehrt.
Netflix-Chef Reed Hastings störte das zumindest vergangenen August nicht: „Das ist großartig!“, meinte er im Gespräch mit dem STANDARD. Denn die Aktivitäten des ORF zeigten immerhin, welchen Einfluss Netflix auch auf klassische Fernsehsender habe.