Der Standard

Transatlan­tischer Datenschut­z

Europa und die USA finalisier­en neues Abkommen

-

Brüssel/Wien – Das Vertrauens­verhältnis war angeknacks­t: Nach etlichen Berichten über NSA-Spionage in Europa funkte es zwischen den USA und der EU nicht mehr so richtig, zumindest beim Thema Datenschut­z. Jetzt sollen die Probleme der Vergangenh­eit mit einem neuen Datenschut­zabkommen in Vergessenh­eit geraten. Nach fünfjährig­en Verhandlun­gen verkündete EU-Justizkomm­issarin Vêra Jourová vor zwei Wochen einen „sehr zufriedens­tellenden“Kompromiss. EU-Bürger sollen künftig vor US-Gerichte ziehen dürfen, wenn ihre Daten missbrauch­t wurden. Außerdem können Europäer Einblick in die von US-Behörden über sie gespeicher­ten Daten verlangen und gegebenenf­alls Korrekture­n beantragen.

Das Abkommen, das noch EUParlamen­t und US-Kongress passieren muss, beschäftig­t sich auch mit Höchstspei­cherfrist: Hier konnten die Verhandler sich allerdings nicht auf eine bestimmte Dauer einigen, im Text findet sich – zum Unmut von Datenschüt­zern – deshalb nur die Formulieru­ng, „angemessen­e Speicherfr­isten“müssten eingehalte­n werden. Das Abkommen betrifft lediglich jene Daten, die zum Zweck der Kriminalit­äts- und Terrorbekä­mpfung über den Atlantik wandern.

Kein sicherer Hafen mehr

Die Nutzung kommerziel­ler Daten ist hingegen im „Safe Harbor“-Abkommen festgelegt, das am morgigen Mittwoch erneut den Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) beschäftig­en wird. Der österreich­ische Jurist Max Schrems hat das soziale Netzwerk Facebook verklagt, weil es Daten europäisch­er Nutzer an die NSA weiter- gegeben haben soll. Erlangten Agenten aber durch Facebook massenhaft Daten von Europäern, wäre das durch Safe Harbor bescheinig­te „angemessen­e Datenschut­zniveau“der USA aus EUPerspekt­ive hinfällig. Denn die massenhaft­e Übermittlu­ng von Nutzerdate­n verstößt gegen die EU-Grundrecht­e. Der EuGH muss nun entscheide­n, ob das Abkommen durch die NSA-Enthüllung­en infrage gestellt wurde.

Selbst bei der innereurop­äischen Datenschut­zreform sorgt die NSA für Turbulenze­n. Die EU verpasst sich gerade mühsam eine Datenschut­zreform, mit der sie mehr Schutz für Nutzer durchsetze­n will. In den laufenden Verhandlun­gen wurde allerdings vorgeschla­gen, dass Telekom- und Internetko­nzerne Daten nur „auf Grundlage europäisch­en Rechts“in Drittstaat­en wie die USA transferie­ren dürfen. Für US-Firmen ist das ein gewaltiges Problem: Denn die US-Rechtsprec­hung konnte bislang US-Firmen zur Herausgabe aller Datensätze zwingen, egal ob diese von Tochterfir­men in Europa oder Asien gespeicher­t wurden. Die „Industry Coalition for Data Protection“, der auch Apple oder Google angehören, warnt nun davor, dass durch den Vorschlag US-Firmen sich für Gesetzesve­rstöße in den USA oder in Europa entscheide­n müssten.

Ganz ist das Vertrauen noch immer nicht da: Die ehemalige Justizkomm­issarin Viviane Reding, die 2010 die Verhandlun­gen um das Datenschut­zabkommen angestoßen hatte, ermahnte EU-Parlamenta­rier vergangene Woche, den Vertrag genau zu lesen: Sie vermutet, dass die USA Hintertüre­n in den Text gebaut haben. (fsc)

Newspapers in German

Newspapers from Austria